Essen. Lichterketten und Müllberge verschlechtern die Klimabilanz an Weihnachten. Doch das kann man ausgleichen, etwa in der Klima-Kollekte der Kirchen.
Weihnachten ist das Fest der Liebe, der Stille, des Friedens – aber gewiss nicht des Klimaschutzes. Die Müllberge an Heiligabend, die Fleischberge an den drei Festtagen und das Lichtermeer entstammen einer Tradition, die älter ist als der menschgemachte Klimawandel. Den Kirchen liegt es fern, Entsagung zu predigen für einen besseren Klima-Fußabdruck an Weihnachten. Aber in einigen Gotteshäusern wird der Pfarrer diesmal am Ende der Christmesse vermutlich nicht nur um Spenden für die klassischen Dritte-Welt-Hilfen bitten. Sondern auch für die Klima-Kollekte, den Kompensationsfonds der Kirchen.
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Wer nicht die Spaßbremse geben will an Heiligabend und auf Baum, Braten und Geschenke für die Kinder verzichtet, aber trotzdem auf seinen persönlichen Klima-Fußabdruck achten will, kann sein Gewissen auch mit einer Überweisung bereinigen. Für den durchschnittlichen CO2-Verbrauch über Weihnachten von einer Drittel Tonne pro Kopf würden etwa acht Euro reichen, um das Treibhausgas woanders wieder einzusparen. Inzwischen sammeln etliche Portale Kompensationszahlungen für den CO2-Verbrauch und versprechen, damit sinnvolle Klimaschutzprojekte zu fördern.
Einfache Öfen sparen viel Treibhausgas
Die Klima-Kollekte der Kirchen setzt bewusst auf einfachste, effektive Projekte in armen Ländern. Zum Beispiel, damit dort nicht für jede Mahlzeit ein Baum gefällt wird. Das können energiesparende Öfen in Indien sein oder Kochtaschen in Kamerun, die einen einmal erhitzten Topf heiß halten und so den Holzeinsatz beim Kochen um zwei Drittel reduzieren. Oder Solarleuchten, die klima- und gesundheitsschädliche Kerosinlampen ersetzen.
„Die Idee ist es, den Ärmsten im Alltag und damit zugleich dem Klima zu helfen“, sagt Olivia Henke, Geschäftsführerin der Klimakollekte. Diese Menschen hätten in ihrem täglichen Existenzkampf andere Sorgen als den Klimawandel. Gleichwohl könne ihr CO2-Ausstoß mit einfachsten Hilfsmitteln stark gesenkt werden. Der Klimaschutz gehe mit Armutsbekämpfung einher.
Der größte und wohl bekannteste Anbieter heißt „Atmosfair“, der den Klimaabdruck von Flügen bemisst und die entsprechenden Kompensationszahlungen berechnet. Atmosfair nahm 2018 rund 9,5 Millionen Euro ein und schnitt auch bei Stiftung Warentest am besten ab. Auf Platz zwei landete bereits die Klima-Kollekte der Kirchen, vor „Primaklima“. Nur diese drei Anbieter erhielten die Note „sehr gut“. Den Testern ging es vor allem um Transparenz bei der Verwendung der Spenden.
Jeder Deutsche verbraucht an Weihnachten gut 300 kg CO2
Jeder Deutsche verursacht pro Jahr laut Umweltbundesamt 11,6 Tonnen CO2, davon über die Feiertage gut 300 Kilogramm. Das ist durch die zusätzliche Beleuchtung, den Christbaum, Verpackungsmüll und üppigeres, fleischlastiges Essen deutlich mehr als an normalen Tagen.
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Um eine Tonne CO2 auszugleichen, veranschlagen die meisten Kompensations-Anbieter um die 23 Euro, so auch Atmosfair und die Klima-Kollekte. Beide setzen als Bedingung den Gold-Standard im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM) an. Er bescheinigt im Kyoto-Protokoll die anerkannte Einsparung von Treibhausgasen durch Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern.
An Kritik am Kompensationshandel mangelt es nicht. Was die Befürworter als aktiven Klimaschutz feiern, nennen Skeptiker modernen Ablasshandel. Sich von den eigenen Umweltsünden freizukaufen, sei der falsche Weg, schließlich sei der effektivste Klimaschutz, Treibhausgase gar nicht erst zu emittieren anstatt weiterzumachen wie bisher und dafür andere sparen zu lassen. Umgekehrt argumentieren Befürworter, dass SUV-fahrende Gänsebraten-Fans in ihren taghell beleuchteten Häusern leichter zu einer kleinen Klimaschutzspende zu bewegen sind als zum spontanen Umsturz ihrer Lebensweise.
Ablasshandel oder kluge Kompensation?
Wer nach dieser Rechnung klimaneutral Weihnachten feiern will, müsste für seine durchschnittlich etwa 330 kg CO2 rund acht Euro Kompensation zahlen, für das gesamte Jahr 266 Euro. Tatsächlich stellt die Klima-Kollekte fest, dass um und nach Weihnachten deutlich mehr Spenden fließen. „Das liegt nicht so sehr am Weihnachtsfest selbst als daran, dass die Menschen etwas zur Ruhe kommen und Zeit zum Nachdenken haben“, sagt Geschäftsführerin Olivia Henke. Die Geografin hat ihre Doktorarbeit über den freiwilligen Kompensationsmarkt im Klimaschutz geschrieben.
Die auch durch die Schülerbewegung Fridays for Future deutlich intensiver geführte Klimadebatte helfe dabei natürlich sehr, sagt Henke. Als die Klima-Kollekte 2010 ihre Arbeit begonnen habe, sei das noch ein Randthema gewesen, inzwischen sei die Debatte nicht nur bei den Schülern, sondern in der Breite der Gesellschaft angekommen. Das macht sich auf dem Konto bemerkbar: Henke erwartet für 2019 insgesamt rund 1,1 Millionen Euro, etwa ein Viertel mehr als 2018. Auch Atmosfair rechnet mit einem deutlich Anstieg der Kompensationszahlungen.
Allerdings führen diese Initiativen sämtlich noch ein Nischendasein. Was Atmosfair kompensiert, befindet sich im Tausendstelbereich der tatsächlichen Flugemissionen in Deutschland, und die Passagierzahlen steigen weiter. Dazu trägt auch der Weihnachtsverkehr bei: Wer etwa zum Fest nach Gran Canaria fliegt, hinterlässt einen Klima-Fußabdruck, in den fünf üppige Weihnachtsfeste daheim passen.