Bochum-Riemke. Das Wohnungsunternehmen VBW will in Bochum alte Häuser abreißen, um bis Ende 2022 neue zu bauen. Nur: Einige Mieter wollen gar nicht ausziehen.
Die Planung steht: Die VBW Bauen & Wohnen will ihr Quartier „Vorm Gruthoff“ in Bochum- Riemke modernisieren. Die alten Häuser sollen abgerissen und an selber Stelle neue gebaut werden. Die Voraussetzungen dafür werden zurzeit schon geschaffen. Hier und da hakt es allerdings, denn einige Mieter wollen nicht ausziehen. Diese möchte die VBW gerne zum Umzug bewegen. Die Art und Weise, wie sie dies tun, wird von Mieterseite aber sehr kritisiert.
27 Millionen Euro investiert die VBW in das Quartier „Vorm Gruthoff“. 14 Einfamilienhäuser sollen hier gebaut werden, dazu 52 öffentlich geförderter und 24 frei finanzierter Wohnraum entstehen. Die Wohnfläche umfasst 7385 Quadratmeter. Ende 2022 will man fertig sein. Um den Zeitplan halten zu können, muss man bald loslegen. Nur wohnen noch immer Mieter in den Häusern.
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Wie Gaby Dönninghaus, Brigitte Geuss und Norbert Strehl. Sie wollen in den Häusern wohnen bleiben, wünschen eine Sanierung im Bestand und den Erhalt der großen Gärten als „grüne Lunge“ des Viertels. Brigitte Geuss könnte sich gut ein Künstler-Kiez vorstellen. Allesamt fühlen sie sich von der VBW unter Druck gesetzt und werfen dem Unternehmen rüde Methoden vor.
Immer wieder würden sie angehalten, doch endlich auszuziehen. Dazu würde die VBW Zweier-Teams entsenden, die vor Ort die entsprechenden Gespräche führen. Dabei werde auch Geld geboten. „Wenn ich noch im Oktober ausziehe, soll ich 7000 Euro bekommen“, berichtet Brigitte Geuss. „Entscheide ich mich erst im November dazu, gibt es immerhin noch 6000 Euro. Im Dezember 5000. Sonst, so wurde mir gesagt, würde ich komplett leer ausgehen.“
Schriftlich habe man diese Angebote nicht unterbreitet bekommen. „Auch eine Kündigung liegt uns nicht vor“, fügt Gaby Dönninghaus an. Immerhin sei 2017 von der VBW damit begonnen worden, den Mietern alternative Wohnungen anderswo anzubieten. „Doch etwas Passendes war bisher nicht dabei“, sagt Gaby Dönninghaus.
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Norbert Strehl, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist, ist in seinem Leben schon mehrfach „umgesiedelt“ worden. „Ich dachte, hier käme ich jetzt zur Ruhe...“ Er befürchtet, dass es ihm so ergehen könnte wie einem älteren Ehepaar aus einem früheren Nachbarhaus, das umgezogen war und nach einem halben Jahr auch die neue Wohnung verlassen musste, weil dieses Haus dann ebenfalls abgerissen werden sollte.
VBW bestätigt mündliche Geld-Angebote
Die VBW bestätigt: „Ja, solche Angebote wurden von unseren Mitarbeitern ausgesprochen“, teilt Unternehmenssprecher Dominik Neugebauer auf WAZ-Anfrage mit. „Wir wollen unseren Mietern einen finanziellen Ausgleich bieten, etwa für den Umzug und neues Mobiliar.“ Es sei üblich, diese Angebote zunächst mündlich zu vermitteln. Denn, so Neugebauer: „Schriftlich formuliert könnte zu viel hineininterpretiert werden.“
Die persönlichen Gespräche bezüglich des finanziellen Ausgleichs führt die VBW nach eigenen Angaben seit August. Und man wolle auch Kulanz zeigen: „Sollte beispielsweise ein Kunde uns einen neuen Mietvertrag vorlegen, der besagt, dass der neue Ersteinzugstermin in einen neuen Wohnraum im Dezember 2020 wäre, so profitiert er weiterhin vom finanziellen Ausgleich für Oktober 2020“, versichert Neugebauer.
Mieterverein rät: „Nicht unter Druck setzen lassen“
Eine Drucksituation wolle man nicht erzeugen, heißt es von Seiten der VBW. Das Unternehmen stellt allerdings klar: „Die Kündigungen kommen so oder so.“
Vogelsiedlung als gutes Beispiel
Als gutes Beispiel für erfolgreichen Widerstand nennt Aichard Hoffmann vom Mieterverein die Vogelsiedlung in Grumme. Dort haben viele VBW-Mieter gegen den drohenden Abriss der Häuser protestiert. Und am Ende zumindest einen Teilerfolg erzielt.
„Nur“ die Häuser am Heckertweg werden nun abgerissen und neu errichtet. Die Wohnhäuser an Amsel- und Lerchenweg hingegen bleiben erhalten und werden im Bestand saniert.
Was die Mieter jedoch nicht schrecken sollte, findet Aichard Hoffmann vom Mieterverein Bochum. Dass Unternehmen wie die VBW ihre Mieter mit Geld zum Auszug bewegen wollen, sei ein normaler Vorgang. Man sollte sich als Mieter aber nicht drängeln lassen. Denn man könne sich durchaus wehren.
„Ein geplanter Abriss ist kein Kündigungsgrund“, klärt Aichard Hoffmann auf. „Das Wohnungsunternehmen müsste eine sogenannte Verwertungskündigung aussprechen, dazu aber nachweisen, dass man andernfalls schwere wirtschaftliche Nachteile hätte. Und das ist schwierig.“ Von daher sollten sich die Mieter nicht treiben lassen.
Das könne den Preis durchaus auch noch in die Höhe treiben. „Denn so ein Kündigungsverfahren kann sich über Jahre hinziehen“, weiß Aichard Hoffmann aus Erfahrung. Er berichtet von einem Fall, in dem einem Mitglied des Mietervereins 30.000 Euro für den Auszug geboten worden seien – was ausgeschlagen wurde. „Das ist aber die Ausnahme.“
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Und in der Flüssesiedlung in Grumme gebe es ein Mehrfamilienhaus, in dem nur noch eine Mieterin wohne, die sich seit fünf Jahren erfolgreich gegen die Kündigung wehre. Für Hoffmann ist auch für den Fall in Riemke klar: „Die Mieter haben alle Trümpfe in ihrer Hand.“
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