Bochum. Nicht alles fällt aus: Bei Bauer Appelbaum kann man sich den Tannenbaum wie jedes Jahr selbst schlagen. Vielen ist das 2020 besonders wichtig.
Wenn man auf dem Feld von Hermann Appelbaum in Wattenscheid inmitten von Dutzenden Weihnachtsbäumen steht und die Augen schließt, dann könnte man meinen, alles wäre wie immer: Es riecht nach Tannengrün, eiskalte Luft weht um die Nasenspitze, und Äste knacken leise. Wenn man die Augen öffnet, dann weiß man zwar wieder: Weihnachtsmärkte, große Familienfeiern und Schlittschuhlaufen fallen in diesem Jahr aus – auf alles Weihnachtliche verzichten muss man trotzdem nicht.
„Wir schlagen schon seit sechs Jahren unseren eigenen Weihnachtsbaum, das ist eine richtige Tradition“, sagt Hennig Garn, während er nach einem passenden Prachtstück sucht. Höchstens zwei Meter, gerade gewachsen und buschig soll er sein, damit die roten und goldenen Kugeln gut zur Geltung kommen.
Zusammen mit Partnerin Anna und dem noch nicht einmal einen Monat alten Sohn Adrian stapft Garn dafür über das Feld von Bauer Appelbaum, bewaffnet mit Handschuhen und Handsäge.
Landwirt aus Bochum-Wattenscheid hat bis zu 8000 Bäume angepflanzt
Zwischen 5000 und 8000 Bäume hat Appelbaum angepflanzt. Je nach Größe sind sie zwischen drei und 16 Jahren alt. „Ich war mir gar nicht sicher, ob wir unsere Tradition in diesem Jahr fortführen können. Ich habe extra angerufen, um zu erfragen, ob man sich einen Termin reservieren muss“, sagt Anna Garn. Gott sei Dank sei vom Bauern die Antwort gekommen: „Maske auf und los geht’s!“
Junior Patrick Appelbaum ist sich sicher, dass der Tannenbaum in diesem Jahr für viele besonders wichtig ist: „Bei unserem normalen Tannenbaumverkauf sind die Menschen früher gekommen“, hat er beobachtet. Und auch bei dem Angebot, am Sonntag (13.) seinen Baum selbst zu schlagen, erwartet er Zulauf. „Wenn man nicht in den Urlaub fahren kann oder Verwandte besuchen kann, wird der Baum wichtiger“, sagt Appelbaum.
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Das sieht auch Claudia Kirchner so: „Wenn uns schon der Rest genommen wird, brauchen wir wenigstens ein bisschen Gemütlichkeit“, sagt sie und berichtet von Christbaumschmuck aus Plüsch, der an ihren Baum kommt.
Oliver Heimes ist gerade dabei, ein Objekt der Begierde mit einem Zollstock zu vermessen. „Ich habe das noch nie gemacht, normalerweise haben wir einen fertig verpackten Baum gekauft“, sagt er.
In diesem Jahr wollte Tochter Thea (3) aber unbedingt, dass ihr Papa einen Baum selbst schlägt. „Ich probiere das in Form von ‚learning by doing‘ gleich einfach mal aus“, gibt er sich optimistisch. Peter Kretzschmer hat da schon Erfahrung aus dem Vorjahr: „Ich war überrascht, dass es so einfach geht und gar nicht schweißtreibend ist“, sagt er.
Bäume sind frischer und weniger nadelnd
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Tochter Emma (10) und Mutter Simone sind mitgekommen, um einen schlanken und schmalen Baum auszusuchen. Frischer, weniger nadelnd und günstiger als beim Fertigkauf – das sind die Argumente, die man von den Tannenbaum-Jägern auf dem Feld hört. „Ich wollte außerdem eine Edeltanne, meist bekommt man nur Nordmanntannen“, sagt Bernhard Köhler. Er ist gerade dabei, seinen Weihnachtsbaum zur Verpackstation zu ziehen.
Bezahlt wird bei Appelbaum nach Größe des Baums – 17 Euro kostet der Meter Edeltanne. „Da kommen dann Zapfen und Lichterkerzen dran“, sagt Köhler weiter.
Abnehmer für größere Bäume fehlen in diesem Jahr
Seinen Baum hat er auf einer Höhe von 1,50 Metern abgesägt – eigentlich nicht erlaubt. „Wir erlauben es dieses Jahr aber, weil die Edeltannen zu groß geworden sind und wir sie später sowieso häckseln müssen“, sagt Appelbaum. Die Abnehmer für große Bäume mit einer Höhe von vier Metern, wie sie in Kirchen, auf Weihnachtsmärkten oder auf Betriebsfeiern oft anzutreffen sind – sie fehlen in diesem Jahr.
Thea (3) erinnert aber daran, was trotz Corona geht: „Tannenbaum schmücken, Plätzchen backen, Weihnachtslieder singen und Geschenke auspacken“, sagt sie. Wie in jedem Jahr.