Bochum. Die Staatsanwaltschaft Bochum setzt extra Kräfte für die Verfolgung von Attacken auf Amtsträger ein. Es gab schon rund 1800 Verfahren.

Pöbeln, spucken, beleidigen, schlagen, treten, beißen, behindern: Wer sich das gegenüber Amtsträgern aller Art leistet, bekommt es wahrscheinlich mit drei speziellen Kräften der Staatsanwaltschaft Bochum zu tun. Diese hat vor anderthalb Jahren eine Sonderabteilung gegründet, um verbale und körperliche Übergriffe auf Amtsträger strafrechtlich zu verfolgen. In der Abteilung mit den Kennziffer 320 gibt es viel zu tun. Schon rund 1800 Verfahren wurden eingeleitet, wie die WAZ auf Anfrage erfuhr.

Es geht um den Schutz von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, Mitarbeitern von Jobcentern und Rettungskräften. Sämtliche Übergriffe aller Art werden verfolgt, keineswegs nur Widerstandshandlungen, sondern auch Beleidigungen, Nötigungen, Körperverletzungen, Bedrohungen und Ähnliches.

Staatanwaltschaft Bochum: Körperliche Angriffe auf Bedienstete nahmen zu

"Es waren zunehmend auch körperliche Übergriffe auf öffentlich Bedienstete zu beklagen", erläutert Oberstaatsanwalt Paul Jansen den Beweggrund für die Gründung der Abteilung im Juli 2019. So habe es zum Beispiel Ende 2018 in Bochum eine gewaltsame Attacke einer psychisch auffälligen Frau auf eine Gerichtsvollzieherin gegeben. "Bei der Beurteilung von Taten dieser Art ist in der Regel eine Gesamtschau mit früheren Taten und psychiatrischen Begutachtungen notwendig, was im ,Massenbetrieb' von allgemeinen Abteilungen nur schwerlich zu leisten ist", erklärte Jansen.

"Darüber hinaus scheint manchen Bürgerinnen und Bürgern nicht klar zu sein, dass wir diese Berufsgruppen für unsere Daseinsvorsorge benötigen und diese, wenn nötig, zu unterstützen, aber doch keinesfalls in welcher Form auch immer zu drangsalieren haben."

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Davon angesprochen fühlen darf sich wohl auch ein 60-jähriger Bochumer. Er war vor einem Jahr verurteilt worden, weil er in Wattenscheid Rettungskräfte bei einem Notfalleinsatz massiv behindert und beleidigt hatte. Grund: Der Rettungswagen mit einer schwerverletzten Frau (61) versperrte die Zufahrt zu seiner Garage und er wollte nicht warten. Die Sanktion: 5400 Euro Geldstrafe auf Bewährung ("Verwarnung mit Strafvorbehalt"). „Das war ein territoriales Alphatier-Gehabe“, hatte Richter Dr. Axel Deutscher damals über den Angeklagten gesagt.
 
Die Fallzahlen auf diesem Deliktgebiet waren schon damals "explosionsartig" angestiegen, wie die Staatsanwaltschaft im Prozess sagte. 1200 Verfahren gab es allein im vergangenen Jahr. "Ich habe den Eindruck, dass mehr angezeigt wird", sagte Jansen der WAZ. "Hierzu haben sicherlich auch die Gespräche und Netzwerkbildungen seitens der Staatsanwaltschaft mit den einzelnen Behörden beigetragen. Die Behörden haben es ihrerseits außerordentlich begrüßt, nunmehr mit den Dezernenten der Abteilung 320 feste Ansprechpartner zu haben."

Die Täter kommen aus allen Kreisen der Gesellschaft

Die bisher rund 1800 Verfahren betreffen aber nicht nur Bochum, sondern den kompletten Bezirk des Landgerichts Bochum: mit Herne, Witten und Teilen des Kreises Recklinghausen.

Grundsätzlich kommen die Täter aus allen Kreisen der Gesellschaft. "Der überwiegende Anteil dürfte jedoch einem kriminellen Milieu zuzurechnen sein, hier gibt es eben auch den meisten Kontakt mit der Polizei", so Jansen. Einen großen Anteil hätten allerdings auch berauschte und/oder psychisch auffällige Menschen. 

Besonders häufig von Attacken betroffen sind solche Amtsträger, die mit den Menschen in Kontakt treten müssen: Polizeibeamte und Rettungskräfte. Dort gibt es auch die meisten körperlichen Übergriffe.

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