Bochum. Das Bafög steigt – aber nicht genug, findet Medizinstudentin Jeannine Pocher von der RUB in Bochum. Sie wünscht sich einen leichteren Zugang.
„Ohne meinen Freund hätte ich quasi kein soziales Leben“, sagt Jeannine Pocher. Die 31-Jährige ist Medizin-Studentin und Mutter einer zweijährigen Tochter. Ihr Studium finanziert sie durch Bafög, die staatliche Unterstützung für Studierende und Schüler während der Ausbildung. „Manchmal ist es echt schwierig, das fängt schon bei der Miete an“, berichtet die gelernte Krankenschwester, die zuvor sechs Jahre gearbeitet hat. Sie bekommt den Bafög-Höchstsatz, was 735 Euro im Monat entspricht. Plus 130 Euro für ihre kleine Tochter. Das reicht irgendwie zum Leben. Aber auch nur irgendwie.
Erhöhung der Wohnpauschale
Deshalb soll der Bafög-Regelsatz nach Plänen der Bundesregierung zum Wintersemester 2019/20 steigen. Der bisherige Höchstsatz soll auf 861 Euro steigen, was unter anderem auf die Erhöhung der Wohnpauschale zurückzuführen ist.
Truong Vu hat seinen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften an der Ruhr-Uni gemacht. Mittlerweile macht er seinen Master in München. Den Bafög-Höchstsatz hat er in beiden Städten bekommen und findet: „Auch wenn viele es nicht zugeben, der Satz ist für Studenten im Ruhrgebiet hoch genug.“ Da ein Zimmer im Wohnheim um die 200 Euro kostet, was unter der jetzigen Wohnpauschale von 250 Euro liege. In München zahlt er 700 Euro Miete, fast das komplette Bafög geht dafür drauf. Er fände eine Anpassung des Satzes an die Region der jeweiligen Uni zwar gut, gleichzeitig aber auch schwierig. „Bafög ist eine gerechte Förderung für alle, die fair sein muss.“
„Digital geht nichts“
Trotzdem loben die Bochumer Studierenden die Erhöhung des Bafögs. Auch Kai Gertzen, Mathematik-Student. Der 28-Jährige findet aber: „Sie ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Das Bafög reiche zwar zum Leben, gerade im Bereich Freizeit und Hobby müsse man aber viele Abstriche machen. Was ihn aber viel mehr stört, ist der riesige bürokratische Aufwand. „Die Anträge sind ein riesiges Hin- und Her-Gerenne. Ich selbst lebe in Herne, meine Eltern beide jeweils in anderen Städten. Und die Anträge können alle nur schriftlich abgeben werden, digital geht nichts“, kritisiert Gertzen.
Das habe dazu geführt, dass er zu Beginn seines Masters über vier Monate auf sein Bafög verzichten musste. „Ich habe den Erstantrag im Oktober abgegeben und erst Mitte Februar Geld bekommen. Leider konnte ich den Antrag aber nicht früher einreichen. Weil ich den Nachweis über meinen Bachelor brauchte“, erklärt er.
99 Prozent der Anträge unvollständig
Warum die Bewilligung in dem Einzelfall so lange dauerte, konnte das zuständige Akademische Förderungswerk(Akafö) nicht sagen. Generell erklärt ein Sprecher, dass lange Bewilligungszeiträume darauf zurückzuführen seien, dass 99 Prozent der abgegeben Anträge unvollständig seien.
Aber nicht nur die Bürokratie im Akafö beklagen Studierende der RUB, sondern auch den Umgang mit ihnen. „Das Amt ist eine Katastrophe“, meint eine 26-jährige Anglistik und Germanistikstudentin, die ihren Namen nicht veröffentlichen will und in der Vergangenheit einige Probleme hatte – weil für den Antrag Angaben über die Angaben beider Elternteile notwendig seien: „Ich habe aber keinerlei Kontakt zu meinem leiblichen Vater. Von der Sacharbeiterin wurde mir damals gesagt, dass ich doch einfach mal bei ihm rumfahren und alles nötige klären kann, wenn er sich auf deren Briefe nicht meldet“, schildert die Studentin.
Wie es zu solchen Kommentaren kommt, beantwortete das Akafö nicht direkt, von einem Sprecher hieß es: „Unsere Mitarbeiter sind für die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Betreuung der Studierenden zuständig. Dafür stellen wir einen umfassenden Service zur Verfügung, der helfen soll, (...) Fragen und Probleme leichter zu lösen.“
Zugang sollte leichter werden
Persönliche Probleme mit dem Akafö hatte Jeannine Pocher nicht. Trotzdem kennt auch sie die umfangreiche Bürokratie. Die durch ihr Kind und Elterngeld noch mehr geworden ist. „Die Zugangsvoraussetzungen sollten erleichtert werden“, meint die junge Mutter. Außerdem sollte bei den Anträgen auch auf die Situation der Menschen geschaut werden. Das hofft sie für andere Studierende. Denn sie ist im November fertig mit ihrem Studium. Und kann im Arzt-Beruf Geld verdienen, das zum Leben reicht. Nicht nur irgendwie.