Bochum. Wer politische Ehrenämter häuft, kann in Bochum 46.000 Euro jährlich verdienen. Im Vorfeld der 1. Ratssitzung sind Posten und die AfD ein Thema.
Vor der ersten Sitzung des im September neu gewählten Rates der Stadt Bochum am Donnerstag (19.) schachern die Fraktionen hinter den Kulissen seit Tagen um Einfluss und Posten. Für manch ehrenamtlichen Kommunalpolitiker geht es dabei nicht nur um Macht, sondern auch um viel Geld - wie ein Blick auf die Verdienste von Multi-Mandatsträgern aus der vergangenen Wahlperiode zeigt.
Martina Schmück-Glock (SPD) und Roland Mitschke (CDU) erzielten mit ihrem Einsatz fürs Wohl der Bürgerinnen und Bürger Einkünfte von jährlich 46.182,20 Euro beziehungsweise 44.314 Euro. Aber auch bekannte Bochumer Polit-Größen wie Peter Reinirkens, Heinz-Dieter Fleskes (beide SPD) und Klaus Franz (CDU) kamen auf Einnahmen von mehr als 30.000 Euro im Jahr (siehe Tabelle, berücksichtigt sind Politiker mit Einkünften von mehr als 20.000 Euro im Jahr 2019).
Jedes Ratsmitglied in Bochum erhält monatlich 395,30 Euro
Die ehrenamtliche politische Arbeit in einer Stadt wird aus Steuermitteln bezahlt. Die Aufwandsentschädigung richtet sich nach der Größe der Kommune. In Bochum erhält jedes Ratsmitglied monatlich 395,30 Euro; in Duisburg oder Essen sind es 492,90 Euro. Funktionen werden extra honoriert. Bürgermeister, Fraktionsvorsitzende und ihre Stellvertreter sowie Vorsitzende von Ratsausschüssen erhalten Zuschläge. Zum Beispiel jährlich fast 18.000 Euro als 1. Bürgermeister oder Chef einer großen Fraktion oder 9000 Euro als Fraktions-Vize.
Hinzu kommen Sitzungsgelder. In Bochum sind das rund 20 Euro pro Sitzung (diese sind in unserer Aufstellung nicht berücksichtigt). Im Jahr 2019 zahlte die Stadt 134.243,90 Euro an die Bochumer Ratsmitglieder. Im Schnitt sind das pro Kopf rund 1600 Euro Sitzungsgeld.
Posten im Aufsichtsrat der Gelsenwasser AG bringt viele tausend Euro ein
Einnahmen erzielen die gewählten Volksvertreter auch durch ihre Mitgliedschaft in Gremien. Besonders hoch vergütet werden Posten in Aufsichtsräten von großen städtischen Gesellschaften. Wer als Verwaltungsrat der Sparkasse oder Aufsichtsrat von Stadtwerken, Bogestra oder VBW Wohnen und Bauen aktiv ist, darf sich schnell über zusätzlich mehrere tausend Euro freuen. Am lukrativsten ist die Arbeit im Aufsichtsrat der Gelsenwasser AG. Klaus Franz bekam 2019 für sein Mitwirken bis Ende Juli 29.900 Euro überwiesen.
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Kein Wunder also, dass im Vorfeld einer konstituierenden Ratssitzung, auf der üblicherweise Bürgermeister, Ausschüsse und deren Vorsitze gewählt und Mandate in Gremien vergeben werden, in den Fraktionen und Parteien viel zu regeln ist. Die große Richtung gibt natürlich die rot-grüne Koalition vor, die mit 48 Sitzen im Rat über eine satte Mehrheit verfügt; hinzu kommt Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD).
Koalition gesteht der CDU in Bochum vier Ausschuss-Vorsitze zu
Im Koalitionsvertrag haben SPD und Grüne die Zahl der Ausschüsse vorgegeben. Weitgehend orientieren sich die Parteien dabei an der vergangenen Wahlperiode. Nach WAZ-Informationen hat die Koalition der CDU den Vorsitz in vier Ausschüssen zugesagt.
Das Zünglein an der Waage bei der Postenvergabe spielen indes eher „politische Zwerge“. Zu vergeben sind in Bochum rund 200 Mandate in mehr als 40 Gremien. Der Rat entsendet per Abstimmung die meisten dieser Mitglieder aus seiner Mitte.
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Mit eigens für diese Wahlen geschmiedeten Bündnissen (Listen) können sich Gruppierungen wie „Die Stadtgestalter“ und „Die Partei“ (je 2 Sitze) und kleine Fraktionen wie FDP und UWG: Freie Bürger (je 3 Sitze) mehr Mandate sichern als ihnen nach dem Wahlergebnis zustehen würden. Hier schlägt die Stunde der Strategen, die im Vorfeld exakt berechnen, was möglich ist. Verteilt werden die Sitze nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren.
Fraktionen schmieden ein Bündnis gegen die AfD
Möglichst leer ausgehen soll nach dem Wunsch aller anderen Fraktionen die AfD. Ist das Mitwirken der Rechtspopulisten in den Ratsausschüssen nicht zu verhindern, so soll die Partei keine Vertreter in die Gremien schicken dürfen. Mehrere Wege führen zum Ziel. „Mit unseren zwei Sitzen befinden wir uns dabei in einer guten Situation“, sagt Volker Steude (Stadtgestalter), „das ist ein kompliziertes Geschäft“, sagt Christian Haardt (CDU).
Christdemokraten und Stadtgestalter ziehen nach WAZ-Informationen aber nicht an einem Strang. Stadtgestalter werden wohl mit den Linken und „Der Partei“ eine Liste bilden und sich somit zusätzliche Sitze sichern. Wenn alle anderen dann an einem Strang ziehen, bleibt die AfD außen vor. Ein Bündnis bilden wollen zudem FDP und UWG: Freie Bürger. Ziel hier ist es, Jens Lücking (UWG: FB) in den Aufsichtsrat der Stadtwerke zu bekommen. „Ich arbeite dort seit 16 Jahren mit und würde das auch weiterhin gern tun“, sagt Lücking.
Roland Mitschke (CDU): „Grenze zum Ehrenamt ist überschritten“
Veränderungen bei den „Großverdienern“ unter den Bochumer Kommunalpolitikern wird es geben. Heinz-Dieter Fleskes ist nicht mehr im Rat und Peter Reinirkens (beide SPD) nicht mehr Vorsitzender der Ratsfraktion . Martina Schmück-Glock und Roland Mitschke sind indes auch nach der Direktwahl des Ruhrparlaments dort vertreten und werden vermutlich weiterhin wichtige Posten in Bochum besetzen.
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„Die Grenze zum Ehrenamt ist bei unserem Einsatz sicherlich überschritten“, kommentiert Roland Mitschke seine Einkünfte aus der Politik. „Vom zeitlichen Aufwand her ist das mit einem Landtagsabgeordneten zu vergleichen.“