Bochum. Fast 200 Umweltdelikte werden pro Jahr am Amtsgericht Bochum bearbeitet. Es geht um schwere Umweltsünden, aber auch zu laut krähende Hähne.

Heimlich entsorgte Altreifen am Straßenrand, Altölentsorgung am Waldrand, Untermischung von bitumenhaltigem Boden auf Baugelände, unnötiges Laufenlassen von Motoren, übermäßige Belästigung durch Grillen in der Nachbarschaft, verbotene Osterfeuer, Gartenabfälle am Feldrand oder auch laut krähende Hähne neben einem Seniorenheim – all das sind Umweltdelikte, mit denen sich das Amtsgericht Bochum befasst.

Das Kikeriki der Hähne fällt unter das Immissionsschutzgesetz; auch das ist Umweltrecht. Genauso wie ein zu lauter Musikrekorder im Freibad. „500 Euro Geldbuße sind da problemlos drin“, sagt Amtsrichter Dr. Karl-Heinz Bösken. Auch der Graupapagei auf dem Balkon, der die Nachbarn eines Mehrfamilienhauses in den Wahnsinn schreit, hat schon Richter für Umweltstrafsachen beschäftigt. Wegen Lärmverschmutzung.

Knapp 200 Umweltfälle pro Jahr landen auf den Richtertischen in Bochum

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Bösken und ein weiterer Amtsrichter in Bochum bearbeiten pro Jahr knapp 200 Fälle aus dem gesamten Bezirk des Landgerichts Bochum (mit Witten, Herne und Teile des RE-Kreis). Der Großteil sind Ordnungswidrigkeiten, der Rest Strafsachen. Strafbar wird eine Umweltsünde, wenn Natur und Mensch konkret gefährdet werden, etwa durch Verschmutzung des Grundwassers oder der Atemluft; dann drohen Haft- oder Geldstrafen.

Eine Owi-Sache, wie Juristen Ordnungswidrigkeiten nennen, wird es, wenn lediglich gegen Ordnungs- und Verwaltungsvorschriften verstoßen worden ist. Aber man sollte sich nicht täuschen: Auch ein Bußgeld wegen einer Owi-Umweltsünde kann bis zu 100.000 Euro hoch sein. Bei Fahrlässigkeit wird es weniger teuer.

Alte Pappe gehört in den Papiercontainer und nicht daneben

„Man ist leicht bei einigen 1000 Euro Bußgeld, wenn zum Beispiel Pizzabäcker Abfälle neben den Abfallcontainer werfen“, sagt Bösken. Abfälle gehören darein und nicht daneben. Auch Privatpersonen können mit einem Bußgeld belegt werden, wenn sie Papier und Pappe neben einen Container stellen, nur weil dieser schon voll ist. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz erlaubt eine Sanktion.

Das Problem sei aber der Nachweis, wer der Verursacher sei, sagt Bösken. Die Rückverfolgung von Tatortspuren zum Täter ist enorm schwierig. Wenn dem Richter keine Überwachungskamera und kein Augenzeuge als Beweismittel zur Verfügung steht und auch die Ordnungsbehörde der Stadt nicht zweifelsfrei ermittelt hat, wird es oft unmöglich, den Schuldigen zu verurteilen. Außerdem holen sich die Richter oft Fachleute hinzu, die über die Höhe und Art einer zur Last gelegten Umweltgefahr besser Bescheid wissen. Bösken: „Das Generelle ist, dass man im Umweltstrafrecht nicht ohne Sachverständige auskommt.“

Es gibt so das „Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz“

Zu Gericht kommen die Owi-Fälle nur dann, wenn jemand gegen einen Bußgeldbescheid einer Verwaltungs- oder Ordnungsbehörde Einspruch einlegt.

Umweltstrafrecht ist kein eigenes, kein Kernstrafrecht

Umweltstrafsachen und -Owis sind kein selbstständiges, kein Kernstrafrecht. Ein Umweltdelikt ist nur dann rechtswidrig, wenn es gegen das „Umweltverwaltungsrecht“ verstößt.

Juristen haben für diesen sogenannten Flankenschutz des Strafrechts für die öffentliche Verwaltung das Wort „Verwaltungsakzessorietät“ erfunden.

Die einzelnen Fachgebiete bei Umweltsünden sind sehr speziell: Es gibt das „Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz“, „das „Benzinbleigesetz“, das „Abgrabungsgesetz“ oder das „Wasch- und Reinigungsmittelgesetz“. Meistens beschäftigen sich die Umwelt-Richter aber nur mit Verstößen gegen das Bundesnaturschutzgesetz, das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das Landesimmisionsschutzgesetz und das Gefahrgutbeförderjungsgesetz.

„Los geht es bei Bußgeldern ab 100 Euro“, sagt Richter Bösken, der neben Umweltvergehen auch Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren verhandelt. „Ein paar hundert Euro sind ganz schnell drin.“ Zum Beispiel, wenn jemand in seinem Garten seine alte und zersägte Dielenkommode auf einer Feuerschale entsorgt. Das Holz ist nämlich mit Lasur oder Öl behandelt und damit schädlich für die Luft in der Nachbarschaft.

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