Bochum. Die Jugend in Bochum lässt sich das Feiern nicht nehmen. Hunderte suchten am Freitag die City-Hotspots auf. Stadt und Polizei waren vor Ort.
- Am Freitag, dem bislang heißesten Tag des Jahres, treffen sich hunderte Jugendliche an den Hotspots in Bochum. Vergnügt und friedlich verbringen sie die Zeit mit Wein und Bier im Bermudadreieck - für Augenblicke scheint es so, als sei das Coronavirus vergessen.
- Um Mitternacht beendeten Polizei und Ordnungsamt die Party auf dem Bochumer Hans-Schalla-Platz - einem der Hotspots in Corona-Zeiten. Die Jugendlichen allerdings ziehen danach weiter.
- Ein WAZ-Leser fordert: "Das Bermudadreieck muss wieder geschlossen werden. Mich ärgert die Verantwortungslosigkeit der Menschen, als gäbe es das Coronavirus nicht", sagt der Bochumer Harald Martens über den Hotspot.
„Wo sollen wir denn hin?“ Nawen bringt es auf den Punkt. Freiluft-Veranstaltungen gibt es kaum, Clubs und Discos sind zu und viele Kneipen ebenfalls. Auf dem Weg zurück in ein halbwegs normales Leben treffen sich in Corona-Zeiten seit Wochen abends junge Leute in der Innenstadt von Bochum – vorwiegend auf den Plätzen vor und gegenüber dem Schauspielhaus und rund um das Musikforum.
Auch am Freitag, dem bislang heißesten Tag des Jahres, quatschen, musizieren und trinken Hunderte an diesen Hotspots in Bochum. Vergnügt, friedlich, viele von Bier und Wein oder gar Härterem beschwingt. Die Szenerie auf dem Hans-Schalla-Platz versprüht um 22.30 Uhr ein Lebensgefühl, wie es in Metropolen Alltag ist.
Hotspots in Bochum: Coronavirus ist nur scheinbar vergessen
Mit Blick auf die bedrohliche Nähe der Menschen untereinander und dem Fehlen von Schutzmasken scheint die Seuche für ein paar Stunden vergessen. Eine Rolle spielt sie gleichwohl. „Wir haben aufs Küssen zur Begrüßung verzichtet“, beantwortet Christoph scherzhaft die Reporterfrage, ob die Angst vor dem Virus in der feiernden Gruppe kein Thema sei.
„Doch, wir haben gerade darüber gesprochen“, sagt Leonie. Sandra und Melina berichten, dass sie Freundinnen sind und Abstand zur Gruppe halten und niemanden umarmen – das klingt beinahe entschuldigend, als sei die WAZ das Ordnungsamt. Andere gehörten zur einer Wohngemeinschaft und lebten ohnehin eng beieinander, berichten die jungen Frauen.
Corona in Bochum: Krankenpfleger will „endlich mal raus“
„Ich bin ein bisschen angespannt“, gibt Alex zu. Als Krankenpfleger sei er mittlerweile drei Mal auf Corona getestet worden. „Immer negativ, ich war die ganze Zeit zu Hause, aber jetzt wollte ich auch einmal raus.“
Zahlreiche Kräfte von Ordnungsamt und Polizei beobachten die Szenerie. Um Mitternacht sollen die Plätze geräumt werden. Flaschensammler freuen sich auf das Finale, verdienen sich schon jetzt einige Euro. „90 Prozent der jungen Leute wissen, dass wir die Party um 24 Uhr beenden“, sagt Ordnungsamtsmitarbeiter Frank Munien. „Völlig okay“ findet das Sandra.
Weniger in Ordnung finden die Jugendlichen, dass die Corona-Regeln im Bochumer Bermudadreieck offensichtlich nicht ganz so ernst genommen werden. „Schauen Sie sich da einmal um!“
Corona in Bochum: Im Bermudadreieck werden Hygieneregeln locker gehandhabt
In der Tat: Jeder Epidemiologe würde beim Blick auf die Zustände auf der Kortumstraße zwischen Bratwursthaus und Konrad-Adenauer-Platz die Alarmstufe Rot ausrufen. Weil die Eingänge zu den Gastronomien teilweise gegenüber liegen, stecken hier zwischen 22 und 23 Uhr Dutzende im Stau. Abstand in der Warteschlage? Fehlanzeige. Immerhin tragen einige in der Schlange Schutzmasken.
