Bochum. Die Anregung der Grünen in Bochum, eher weniger Wohnungen zu bauen, löst heftige Kritik aus. Der Weg sei falsch, so CDU, Linke und Mieterverein.
Mit ihren Überlegungen zu einer gebremsten Neubautätigkeit in Bochum und mehr Schutz von Freiflächen hat die Ratsfraktion der Grünen in ein Wespennest gestochen. Es hagelt Kritik von vielen Seiten. Es gibt aber auch Zustimmung.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, Roland Mitschke, unterstellt, die neue Flächenpolitik sei der Preis, den Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und die SPD für den Verzicht der Grünen auf einen eigenen OB-Kandidaten zahlen müsse. Wer den Wohnungsbau stoppe, fördere aber den Mietanstieg. Auch das Argument, eine sinkende Einwohnerzahl würde für weniger Wohnungsbau sprechen, sei nicht stichhaltig. Mitschke: „Die Zunahme von Ein-Personen-Haushalten und der größere Wohnflächenbedarf pro Person befördern - selbst bei geringem Bevölkerungszuwachs- eine größere Nachfrage.“
Studie spricht von zehn Prozent Leerstand
Das CDU-Ratsmitglied vermisst einen umfassenden Blick auf das Thema Wohnbauflächen. Dabei gehe es nicht nur um den Erhalt von Freiflächen, abgesehen davon, „dass Bochum heute so grün wie seit 100 Jahren nicht ist“, so Mitschke, weil große Flächen entsiegelt worden seien. „Verantwortliche Wohnbauflächenpolitik muss unterschiedlichen Bedarfen Rechnung tragen. Nicht alle Mitbürger, besonders nicht junge Familien mit kleinen Kindern, wollen in fünf- und sechsgeschossigen Häusern wohnen.“
Die Grünen hatten nicht zuletzt die Versiegelung von Freiflächen als Argument gegen einen zu intensiven Wohnungsbau angeführt. Sie verweisen auf eine Studie, die in Bochum für 2030 einen Wohnungsleerstand von etwa zehn Prozent voraussagt. Eine weitere Analyse besage, es könnte zu einer Umverteilung von Wohnraum kommen. Dazu müssten mehr barrierearme Wohnungen her für ältere Menschen, die jetzt noch in Ein- und Zweifamilienhäusern leben. Theoretisch würden durch den Generationswechsel bis 2040 etwa 4900 Ein- und Zweifamilienhäuser frei.
Nachfrage wird größer
Aus Sicht von Michael Wenzel vom Mieterverein sind das Zahlenspiele. Dieser in der Wohnungsbranche als „Durchsickereffekt“ bekannte Zusammenhang sei tatsächlich ein „Versickerungseffekt“, so der Geschäftsführer. Er funktioniere nicht. Helfen würde nur ein deutlich größeres Angebot an geförderten Wohnungen. Und da sei in erster Linie die Stadttochter VBW Wohnen gefragt.
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Wohnungsbauquote ist gesunken
509 Wohnungen wurden im Jahr 2018 in Bochum neu gebaut, weitere 62 umgebaut. Das geht aus Informationen des Statistikdienstleisters IT.NRW hervor. Im vergangenen Jahr waren es nur 328 bzw. 44 Wohnungen.
Die Wohnungsbauquote (fertiggestellte Wohnungen je 10.000 Einwohner) ist laut IT.NRW von 15,7 (2018) auf 10,2 (2019) gesunken. Zum Vergleich: In Dortmund lag sie im Jahr 2019 bei 25,1, in Essen bei 17,7.
Richtig ist es zwar aus Sicht des Mietervereins, das 2017 verabschiedete Handlungskonzept Wohnen auf den Prüfstand zu stellen. „Aber das muss ergebnisoffen geschehen“, so Wenzel. Grünen-Fraktionschefin Barabara Jessel hatte gegenüber der WAZ gesagt, ihre Fraktion könne sich 500 Wohnungen jährlich vorstellen. Im Handlungskonzept werden 800 Neubauwohnungen jährlich angestrebt.
Handlungskonzept soll neue Bürger locken
Aus Sicht des Mietervereins ist das unverständlich. „Das Handlungskonzept Wohnen kann doch nicht schon nach drei Jahren über den Haufen geworfen werden“, so Geschäftsführer Wenzel. Das verunsichere nicht nur die Immobilienwirtschaft, die großen Wert auf Planungssicherheit lege. Zu wenig berücksichtigt würden auch einzelne Bedarfe wie die nach barrierefreien Wohnungen, nach bezahlbaren Wohnungen, aber auch nach höherpreisigem Wohnraum. Wenzel: „Ich habe das Handlungskonzept auch so verstanden, dass es attraktiven Wohnraum schaffen und neue Bürger anlocken soll.“
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Noch schärfer fällt die Kritik der Linken aus. Sie spricht davon, dass das Handlungskonzept Wohnen gescheitert sei – vor allem beim geförderten Wohnungsbau. 200 mietpreisgebundene Wohnungen sollten, so das Ziel, jährlich gebaut werden. „Obwohl das nicht ausreicht, um die Schrumpfung des sozialen Wohnungsbestands rückgängig zu machen, ist Bochum meilenweit von diesem Ziel entfernt“, sagt Linken-Ratsmitglied Mehriban Özdogan. „Im Jahr 2018 wurden nur 92 der angestrebten 200 Bewilligungen erteilt, im vergangenen Jahr ist die Zahl sogar auf 60 bewilligte Anträge gesunken.“ Ihre Fraktion schlägt vor, städtisches Bauland künftig nach dem Erbbaurecht an gemeinwohlorientierte Bauträger zu vergeben werden, „die sich zu dauerhaft bezahlbaren Mietpreisen verpflichten“.
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Zustimmung bekommen die Grünen dagegen von Nadja Zein-Draeger, einem Mitglied im Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung und in der Bürgerinitiative Werner Feld . Sie sagt: „Bochum braucht andere Wohnungen, nicht zusätzliche Wohnungen, die auf den Bochumer Freiflächen entstehen.“ Mehr als 50 Prozent des 2018 erstellten Wohnbauflächenprogramms seien Frei- und Grünflächen, 38 Prozent davon haben Klimafunktion und auf 44 Prozent wachsen Bäume. Eine Bebauung dort „führt zunehmend zu massiven Unmut in der Bochumer Bevölkerung“, so Zein-Draeger.
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