Bochum. Das Jobcenter hat einen Fehler bei der Antraggenehmigung als Einzelfall bezeichnet. Viele Bochumer bezweifeln das – sie hätten ähnliches erlebt.
Wegen eines Fehlers des Jobcenters hat die 20-jährige Cortina Rohde aus Bochum fast vier Monate auf die Bewilligung ihres Antrages gewartet. Immer wieder hatte das Jobcenter von der Schwangeren, die nach der Ausbildung nicht in ihrem sozialen Beruf arbeiten durfte, und ihrer Mutter Unterlagen angefordert, die es gar nicht hätten anfordern dürfen. Als der Fehler auffiel, wurde der Antrag der jungen Frau bewilligt, das Jobcenter sprach von einem Einzelfall. Dass dem so ist, zweifeln im Anschluss viele Bochumer an.
Jobcenter-Fehler- Bochumer Familie wartet Monate auf GeldSo berichtet zum Beispiel eine 61-Jährige, dass 2018 die Miete gekürzt und Heizkosten nicht mehr gezahlt wurden. Grund dafür sei unter anderem ein Nebeneinkommen gewesen, das angerechnet wurde. „Allerdings viel zu hoch, sodass am Ende mehr abgezogen wurde, als ich überhaupt verdient habe“, schildert die Frau aus Wattenscheid. Sie legte Widerspruch ein und musste vier Monate warten – am Ende habe sie eine hohe Nachzahlung bekommen. Noch immer sei die Sache nicht komplett geklärt. „Auch mir wurde gesagt, dass das ein Einzelfall war, doch das glaube ich nicht“, sagt die 61-Jährige im Gespräch.
Jobcenter Bochum: Unterlagen müssen in 99 von 100 Fällen nachgefordert werden
Weitere Bochumer meldeten sich in unserer Redaktion und teilten telefonisch und schriftlich mit, dass sie ähnliche Probleme hatten. Zahlen, wie häufig es bei Anträgen zu längeren Wartezeiten kommt, kann das Jobcenter nicht nennen. „Das erfassen wir statistisch nicht“, sagt Sprecher Johannes Rohleder auf Anfrage. Allerdings sei es gerade bei Erstanträgen unvermeidbar, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Unterlagen nachfordern muss. „Dass alles da ist, kommt vielleicht in einem von hundert Erstanträgen vor“, sagt er. Das Jobcenter fordere viel – Mieterverträge, Partnerschaftsurkunden, Schulbescheinigungen der Kinder, Einkommensbescheide, usw. Eine Herausforderung für die Kunden.
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Doch wieso muss das Jobcenter immer wieder Unterlagen nachfordern? „Alle Menschen haben eine unterschiedliche Lebenssituation. Bei jeder Bedarfsgemeinschaft muss der genaue Betrag errechnet werden, der dem Bedarf entspricht“, erklärt Rohleder. Dieser hänge von vielen individuellen Aspekten ab. Häufig ergäben sich aus den nachgeforderten Unterlagen erneut Fragen – sodass weitere Nachweise notwendig seien. Dass es dabei zu Fehlern wie im Fall der Familie Rohde kommt, passiere, so Rohleder: „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bemüht, diese so klein wie möglich zu halten. Unsere Kolleginnen und Kollegen haben zudem aus eigenem Interesse das Bestreben, Anträge schnell umzusetzen.“
Bochum Prekär mahnt an: „Eine Behörde kann nicht verhungern – ein Mensch schon“
Norbert Hermann von der Sozialberatung „Bochum-Prekär“ kritisiert: Die Antragsverschleppung gehört zu den gefährlichsten Falltüren der Jobcenter. Häufiges Argument: „unvollständige Unterlagen“. Er fordere gemeinsam mit Beratungsstellen seit Jahren verbindliche Laufzettel zum Abhaken. „Immer noch geht manches in der Behörde verloren. Darum sind Empfangsbestätigungen wichtig“, so Hermann.
Kontaktdaten: Jobcenter und Bochum Prekär
Weil die ämterunabhängige Sozialberatung in Bochum schlechter ausgestattet als in den Nachbarstädten und coronabedingt mit Umständen verbunden sei, bietet Bochum-Prekär die kostenlose Beratung auch für Nicht-Mitglieder. Betroffene können sich unter Tel. 0234/ 46 00 70 und per E-Mail unter bo-prekaer@posteo.de melden.
Das Jobcenter Bochum bittet Kunden darum, es bei Problemen zu kontaktieren. „Das Gespräch zu suchen kann sehr hilfreich sein“, sagt Sprecher Johannes Rohleder. Erreichbar ist das Jobcenter unter Tel. 0234/ 0234/ 93 63 10 10.
Wer nach 14 Tagen keinen Bescheid habe, solle zügig eine kostenfreie Beratungsstelle oder einen Anwalt aufsuchen. Hermann: „Für 15 Euro Eigenbeteiligung.“ Die vordringlichste Aufgabe einer Grundsicherungsbehörden sei die Sicherung der Existenz der Menschen, auch wenn noch Zweifel bestehen. „Eine Behörde kann nicht verhungern – ein Mensch schon“, mahnt Hermann an.
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