Bochum. Nicole Seifert-Schüler aus Bochum ist seit 14 Jahren Bestatterin. Die letzte Zeit war bisher die schwierigste. Corona bringt sie an ihre Grenzen.
Anteilnahme mit Abstand, kein tröstender Händedruck, Hinterbliebene, die ihre Lieben nicht zum letzten Mal sehen dürfen: Corona stellt Bestatterinnen und Bestatter vor Herausforderungen, die sie sich vor einem Jahr nicht mal ansatzweise hätten ausmalen können. "Es tut mir im Herzen weh", sagt Bestatterin Nicole Seifert-Schüler vom Bestattungshaus Reininghaus-Seifert in Bochum-Stiepel über die Arbeit in den vergangenen Monaten.
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Ganz schlimm war der erste Lockdown. "Die Gespräche fanden telefonisch statt. Wir haben Angehörige am Tag der Trauerfeier zum ersten Mal gesehen. Sie selbst durften sich nicht vom Verstorbenen verabschieden", schildert Seifert-Schüler. Wochenlang durften viele Menschen todkranke Familienmitglieder im Krankenhaus nicht besuchen - dann wurde ihnen auch der letzter Abschied genommen. Unabhängig davon, ob der oder die Verstorbene an Corona erkrankt war oder nicht.
Erster Lockdown: Trauerhallen geschlossen, Enkel durften nicht auf Beerdigung der Großeltern
Zeitweise hat sie ihren Beruf sogar in Frage gestellt. "Das war nicht mehr die Arbeit, wegen der ich ihn ausübe", schildert sie. Dasein für die Hinterbliebenen in den wohl schwierigsten Stunden, Kraft geben - das macht für Seifert-Schüler den Beruf der Bestatterin aus. Genau das ging nicht. Trauerhallen waren geschlossen, Enkel durften sich Anfang des Jahres nicht einmal auf der Beerdigung von Großeltern verabschieden, weil maximal fünf Leute dabei sein durften. "Ich bekomme das vergangene Jahr immer noch nicht wirklich zu fassen", sagt die Bestatterin.
Mittlerweile hat sich einiges geändert, verbessert. Die Zahl der Teilnehmer bei Beerdigungen ist mittlerweile unbegrenzt. "Natürlich appellieren wir an den Verstand der Angehörigen, dass wirklich nur die Leute kommen, die eine enge Beziehung zu der Person hatte", erklärt Seifert-Schüler. Menschen dürfen sich nun wieder von ihren Angehörigen verabschieden - so lange diese nicht an oder mit Corona verstorben sind.
Sterben während Corona: Weit entfernt von Normalität
Trotzdem: Von Normalität kann nicht die Rede sein. Trauergespräche finden nicht mehr im warmen Büro statt, sondern in der großen Trauerhalle im Bestattungshaus, weil hier der notwendige Sicherheitsabstand gehalten werden kann. Auch Kaffee oder Stoffelemente als Dekoration - vieles das für etwas Wärme von innen und außen sorgen kann - gibt es nicht mehr. Sarg oder Urne müssen Angehörige im Katalog aussuchen, die Ausstellung darf nicht betreten werden.
Beim Gespräch mit Seifert-Schüler am 5. Januar befand sich im Bestattungshaus an Covid-19 Verstorbener. Vor ein paar Wochen sah die Lage anders aus: "Bei jedem zweiten Anruf fiel das Stichwort Corona", erklärt sie. Für die Bestatterin und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeutet das besondere Schutzmaßnahmen, darunter das Tragen einer FFP2-Maske. "Während des ersten Lockdowns galten wir Bestatter nicht als systemrelevant, da sind wir an diese gar nicht erst drangekommen", berichtet die Seifert-Schüler. Das habe ihre Arbeit extrem erschwert. Mittlerweile ist das Bestattungshaus Reininghaus-Seifert ausgestattet - hat sich Vorräte angeschafft.
Bestatterin aus Bochum versucht jedem eine würdevolle Bestattung zu ermöglichen
Auch weiterhin dürfen Menschen, die an oder mit Corona verstorben sind, nicht aufgebahrt werden. Der Leichnam wird in eine Hülle verpackt und anschließend in den Sarg gelegt. "Wichtig ist, dass alles gekennzeichnet wird", sagt Seifert-Schüler. Zudem müssen sie und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher gehen, dass Angehörigen nicht selbst Kontakt zum Verstorbenen hatten und möglicherweise Corona haben. Die Bestatterin möchte betont, dass es auch bei Covid-Toten die Optionen bei der Beerdigung gibt: "Es geht beides, die Erd- und die Feuerbestattung."
Nicole Seifert-Schüler versucht, jedem Verstorbenen eine würdevolle Bestattung zu ermöglichen. Sie hofft, dass sich die Lage zum Frühjahr hin verbessert und sie ihren Beruf wieder so ausüben kann, wie früher. Ohne großen Abstand, mit einem tröstenden Händedruck, der Hinterbliebenen viel Kraft geben kann.
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