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Auch der mancherorts erhobene Hygienezuschlag ist eine Farce. Frei werdende Tische werden längst nicht alle desinfiziert, einige Kellner tragen ihre Mund-Nasen-Bedeckungen lässig unter dem Kinn. Und manch ein Gast macht sich einen Witz daraus, seine Maske locker aufs Gesicht zu legen und mit in den Nacken gelegten Kopf ins Innere aufs Klo zu gehen.
Corona in Bochum: Eingänge der Restaurants werden in Kürze verlegt
„Für uns ist das alles auch neu“, sagt Dirk Steinbrecher vom Vorstand der Interessengemeinschaft Bermudadreieck (ISG). Zusammen mit ISG-Aufsichtsrat Leo Bauer beobachtet er bei einem Bier im Jago das Treiben vor dem Schauspielhaus. „Wir werden die Eingänge an der Kortumstraße schon in Kürze an die Querseiten der Außengastronomien verlegen“, verspricht er. Auch an die Einhaltung der Hygieneregeln werde natürlich immer wieder appelliert.
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„Das Bermudadreieck muss wieder geschlossen werden“, fordert indes WAZ-Leser Harald Martens. Die Infektionszahlen näherten sich dem März-Wert, der zum Lockdown geführt habe. Als Anwohner habe er nun mehrfach beobachtet, dass nach 22 Uhr vom Bermudadreieck bis zum Schauspielhaus für ihn erkennbar keine Corona-Auflagen durchgesetzt werden. Auch massive Ruhestörungen beklagt Martens. „Das ist aber nicht das Schlimmste, mich ärgert die Verantwortungslosigkeit der Menschen, als gäbe es das Coronavirus nicht.“
Corona in Bochum: Stadt schafft am Riff Alternative zu den Hotspots
Wie lange die Stadt Bochum sich die Zustände im Bermudadreieck noch tatenlos anschauen will, ist nicht bekannt. Zu den Hotspots der Jugend soll es allerdings bereits in der nächsten Woche eine Lösung geben. Auf dem Brachgelände am City-Tor Süd gegenüber der Diskothek Riff soll ein „Stattstrand“ entstehen. Auf 5000 Quadratmetern werden Sand, Pflanzen, Schirme und ein Kiosk jungen Menschen ein Angebot machen, das das Treffen auf den bisherigen Plätzen hinfällig machen soll.
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„Davon haben wir noch nichts gehört,“ sagt Sandra. Anschauen würden sie und ihre Gruppe sich das schon. „Es müsste aber unbürokratisch zugehen, ohne Anmeldung und Verzehrzwang.“ Statt Strand – ein schönes Wortspiel, das laut Leo Bauer geklaut ist. „Den Slogan nutzen wir am KAP schon länger“, sagt er und zeigt ein Foto als Beweis.
Corona in Bochum: Polizei und Ordnungsamt räumen um 0.15 Uhr die Plätze
Als um kurz nach zwölf Uhr das Licht am Schauspielhaus ausgeht, haben schon zahlreiche Jugendliche den Hans-Schalla- und den gegenüberliegenden Tana-Schanzara-Platz freiwillig verlassen. Eine Viertelstunde später lösen Polizei und Ordnungsamt die Party auf. Friedlich geht es zu.
Leo Bauer weiß, was jetzt passiert: „Die ziehen jetzt zum Konrad-Adenauer-Platz. Da ist dann kein Durchkommen mehr.“ – „Wo sollen wir denn hin, schlafen gehen ist doch jetzt noch kein Thema“, sagt Paul - und zieht zum Kap.
Dort klingt die Sause friedlich und vergnügt aus. „Heute Nacht war alles gut“, berichtet eine Polizeisprecherin am Samstagmorgen.