Düsseldorf. Vernachlässigte Häuser, steigende Mieten, Not durch Coronakrise – Mieterschützer warnen vor Fehlentwicklungen in NRW.
Elf Monate nach der ersten landesweiten Kontrollaktion in Häusern des umstrittenen Immobilienunternehmens Altro Mondo/DEGAG haben die Behörden am Donnerstag erneut in NRW Wohnquartiere dieser Firma unter die Lupe genommen. Mieterschützer begrüßten die Aktion ausdrücklich. „Es ist gut, dass Land und Kommunen hier nachhaken. Wir hoffen, dass diese Kontrollaktion auch andere Unternehmen, die es mit den Rechten von Mietern nicht so ernst nehmen, beeindruckt“, sagte Sarah Primus, Geschäftsführerin des Deutschen Mieterbundes in NRW, dieser Redaktion. Denn Mieter gerieten, so Primus, hierzulande immer mehr unter Druck.
Am Donnerstag kontrollierten Mitarbeiter kommunaler Behörden Altro Mondo-Häuser in Dortmund, Duisburg, Hagen, Herne, Kamen, Lemgo, Radevormwald und in Bergneustadt. Das NRW-Bau- und Kommunalministerium hatte die Aktion initiiert. Mit Ergebnissen ist in einigen Tagen zu rechnen.
Ministerin: Mängel "nicht oder nur unzureichend" behoben
Laut dem Ministerium war diese zweite Überprüfung notwendig, weil viele der 2019 aufgedeckten Missstände „nicht oder nur unzureichend“ behoben worden seien. Nach Hinweisen aus den Kommunen habe sich gezeigt, dass zum Beispiel Maßnahmen zur Instandhaltung oft erst nach wiederholtem Einschreiten von Behörden begonnen würden. „Das ist kein verantwortungsbewusstes Verhalten eines Unternehmens und schadet dem Vertrauensverhältnis zwischen Mieter- und Vermieterschaft“, sagte NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU).
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Der NRW-Mieterbund und Mietervereine im Ruhrgebiet nehmen die Kontrollaktion zum Anlass, auf die zunehmende Probleme hinzuweisen, denen Mieter in NRW ausgesetzt seien. Dabei geht es nicht nur um Unternehmen, die ihre Häuser vernachlässigen, sondern vielerorts auch um Wohnungsknappheit, um steigende Mieten und die Folgen der Coronakrise. „Bisher ist es gelungen, Kündigungen zum Beispiel durch Stundung von Mieten zu vermeiden. Aber was ist, wenn Menschen wegen Arbeitslosigkeit oder anhaltender Kurzarbeit die Miete tatsächlich nicht mehr zahlen können?“, fragt Sarah Primus. Für diese Situation fehle in NRW ein Plan.
Abstriche beim Mieterschutz, besonders im Ruhrgebiet, erschwerten die Lage zusätzlich, kritisierten Vertreter der Mietervereine Bochum und Dortmund.
Schimmel, schlechter Brandschutz, Müll
Wieder tritt das Land NRW also dem umstrittenen Wohnungsunternehmen Altro Mondo auf die Füße. Bei den ersten großen Kontrollen von Altro Mondo-Häusern im vergangenen September stießen die Behörden auf zum Teil unhaltbare Zustände. Damals wurden 136 Gebäude fast gleichzeitig kontrolliert: in Dorsten (46 Häuser), Kamen (21 Häuser) Dortmund (19), Hagen (13), Herne (11), Castrop-Rauxel (10), Duisburg (5), Oerlinghausen (5), Lemgo (3) und Wuppertal (3).
Am Ende stand eine lange Mängelliste. Die Brandschutzmängel ließen auf große Gefahren für die Bewohner schließen. Dazu kamen vielerorts Schimmel und Feuchtigkeit, kaputte Heizungen, zerbrochene Scheiben, bröckelnde Fassaden, defekte Aufzüge, offene Schächte, verstopfte Regenrinnen, Müll und Ratten. Zum Teil bezahlte der Vermieter Rechnungen für Strom, Gas und Wasser nicht. In Duisburg und andren Städten wurden Wohnungen sogar für unbewohnbar erklärt.
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Der Hausverwalter Altro Mondo und der mit ihm verbandelte Wohnungseigentümer DEGAG gehören bisher zu den schwarzen Schafen der Branche, erklären Mieterschützer. Inzwischen ist ein neues Unternehmen in NRW mit bisherigen Altro Mondo-Wohnungen auf dem Markt. Ob sich dadurch wirklich etwas ändert, oder ob da alter Wein in neuen Schläuchen serviert wird, können die Mieterschützer noch nicht abschätzen. In Dortmund scheint es in diesem Fall eine Entwicklung zum Besseren zu geben, beobachtet Markus Roeser vom Mieterverein Dortmund und Umgebung.
Mieter als Kunden wertschätzen
Insgesamt aber hat der Duck auf Mieter eher zugenommen, erzählt Roeser. Die Mieterschützer berichten auch von Beschwerden über andere große Player der Wohnungsbranche. Aichard Hoffmann vom Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend wünscht, dass sich die Wohnungspolitik künftig wieder mehr am Gemeinwohl orientieren möge und nicht vorrangig an den Wünschen von Investoren, die vor allem nach Rendite streben und Mieter nicht als Kunden wertschätzen. Der Wiederaufbau einer Landes-Wohnungsgesellschaft könne ein Weg sein, um den Druck von den Mietern zu nehmen. Oder die Stärkung kommunaler Wohnungsgesellschaften.
Dem Deutschen Mieterbund in NRW und seinen lokalen Mitstreitern kritisieren zudem den Kurs des Landes bei der Mieterschutzverordnung. „Statt bisher bis zu 6,4 Millionen Einwohner sind demnächst nur noch 2,9 Millionen Menschen im Geltungsbereich der neuen Mieterschutz-Verordnung NRW.“, sagen sie. Das Ruhrgebiet fällt komplett raus. Mieter in Dortmund, Essen, Bochum und Mülheim hätten nun weniger Schutz als früher. „Und die Mieten sind zuletzt stärker gestiegen als die Teuerungsrate“, ärgert sich Sarah Primus, Geschäftsführerin des Deutschen Mieterbundes NRW.