Wattenscheid-Westenfeld. Die Baugenossenschaft Wattenscheid kauft die katholische St. Nikolaus-Kirche. Die Landmarke in Westenfeld bleibt und wird neu belebt.
Die Tinte unter dem Vertrag ist gerade trocken, die Konzepte entwickeln sich allmählich. Klar ist, dass die Wohnungsbaugenossenschaft Wattenscheid die St. Nikolaus-Kirche von der Katholischen Propsteigemeinde St. Gertrud übernimmt und behutsam zur Geschäftsstelle umbaut, die Kirche bleibt im Dorf und prägt weiter die Silhouette des Stadtteils.
Der letzte Gottesdienst in dem Sandstein-Gebäude mit dem charakteristischen Zwiebelturm, die "Maggi-Kirche", liegt zwölf Jahre zurück. Sie wurde mit der Zusammenlegung der katholischen Ortsgemeinden außer Dienst gestellt, profaniert, stand leer. Sie wird als eine der so genannten "weiteren Kirchen" im Pfarreientwicklungsprozess PeP der katholischen Großgemeinde ab 2030 nicht mehr vom Essener Bistum finanziert, die Unterhaltungskosten aber laufen unvermindert weiter. Mit sinkenden Mitgliederzahlen sinken dabei auch die Steuereinnahmen.
Wattenscheider Geschäftsstelle platzt aus allen Nähten
In der Reihe von Kaufinteressenten schlug in Wattenscheid das Pendel am Ende für das genossenschaftliche Unternehmen aus. Eine Lösung, mit der beide Seiten sehr zufrieden sein können, wie Alfons Jost für den Kirchenvorstand unterstreicht: "Das war ein zäher Prozess mit vielen Beteiligten."
Denn die Wohnungsbaugenossenschaft Wattenscheid eG ist in der Geschäftsstelle an der Franz-Werfel-Straße längst an die räumlichen Grenzen für 20 Mitarbeiter gekommen. Geschäftsführer Markus Brüning beschreibt, dass 2015 erste Gespräche mit der Propsteigemeinde über den Kauf des Kirchengrundstücks anliefen. Entscheidend war dann, "dass wir das Wahrzeichen erhalten und neu nutzen, aber nicht auf dem Grundstück neu bauen wollten".
Teil der Historie und der Genossenschafts-Philosophie
"Die Erhaltung und Weiterentwicklung eigener Immobilien gehören zur genossenschaftlichen Philosophie und Historie", macht Brüning deutlich, "gerade als Wattenscheider Unternehmen. Das ist auch eine gesellschaftliche Verpflichtung." Der WBGW gehören rund 400 Wohneinheiten im Bereich Westenfeld. Er umreißt, in das auf seine Art im Ruhrgebiet ungewöhnliche Gebäude solle eine zweite Etage eingebaut werden. 570 Quadratmeter Nutzfläche stehen zur Verfügung. Grundsätzlich wäre nicht jede andere Verwendung denkbar gewesen, vor allen sollte St. Nikolaus aber keine Bauruine werden.
Architektin Bettina Kotulla schildert außerdem, dass für die Büro-Nutzung die Seitenschiffe der Kirche nach oben geöffnet werden sollen, durch größer dimensionierte Fensterflächen mehr Licht hineinfallen soll. "Das ist nach außen an dem Baukörper, an der Kubatur, praktisch nicht zu sehen. Denn die Substanz ist auch nach zwölf Jahren Leerstand in Ordnung. Trotzdem stellt das Projekt in der Kirche aber eine große Herausforderung dar."
Gemeindehaus wurde überholt
Erhalten bleibt auch das Gemeindehaus, bei dem die Dachsanierung abgeschlossen werden konnte und für das schon in naher Zukunft weitere Renovierungsmaßnahmen anstehen. Es wird damit als ein wichtiger Baustein in dem Ensemble betont, stellt Alfons Jost fest. Das würdige auch die Arbeit der sehr aktiven Vereine und Verbände wie Kfd oder Kolpinggemeinschaft in Westenfeld. "Denn dass hier keine Gottesdienst mehr gehalten wurde, hat die besonders hart getroffen." Die Einnahmen aus der Vermietung des Gemeindehauses durch den Förderverein spielten eine große Rolle im Gesamtkonzept.
Ein neues Kapitel wird dagegen beim Kindergarten in St. Nikolaus aufgeschlagen. Bisher dreizügig wird ein Neubau fünfzügig vom SKFM betrieben, dem Sozialdienst katholischer Frauen und Männer. Der gemeinnützige Verein zeichnet bereits verantwortlich für die Kitas in St. Pius und St. Barbara. "Und der Bedarf in Westenfeld ist auf jeden Fall da", schildert der Wattenscheider Propst Werner Plantzen, "und kirchlich an dem kirchlichen Ort. Das ist wichtig für uns."
Neuer katholischer Kindergarten sogar fünfzügig
Der alte Kindergarten St. Nikolaus musste in Container ausgelagert werden, die Betriebserlaubnis war schon im Sommer ausgelaufen und die Stadt war für einen Übergang eingesprungen. "Aber der SKFM wollte nicht auf einer Baustelle beginnen", führt Plantzen aus.
Der Propst lächelt, als er zurückblickt, dass die Glocken von St. Nikolaus weiter läuten konnten. Und er erinnert daran, dass seit 1996 bistumsweit 96 Kirchen aufgegeben wurde, "jede Gemeinde musste dabei ihre Gebäude kritisch betrachten". Es sei schmerzlich gewesen, in Westenfeld praktisch nicht mehr präsent zu sein. Um so dankbarer sei die Gemeinde, dass der Turm stehen bleibt.
Dank richtet er auch an die Familien Westerhoff und Cruismann, die vor langer Zeit der Kirche das Grundstück für den Bau des Gotteshauses überließen. "Sie haben auch ein berechtigtes Interesse an der Entwicklung", gibt er zu bedenken.
Info: Entwicklung des ganzen Quartiers
Durch die Nachbarschaft mit dem kürzlich eingeweihten Sportplatz am Schulzentrum, einer regelrechten Verzahnung über den Kindergarten und die Eltern, lasse sich viel für das neue Quartier tun. "Die Revitalisierung wird ein Segen für Westenfeld", ist Plantzen überzeugt. Diese Ansicht teile auch das städtische Planungsamt, alle Maßnahmen zur Entwicklung des Geländes würden mit der Bauverwaltung abgestimmt, sagen die Beteiligten zu. Das betrifft schon die Anlage von Stellplätzen für die zukünftige gewerbliche Nutzung. Parkplätze musste die Kirche nicht berücksichtigen.
Noch sind keine Anträge gestellt, müssen gutachterlich Grundlagen geschaffen werden. Mindestens zwei Jahre seien zu rechnen, bis Greifbares umgesetzt werden könne, schätzt Alfons Jost, "gern eher". Umgesetzt werden mussten auch die Reliquien von St. Nikolaus, eher im Stillen mit einem Steinmetz, wegen der Pandemie, die auf diese Art auch die katholische Gemeinde trifft.
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