Bochum. Weil er Rettungskräfte in Bochum behindert und beleidigt hatte, ist ein Autofahrer (59) verurteilt worden. Der Richter: „Alphatier-Gehabe.“
„Das war ein territoriales Alphatier-Gehabe“, sagte Richter Dr. Axel Deutscher über den Angeklagten. Der 59-jährige Wattenscheider hatte Rettungskräfte bei einem Notfalleinsatz massiv behindert und beleidigt. Grund: Der Rettungswagen mit einer schwerverletzten Frau (61) versperrte die Zufahrt zu seiner Garage und er wollte nicht warten. Dafür wurde er am Mittwoch vom Amtsgericht verurteilt.
Der Prozess wird sowohl dem Richter als auch Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann wohl länger in Erinnerung bleiben. Der Angeklagte begann die Verhandlung mit einer Frontalverteidigung, die er schriftlich vorbereitet hatte. Er redete erneut schlecht über die Rettungskräfte und auch über die angeblich voreingenommenen Nachbarn, die ihn im Ermittlungsverfahren belastet hatten.
Angeklagter vollzog auf dem Gerichtsflur eine Wandlung
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Als der Richter ihm dann aber die klare Ansage machte, dass im Falle einer streitigen Beweisaufnahme und eines Schuldspruchs wohl eine deutliche Strafe und zusätzlich ein monatelanges Fahrverbot herausspringen könnten, zog es der Angeklagte vor, sich seine Aussage auf dem Gerichtsflur noch einmal zu überlegen. Zurück in den Saal schien ein vollkommen anderer Mensch zu kommen: Er war geständig und reuig bis zum Gehtnichtmehr. „Ich hätte mich in keinster Weise so ungehalten und aggressiv verhalten dürfen.“ Vom Sessel aufstehend bat er die Rettungskräfte um Entschuldigung. „Es hat mich gerüttelt und mir die Augen geöffnet.“
Patientin starb fünf Tage nach dem Vorfall
Am 30. März 2019 gegen 15 Uhr kam der ehemalige Angestellte im Finanzwesen (jetzt Frührentner) mit seinem Audi nach Hause und sah, dass ein großer Rettungswagen die Zufahrt zu seinem Innenhof blockierte. Eine 61-jährige Anwohnerin war in ihrer Wohnung gestürzt, sie musste gut 30 Minuten lang notärztlich im RTW behandelt werden. Ihr Zustand verschlimmerte sich so sehr, dass sie fünf Tage später im Krankenhaus starb.
Einsatzkräfte konnten zeitweise nicht weiterverhandeln
Laut Anklage hatte der Angeklagte mehrfach laut gehupt und wollte, weil der RTW nicht Platz machte, in diesen eindringen. Im aggressiven Eifer habe er eine Rettungsassistentin und eine Notärztin als „Hure“ und „blöde Kuh“ angepöbelt. Um den Mann abzuwehren, mussten die Einsatzkräfte die Behandlung erst für 30 Sekunden und danach noch einmal für zwei bis drei Minuten unterbrechen.
Nach einer Anzeige des Rettungsdienstes – das geschieht immer in solchen Fällen – ermittelte die Staatsanwaltschaft sogar unter dem Verdacht, dass die 61-Jährige ohne den Angriff des Angeklagten vielleicht nicht gestorben wäre. Dann wäre der Mann wohl vor dem Schwurgericht gelandet, dem Gericht, das sich mit alle Arten von Tötungsdelikten befasst. Eine Obduktion ergab aber, dass die Unterbrechungen der Notarztbehandlung keine Auswirkungen auf die pathologische Entwicklung gehabt hatte.
Der bisher unbestrafte Angeklagte ist eigener Aussage zufolge Schöffe am Landgericht und als ehrenamtlicher Ausbilder im Rettungsdienst tätig.
5400 Euro Geldstrafe auf Bewährung
Ankläger Bachmann forderte eine Geldstrafe von 5400 Euro (90 Tagessätze) wegen „Behinderung von hilfeleistenden Personen“ und Beleidigung. Der Angeklagte habe sich so egoistisch aufgeführt, „als sei er allein auf der Welt“. Das Gericht setzte diese Geldstrafe aber zur Bewährung aus („Verwarnung mit Strafvorbehalt“). Sollte er in den nächsten zwei Jahren keine Straftat mehr begehen, muss er gar nichts zahlen. Wenn doch, sind die 5400 Euro fällig – plus eine Strafe für die weitere Tat.
Das Urteil nahm der Angeklagte sofort an. Es ist rechtskräftig.