Bochum. In der Corona-Krise entwickeln sich die Plätze am Schauspielhaus und Musikforum in Bochum zu jungen Hotspots. Es gibt Lob, aber auch Probleme.
Das Schauspielhaus und Musikforum sind die kulturellen Aushängeschilder Bochums. In Corona-Zeiten sind sie mehr als das. Die Plätze vor beiden Spielstätten haben sich zu Hotspots für Jugendliche und jung gebliebene Erwachsene entwickelt. Abends kommen sie zusammen, feiern, chillen, musizieren, diskutieren, lassen sich trotz Pandemie die Lust am Leben nicht nehmen. Das klappt nach Darstellung der Polizei bis auf wenige Ausnahmen hervorragend – und beschert Bochum inmitten der Krise ein starkes Stück Großstadtflair.
Die Wandlung des Hans-Schalla-Platzes hatte 2017 begonnen. Für eine Kunstinstallation bestückte Cordula Körber den Theatervorplatz mit ebenso aus- wie einladenden Bänken und Girlanden. „Nehmen Sie den Platz in Besitz, verweilen Sie, bespielen Sie ihn und erfahren Sie ihn immer wieder neu“, ermunterte der damalige Theaterleiter Olaf Kröck. Die Bochumer und ihre Gäste folgten der Einladung zuhauf.
Metropolen liefern die Vorbilder
Die Kasten-Kunst ist Geschichte. Doch die Sehnsucht nach einem zentralen Platz, der nach dem Vorbild des Piccadilly Circus in London, des Louvre in Paris, des Alexanderplatzes in Berlin oder des Hafens in St. Pauli im Sommer als alternativer Treff abseits von Clubs und Restaurants dient, war geweckt.
Corona begründete die Entwicklung nicht, „beschleunigte sie aber deutlich“, beobachtet der Bochumer Szene-Kenner und Journalist Dirk Krogull (49). Seit den ersten warmen Abenden im Frühjahr füllt sich der Platz vor und hinter dem Musikforum, vor allem aber der Hans-Schalla-Platz am Schauspielhaus, der mitunter an eine Festival-Wiese erinnert.
Dosenbier, Pizza und Klampfe
An den Wochenenden sind es regelmäßig mehrere hundert Menschen von Schülergruppen über Hipster bis zu Studenten und Best Agern hoch in den 60ern. So wie Richard (26), der gerne ein Schachspiel mitbringt und stets Mitspieler findet. So wie Carola (23), die es sich mit Freunden, Dosenbier und Weinchen auf einer Patchworkdecke bequem gemacht hat und dem Gitarrenspieler James Rogers auf der Treppe am Haupteingang lauscht. So wie Dennis (31), der mit einer Freundin Pizza aus dem Karton mampft, grinst und schwärmt: „Cool hier. So etwas hat Bochum echt gefehlt!“
„Genau das ist wichtig“, sagt Dirk Krogull. „Man ist draußen. Es besteht kein Konsumzwang. Die Leute bringen die Sachen von zu Hause mit oder versorgen sich in den umliegenden Kiosken oder Imbissbetrieben.“ Jeder ist frei. Niemand wird vertrieben oder muss etwas konsumieren. Ein willkommener Kontrast zum „durchkommerzialisierten Bermudadreieck“ in der Nachbarschaft, meint Dirk Krogull.
Dem Bermudadreieck schadet’s nicht
Die Partymeile leidet darunter keine Not. Auf der Kortumstraße sind zwar nach wie vor einige Läden geschlossen. Längst herrscht am Wochenende aber wieder großer Andrang, der einige Besucher durchaus besorgt. Von Mindestabstand konnte zuletzt insbesondere im Bereich des Engelbert-Brunnens zeitweise keine Rede sein.
Raketen-Zünder wurden verscheucht
Gefährlich wurde es am späten Samstagabend. Aus einer Gruppe heraus wurden Feuerwerksraketen auf dem Theatervorplatz gezündet.
Zwei gute Nachrichten: Es ist nichts passiert. „Und die Leute haben super reagiert“, berichtet ein Augenzeuge. „Alle riefen: Lasst den Mist, haut ab!“ Die (O-Ton) „Schwachköpfe“ wurden verscheucht.
Die friedliche Sommer-Party am Schauspielhaus konnte weitergehen.
„Das ist das Erstaunliche“, sagt Birgit Heffner (36), Stammbesucherin sowohl im Dreieck als auch am Schalla-Platz. „Viele hatten damit gerechnet, dass es am Schauspielhaus leerer wird, wenn die meisten Bermuda-Betriebe wieder geöffnet sind. Aber das Gegenteil ist der Fall. Am Theater wird’s sogar immer voller.“ Und das, ergänzt Dirk Krogull, werde auch so bleiben: „Diese Bewegung wird Corona überdauern.“
Zu wenig Müllbehälter und Toiletten
Umso dringender, dass Probleme gelöst werden, die die neuen Hotspots aufwerfen. Zwar äußert sich die Polizei „grundsätzlich zufrieden“ mit der Lage am Schauspielhaus. „Die allermeisten Menschen dort verhalten sich korrekt und rücksichtsvoll“, sagt Sprecher Volker Schütte. Doch: Es gibt zu wenige Abfallbehälter und öffentliche Toiletten – was am vergangenen Wochenende zu zwei Anzeigen gegen Wildpinkler führte.
Die Müll-Misere könnte kurzfristig gelindert werden. Ein Container könne auf dem Theatervorplatz zwar nicht aufgestellt werden, erklärt der USB auf Anfrage. „Die Stadtreinigung ist aber wachsam und reinigt je nach Bedarf häufiger. Das hat sie in letzter Zeit auch bereits getan“, berichtet USB-Sprecher Jörn Denhard.