Bochum. Zwei Polit-Zwerge mischen den Rat in Bochum auf. Weil Stadtgestalter und „Die Partei“ eine Fraktion bilden, erfolgt die Neuwahl aller Ausschüsse.
„Ernsthafte Kommunalpolitik mit Augenzwinkern“ – dafür steht nach eigenen Angaben das neueste Bündnis im Rat der Stadt Bochum: „Die Partei & Stadtgestalter – Die ungewöhnliche Fraktion“.
Wie ernst es die vierköpfige Fraktion meint, zeigt ihr Antrag zu der Ratssitzung am Donnerstag (17.). Sie fordert die Neuwahl nahezu aller Ausschüsse – was die restlichen 82 Ratsmitglieder und Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) vermutlich nicht die Augen zwinkern, sondern eher verdrehen lässt.
Rat in Bochum muss die Wahl der Ausschüsse wiederholen
Dem Antrag muss nämlich stattgegeben werden. Das hat Thorsten Lumma aus dem Amt für politische Gremien den anderen Fraktionen bereits mitgeteilt. Die Veränderung der Kräfteverhältnisse im Rat mache „aufgrund der Rechtsprechung, aus Sicht der Verwaltung, die erneute (…) Besetzung der (...) Ausschüsse und die damit verbundenen Abstimmungen (…) erforderlich“. Die Tagesordnung der Ratssitzung werde daher erweitert. „Entsprechende Wahllisten hierzu können mir angereicht werden“, schreibt Lumma.
Neue Fraktion hofft auf Stimmrecht in den Ausschüssen
Kommunalpolitik mit Augenzwinkern
Stadtgestalter und „Die Partei“ haben sich zu einer Fraktion im Rat der Stadt zusammengeschlossen. Bei der Kommunalwahl hatten das Bürgerbündnis Stadtgestalter (Motto: politisch aber parteilos) und die Satirepartei „Die Partei“ jeweils zwei Sitze im Rat errungen.
Die Ratsmitglieder Volker Steude und Carsten Bachert-Schneider (beide Stadtgestalter), Nils-Frederick Brandt und Paul Tobias Dahlmann wollen künftig als „Die Partei & Stadtgestalter – Die ungewöhnliche Fraktion“ im Rat auftreten. Man stehe für „eine ernsthafte Kommunalpolitik mit Augenzwinkern“, heißt es.
Die Fraktion werde sich konstruktiv an allen politischen Herausforderungen und Projekten Bochums beteiligen. „Satire wird ein wohldosiertes Stilmittel sein, um politische Kritik zur Geltung zu bringen und der Bochumer Politik neue Impulse zu geben.“
Einsetzen wolle man sich vorrangig für moderne Verkehrskonzepte, mehr Bürgerbeteiligung, solide Finanzen, Hilfen für Obdachlose, günstigen Wohnraum und eine bessere Ausstattung der Schulen.
Der Hintergrund ist klar. Weil die neue Fraktion mit vier Sitzen nun größer ist als die Fraktionen von UWG/Freie Bürger und FDP (je drei Sitze), hofft sie auf stimmberechtigte Sitze in den großen Ausschüssen des Rates. „Bislang waren wir in keinen Ausschüssen mit Stimmrecht vertreten“, sagt Volker Steude von den Stadtgestaltern. Das werde sich jetzt ändern.
Die Besetzung der Ausschüsse müsse zwingend das Kräfteverhältnis im Rat widerspiegeln. Auch Leihstimmen aus anderen Fraktionen dürften das nicht verhindern, so Steude. Bei der konstituierenden Ratssitzung am 19. November im Ruhrcongress hatten beispielsweise UWG/Freie Bürger und FDP von solchen Stimmen profitiert – zum Verdruss der damaligen Ratsgruppen Stadtgestalter und „Die Partei“.
Grüne werfen neuem Bündnis vor, „bewusst Chaos zu stiften“
„Hier geht es darum, bewusst Chaos zu stiften“, sagt Sebastian Pewny, Vorsitzender der Grünen-Fraktion. Stadtgestalter und „Die Partei“ hätten nach der Kommunalwahl und vor der konstituierenden Sitzung des Rates ausreichend Zeit gehabt, eine Fraktion zu bilden. Nur weil der Versuch gescheitert sei, anderen Fraktionen Sitze zu klauen, „zwingen sie jetzt in einer Pandemie die Kollegen, eine zusätzliche Stunde zu tagen“.
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Pewny glaubt zudem nicht, dass es zwingend zu einem anderen Ergebnis kommen wird. „Fraktionen können sich zwar nicht zusammenschließen, aber jedes Ratsmitglied entscheidet frei, für welche Liste es stimmt.“ Im Klartext: Pewny bewertet Leihstimmen anders als Steude.
AfD soll in möglichst vielen Gremien nicht vertreten sein
Diskutiert wird in den Parteien weiterhin die Besetzung der Posten in Aufsichtsräten städtischer Beteiligungen oder Gremien von Verbänden. Seit Wochen finden hier zwischen den Fraktionen Gespräche statt. Es geht zum einen um Einfluss und lukrative Mandate und zum anderen darum, der AfD möglichst wenig Sitze zuzugestehen.
Auch hier müssen alle dank der neuen Fraktion wieder neu rechnen. „Am Ende könnte es sogar so weit kommen, dass bei dem ein oder anderen Gremium ein Losentscheid notwendig wird“, sagt Burkhard Jentsch, Fraktionsvorsitzender der SPD.
CDU verzichtet für Posten bei Gelsenwasser auf Einfluss bei der Bogestra
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Einige wichtige Entscheidungen zeichnen sich nach WAZ-Informationen aber ab. Aus einer Liste der CDU-Fraktion, die der Redaktion vorliegt, geht hervor, dass Fraktionschef Christian Haardt sich den lukrativsten Posten sichert: das Aufsichtsratsmandat bei Gelsenwasser. 30.000 Euro gibt es dafür pro Jahr. Auch bei den Stadtwerken soll Haardt im Aufsichtsrat bleiben.
Zustehen würde der Sitz eigentlich den Grünen. „Wir wissen, dass der Posten lukrativ ist. Aber es geht uns nicht ums Geld, sondern wir wollen politisch gestalten“, so Pewny. „Mit Blick auf die notwendige Verkehrswende ist uns das Mitwirken im Aufsichtsrat der Bogestra wichtiger.“ Martina Foltys-Banning, die auch beim Verkehrsverbund Ruhr (VRR) im Verwaltungsrat sitzt, wird die Grünen vertreten. Der CDU bleibt beim Verkehrsunternehmen dank des „Gelsenwasser-Deals“ mit den Grünen nur die Rolle als „Zuhörer“.
Rat tagt am Donnerstag in der Jahrhunderthalle
Der Rat muss erneut umziehen: Weil im Ruhrcongress das städtische Impfzentrum errichtet wurde, tagen die Kommunalpolitiker am Donnerstag, 17. Dezember, in der Jahrhunderthalle. Beginn ist um 13 Uhr.