Bochum-Gerthe. Der Bochumer Thomas Arend sieht einen Jungen in Windel allein am Straßenrand – und handelt. Das hätte er sich von anderen auch gewünscht.

  • Der Bochumer Thomas Arend traute seinen Augen kaum: Als er mit seinem Auto fährt, sieht er vor einem Kreisverkehr an einer Straße ein drei Jahre altes Kleinkind stehen, das nur eine Windel trug - von einer Begleitung oder den Eltern keine Spur. Arend kümmerte sich um das Kind.
  • Zusammen mit einer Frau - mit einem Dortmunder Kennzeichen am Auto - macht er sich auf die Suche nach den Eltern. Die Mutter des Dreijährigen hatte scheinbar gar nicht gemerkt, dass das Kind verschwunden war. „Sie war überglücklich, ihren Sohn zu sehen“, erklärt Thomas Arend.
  • Doch was den Bochumer ärgert, ist die Gleichgültigkeit der Menschen: „Alle Autofahrer fuhren vorbei. Niemand hielt an und kümmerte sich um diesen kleinen Jungen, der offenbar von zu Hause weggelaufen war.“

Thomas Arend traute seinen Augen kaum, als er am Samstag, 8. August, mit seinem Auto die Kirchharpener Straße in Richtung Bochum- Gerthe befuhr. „Kurz vor einem Kreisverkehr sah ich ein Kleinkind, ca. drei Jahre alt, das lediglich mit einer Windel bekleidet war“, schildert er den Moment, in dem ihm sofort klar war: „Ich muss handeln!“ Am Ende ging alles gut. Und doch ärgert sich Thomas Arend – über seine Mitmenschen.

Dreijähriger läuft in Bochum allein am Straßenrand – kaum jemand hält an

„Vor mir fuhren sechs weitere Fahrzeuge“, weiß Thomas Arend noch genau. „Alle haben – wie ich – sehen müssen, dass das Kind auf dem gegenüberliegenden Gehweg läuft und dass von dessen Eltern weit und breit nichts zu sehen ist.“ Der 56-Jährige ist immer noch empört, wenn er an die Situation zurückdenkt: „Alle Autofahrer fuhren vorbei. Niemand hielt an und kümmerte sich um diesen kleinen Jungen, der offenbar von zu Hause weggelaufen war.“

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Thomas Arend selbst wendete sofort seinen Wagen, hielt rechts an und lief zu dem Kind. „Es sah wohlernährt und gesund aus, konnte aber meine Sprache offensichtlich nicht verstehen. Ich hielt ihm meine Hand hin, die er ergriff und setzte ihn zu mir ins Auto“, schildert er sein Vorgehen. „Als ich gerade die Einsatzleitstelle der Polizei anrufen wollte, erschien eine Frau an meinem Wagen und erkundigte sich, ob der Junge zu mir gehöre. Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass ein kleiner Junge offenbar zu einem fremden Mann ins Auto steigt.“

Nur eine Frau schaltete sich ein und half bei der Suche nach den Eltern des Dreijährigen

Thomas Arend verneinte dies und schilderte der Frau (mit Dortmunder Kennzeichen am Auto) die Lage. „Sie war die einzige, die außer mir angehalten hatte.“ Nachdem sie die Polizei informiert hatten, machten sich die beiden Erwachsenen gemeinsam mit dem kleinen Jungen auf die Suche nach dessen Eltern. Arend: „Schließlich stießen wir auf ein Haus in einer Seitenstraße, auf das der Junge zeigte und ,Da“ sagte. ich habe alle Klingeln gedrückt, und so fanden wir dann seine Mutter. Diese war überrascht und überglücklich, ihren Sohn zu sehen.“

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Dass ihr Kind einfach ausgebüxt war, hatte die Frau offenbar nicht mitbekommen. „Sie hatte noch einen Säugling auf dem Arm, sah ziemlich geschafft aus und wirkte verschlafen“, sagt Thomas Arend, der froh ist, dass der Ausflug des Kleinen ein gutes Ende fand.

Erinnerung an Vorfall in Essen

Thomas Arend musste angesichts seines Einsatzes und der ausbleibende Hilfe der anderen Verkehrsteilnehmer an einen Vorfall in Essen denken. „Dort lag ein Mann im Vorraum einer Bank sterbend auf dem Boden und niemand half ihm. Im Gegenteil, einige stiegen sogar noch über ihn, um zum Geldautomaten zu gelangen.“ Daran fühlte er sich auch jetzt ein bisschen erinnert.

Der Vorfall Anfang Oktober 2016 in Essen-Borbeck hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Vier Bankkunden hatten sich um den am Boden liegenden 82-Jährigen nicht gekümmert. Dem Mann wurde erst nach 20 Minuten geholfen, er starb wenige Tage später im Krankenhaus. Drei der Bankkunden landeten vor Gericht. Wegen unterlassener Hilfeleistung wurden gegen sie Geldstrafen verhängt.

Doch es hätte auch anders ausgehen können. Umso beschämender findet Thomas Arend, „dass so viele Menschen derart gleichgültig sind und dieses kleine Kind seinem Schicksal überlassen hätten“. Arend, nach eigenen Angaben unter dem Helfersyndrom „leidend“, ärgert die Gleichgültigkeit der Menschen, die sich seiner Ansicht nach mehr und und mehr in der Gesellschaft breit macht. „Immer mehr Menschen leben in ihrem eigenen Kosmos und interessieren sich kaum noch für das, was um sie herum passiert.“

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Thomas Arend selbst geht es gar nicht so sehr um seinen Einsatz und die Zivilcourage, die er – und auch die Frau aus Dortmund – gezeigt haben. Ihm ist es wichtig, damit auch ein Zeichen zu setzen und die Menschen wachzurütteln. Denn hätten er und die Frau sich so verhalten wie alle anderen, dann wäre dem Jungen womöglich etwas Schlimmes passiert.

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