Bochum-Linden. Dass für den Umbau der Straße in Bochum der ganze Baumbestand geopfert werden soll, macht die Anwohner wütend. Jetzt tagt der Naturschutzbeirat.

Wenn Horst Jodeleit den Kesterkamp hinauf schaut, dann wird ihm ganz traurig ums Herz: „Seit 58 Jahren wohne ich hier und habe die schönen Bäume auf der Straße richtig wachsen sehen“, sagt der Rentner. „Schon als Lehrling bin ich hier entlang gelaufen. Und das soll jetzt alles weg? Unfassbar.“

So wie Horst Jodeleit sind an diesem Morgen rund 20 Anwohner des Kesterkamp spontan zusammengekommen, um ihrem Unmut über die geplanten Umgestaltungsmaßnahmen der Stadt Luft zu machen. Denn gerade wegen ihres üppigen Baumwuchses, der jetzt im Herbst wieder leuchtende Farben wirft, ist die Allee in Linden bei vielen beliebt. „Jetzt wird einfach behauptet, die Bäume seien nach drei trockenen Sommern morsch und müssten abgeholzt werden“, meint eine Anwohnerin. „Das wollen wir nicht hinnehmen.“

Kesterkamp soll umfangreich ausgebaut werden

Nach Plänen des Tiefbauamtes soll der Kesterkamp umfangreich ausgebaut werden. Die zweispurige Straße, die sich auch nach Ansicht der Anwohner in einem desolaten Zustand befindet, gilt als wichtige Verbindung der stark frequentierten Hattinger Straße mit der Dr.-C.-Otto-Straße. Wer von Linden nach Dahlhausen oder weiter nach Essen-Steele fährt, nutzt den Kesterkamp gern als Abkürzung.

Entsprechend hoch ist die Belastung auch durch den Lkw-Verkehr, wie an diesem Morgen eindrucksvoll zu erleben ist: Da jagt ein Laster nach dem nächsten durch die kleine, steil ansteigende Straße. „Und keiner fährt hier wie vorgeschrieben Tempo 30“, sagt ein Nachbar. „Nachts bei offenem Fenster zu schlafen, ist unmöglich.“

Gräf: Kesterkamp soll „Allee-Charakter“ behalten

Der Naturschutzbeirat kommt am Dienstag, 27. Oktober, um 15 Uhr im Ratssaal des Rathauses zusammen. Dann soll über die geplanten Baumfällungen im Kesterkamp befunden werden. Die Sitzung ist öffentlich.

Bezirksbürgermeister Marc Gräf (SPD) legt Wert darauf, dass der Kesterkamp nach dem Umbau seinen „Allee-Charakter“ behalten soll. „Wenn man dort neue Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 30 Zentimetern pflanzt, dann wird das nicht ewig dauern, bis die Bäume schön gewachsen sind“, meint er. Gräf verweist auf die Wasserstraße, wo vor fünf Jahren neue Bäume gepflanzt worden seien: „Mittlerweile sind das schon große, stattliche Bäume. Das ist keine Sache von Jahrzehnten, wie gern behauptet wird, sondern nur von wenigen Jahren.“

Die gesamte Verkehrssituation macht nach Ansicht der Verwaltung einen Umbau unumgänglich. So ist geplant, die Straße in zwei Fahrspuren mit jeweils drei Metern Breite aufzuteilen. Dazu soll in westlicher Fahrtrichtung ein 1,85 Meter breiter Fahrradstreifen angelegt werden. Für die beidseitigen Gehwege bleiben jeweils zwei Meter. Zwischen Gehweg und Fahrbahn soll ein 2,30 Meter breiter Streifen angelegt werden, in dem Baumscheiben und Stellplätze untergebracht werden. Gesamtkosten: fast zwei Millionen Euro.

Auch Nachbarn halten Sanierung der Straße für nötig

Eine Sanierung ihrer Straße halten auch die Anwohner für dringend nötig. Dass für den geplanten Umbau allerdings der komplette Baumbestand geopfert werden soll, treibt sie mächtig auf die Barrikaden. 49 geschützte Alleebäume, so der Plan, sollen im Herbst oder Winter gefällt und danach durch 68 heimische Bäume ersetzt werden. „So etwas ist absolut unnötig, denn krank oder geschwächt sind die Bäume auf keinen Fall“, meint Anwohner Stefan Rampe.

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Seine Nachbarin Petra Hossiep ist derselben Meinung: „Der Ahorn vor unserem Haus ist gesund. Er wird an heißen Sommertagen von uns gewässert und die Pflanzen auf der Baumscheibe bedarfsgerecht gekürzt, damit er Regenwasser aufnehmen kann.“ Das jetzt einfach abzuholzen, sei unverantwortlich: „Vor einem Jahr ruft die Stadt den Klimanotstand aus und fällt jetzt hier die Bäume. Das versteht doch kein Mensch.“

Einige Bäume sollen Schäden aufweisen

Wie gesund der Baumbestand im Kesterkamp tatsächlich ist, da gehen die Meinungen auseinander: So hat die Biologische Station östliches Ruhrgebiet im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde die Bäume begutachtet und Schäden festgestellt. „Einige Bäume weisen Trockenschäden und eine erkennbar herabgesetzte Vitalität auf“, heißt es in einer Vorlage des Umwelt- und Grünflächenamtes an die Verwaltung. Auch Bezirksbürgermeister Marc Gräf (SPD) sieht das ähnlich: „Manche Bäume werfen extrem die Wurzeln hoch und zerstören die Gehwege, andere sehen dünn und kränklich aus. Für mich als Laie stellt sich das als krankhaftes Bild dar.“

Die Allee Kesterkamp in Linden wird geprägt von einer wohlgewachsenen Baumreihe, die jetzt gefällt werden soll.
Die Allee Kesterkamp in Linden wird geprägt von einer wohlgewachsenen Baumreihe, die jetzt gefällt werden soll. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Das sehen die Nachbarn anders: „Eine Linde hat einen Trockenschaden, vier Eschen sind vom Pilz befallen, aber der Rest ist gesund. Dafür reißt man doch nicht die ganze Allee ab“, meint Stefan Rampe, der vor allem die mangelnde Transparenz vonseiten der Verwaltung kritisiert: „Die Begutachtung erfolgte ausschließlich bei einer Inspektion vor Ort und scheint mir sehr willkürlich. Es gibt darüber nichts Schriftliches.“

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Bürgerinformation verlief wenig ergiebig

Auch eine Bürgerinformation Anfang Oktober in der Bezirksverwaltungsstelle Südwest sei wenig ergiebig verlaufen: „Corona vorgeschoben, hat man vermutlich extra einen kleinen Veranstaltungsort gewählt und die Veranstaltung in drei Teile gesplittet“, so Rampe. „Vernünftig diskutieren konnte man dort jedenfalls nicht.“

Einige Hoffnung setzen sie auf die Sitzung des Naturschutzbeirats, der am Dienstag, 27. Oktober, im Rathaus tagt. Dort soll darüber entschieden werden, ob der Kesterkamp für den Umbau von dem Verbot § 41 des Landesnaturschutzgesetzes befreit wird – sprich: ob die geschützten Bäume gefällt werden dürfen oder nicht.

Brigitte Giese, die für den BUND im Naturschutzbeirat sitzt, meldet bereits Bedenken an: „Ich hoffe auf die Einsicht der Mitglieder, dass die Maßnahme nicht einfach so durchgewunken wird“, meint sie. Das hofft auch Stefan Rampe: „So bliebe uns etwas Zeit, ein eigenes Konzept für die Umgestaltung vorzulegen, um unsere Bäume zu schützen.“

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