Bochum. Weil die Corona-Zahlen steigen, begrüßt eine Bochumer Schulleiterin es, die Klassenstärken zu halbieren. Andere Schulleiter sind sehr skeptisch.
Kleinere Gruppen in den Schulen, zu 50 Prozent digitaler Unterricht, zu 50 Prozent in Präsenz – im täglichen Wechsel: Angesichts der steigenden Corona-Zahlen hält Claudia Högemann, Leiterin der Willy-Brandt-Gesamtschule im Bochumer Stadtteil Werne, einen Unterricht dieser Art für sinnvoll. Sie kritisiert, dass das Schulministerium des Landes NRW der Stadt Solingen verbietet, die Klassenstärken ihrer Schulen zu halbieren. Dass dieses gestoppte Konzept auch etwas für Bochum ist, zweifeln andere Schulleitungen jedoch an.
„Die Schulen müssen aufbleiben, ja, da bin ich ganz beim Ministerium“, erklärt Högemann. Doch dass sich alle Schüler – an der Willy-Brandt-Gesamtschule immerhin 1400 – gleichzeitig in der Schule aufhalten, sei kaum vertretbar. „Wir haben das beste Hygienekonzept, lüften regelmäßig. Doch ob das reicht?“. Ihre Schule sei seit dem Lockdown im Frühjahr dieses Jahres mit einem guten Digitalkonzept ausgestattet, von einer Halbierung der Klassen im täglichen Wechsel würden alle profitieren. Auch, weil die einzelnen Schüler so eine größere Aufmerksamkeit der Lehrer hätten.
Land NRW verbietet Stadt Solingen, Klassenstärke zu halbieren
Eine Umsetzung dieses Konzepts ist in Bochum allerdings derzeit nicht möglich – weil das Land NRW es verboten hat. Die Stadt Solingen hatte angekündigt, ab diesem Mittwoch bis Ende November die Klassenstärken zu halbieren und je 50 Prozent der Schüler digital zu unterrichten. Konkret sollte bis Ende November wechselweise die Hälfte einer Klasse im Präsenz-, die andere Hälfte daheim im Distanzunterricht lernen. Das wurde nun gestoppt. Trotz rasant steigender Corona-Infektionszahlen will die schwarz-gelbe Landesregierung den Präsenzunterricht weiterhin flächendeckend aufrechterhalten.
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Der Unterricht in offenen Schulen habe für die geistige, soziale und persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen höchste Bedeutung, bekräftigte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Mittwoch. „Es gibt kein besseres Mittel, um Bildungsgerechtigkeit im ganzen Land herzustellen“, sagte sie im Schulausschuss des Landtags.
Stadt Bochum bevorzugt Orientierung an Inzidenzwerten
Die Stadt Bochum äußert sich nur wage zum geplatzten Vorhaben der Stadt Solingen und einer Umsetzung in Bochum. Die Schulverwaltung folge „der Linie des Schulausschusses des Städtetages. Dieser fordert einen zentralen, von der Landesregierung vorgegeben Stufenplan, der sich gestuft an den Inzidenzwerten orientiert“, teilt Sprecherin Nina Christin Menken mit.
Stadt Solingen wehrt sich gegen Verbot des Landes NRW
Die Stadt Solingen wehrt sich mit einer so genannten „Remonstration“ gegen das verhängte Verbot von Schulklassenteilungen. Diese Weisung halte man vor Ort „für falsch“, steht in einem Schreiben des Solinger Oberbürgermeisters Tim Kurzbach (SPD) und des Beigeordneten Jan Wenzel an NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), das der WAZ vorliegt.
Sie sieht ein „nicht unerhebliches Gefährdungspotenzial“ durch die vielen Coronainfektionen vor Ort. Die Stadt hält ihren Plan für umsetzbar, weil rund 5000 Tablet-PC in den Schulen zur Verfügung stünden.
Als nicht umsetzbar bezeichnet Kerstin Guse-Becker, Leiterin des Märkischen Gymnasiums in Wattenscheid, das Solinger Konzept. „Wir sind technisch gar nicht dazu in der Lage. Wir haben kein WLAN, und rund ein Viertel der Schüler ist nicht ausgestattet“, teilt sie mit. Ein Unterricht in einer ähnlichen Qualität wie bei der Präsenz aller sei schlichtweg nicht möglich. „Die Defizite der Schüler – weniger Unterricht, weniger soziale Kontakte – sind da größer als die Gefahr, sich anzustecken“, so Guse-Becker. Das regelmäßige Lüften funktioniere gut, wenn sich alle warm anziehen. In der Schule würden alle eine Maske tragen.
Kostet Umsetzung des Solinger Modells Lernzeit?
Auch Ralf Friedrich, Leiter der Carolinenschule, lehnt das Konzept ab: „Bei uns gibt es kleine Klassen, so haben wir gute Möglichkeiten, Abstand zu halten“, teilt er mit. Wäre immer nur die Hälfte der Schüler einer Klasse vor Ort, sei es schwierig, alle auf demselben Lernstand zu halten. Friedrich: „Wir müssten dann sicherlich viele Inhalte wiederholen, wodurch insgesamt Zeit verloren ginge.“
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