Bochum. Courage und glückliche Zufälle haben eine Frau aus großer Gefahr gerettet. Um zu helfen, ist ein Apotheker sogar ins fahrende Auto gesprungen.
Hätten drei Bochumer am Donnerstag (23. Juli) weggesehen und keine Zivilcourage gezeigt, würde diese Geschichte wohl ganz anders ausgehen. Ihrem beherzten Eingreifen und glücklichen Zufälle ist es zu verdanken, dass einer Frau in großer Gefahr geholfen wurde.
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Gegen Mittag bemerkt Grundschullehrerin Charlotte Hanfland (27), die auf der Straße „Im Dahlacker“ unterwegs ist, eine Autofahrerin, die auffallend langsam fährt. Sie versucht, die Frau aus Herne zu überholen, um sie zu stoppen. Irgendwann gelingt letzteres und sie fragt die 58-Jährige, ob alles in Ordnung ist. Diese bejaht und setzt ihre Fahrt zunächst fort, diesmal hinter Hanfland. Doch die hat das Gefühl, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmt. Sie behält Recht.
Glück im Unglück: Charlotte Hanfland kann Symptome richtig deuten
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Erneut stoppt sie ihr Auto und spricht mit der Frau, der es mittlerweile sichtlich schlecht geht. Sie ist kaum noch bei Bewusstsein, kann nicht mehr richtig sprechen. Bei Hanfland schrillen die Alarmglocken – sie kennt die Symptome, von ihrem Vater, der Diabetiker ist. „Vielen ist nicht bewusst, dass ein Mensch, der unterzuckert ist, den Anschein erweckt, er sei alkoholisiert“, erzählt die Bochumerin im Nachhinein. Sie kann die Situation richtig deuten und fragt die Hernerin, ob sie Diabetes hat. Auch wenn deren Zustand immer schlechter wird, kann sie die Frage mit einem „Ja“ beantworten.
Hanfland holt umgehend Hilfe in der Apotheke Glückauf in unmittelbarer Nähe und trifft auf Inhaber Hamid Eslambolchi – der seine Doktorarbeit ausgerechnet über das Thema Diabetes geschrieben hat. „Wie viel Glück muss man bitte haben?“, fragt sich Hanfland und eilt zusammen mit Eslambolchi und einer seiner Mitarbeiterinnen zu der Frau im Auto.
Apotheker springt ins Auto und bringt es geistesgegenwärtig zum Stehen
„Ich habe der Frau eine Zuckerlösung gegeben und als diese nicht half noch eine zweite“, erinnert sich der 59-jährige Apotheker. Doch die Frau wird fast bewusstlos. Versuche, sie wachzuhalten scheitern. Eslambolchi ruft einen Notarzt und will die Frau in eine stabile Lage legen. Dafür wollen er, seine Mitarbeiterin und Hanfland die 58-Jährige aus dem Auto holen. Doch diese verkrampft und drückt mit dem Fuß auf das Gaspedal, weil der Automatikwagen nicht ausgestellt ist.
Erste Hilfe bei Unterzuckerung
Ursachen einer Unterzuckerung bei Diabetikern sind laut dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) eine ungenügende Nahrungsaufnahme, eine Überdosierung von Insulin oder Antidiabetika. Symptome können Unruhe, ein flaues Gefühl im Magen, ein Hungergefühl, Schwindel und eine Bewusstseinstrübung sein.
Ersthelfer sollten dem Betroffenen Traubenzucker und/oder gezuckerte Getränke geben und für Ruhe sorgen. Ist die Person bewusstlos, sollte sie in die stabile Seitenlage gebracht und der Notruf getätigt werden.
Der Bochumer Apotheker reagiert, springt ins Auto und bringt es zum Stehen. „Hätte er nicht so geistesgegenwärtig reagiert, wäre die Frau direkt in den stehenden Gegenverkehr gefahren und es hätte einen riesigen Unfall gegeben. Ich will mir nicht ausmalen, was dann passiert wäre“, schildert Hanfland. Sowohl Eslambolchi als auch seine Mitarbeiterin fangen sich dabei einige blaue Flecken und Schürfwunden ein. „Aber das ist nicht wichtig“, sagt der couragierte Ersthelfer bescheiden.
„Wir müssen mehr aufeinander schauen“
Gemeinsam holt das Trio die unterzuckerte Frau aus ihrem Wagen und bringt sie in die Apotheke. Eslambolchi versorgt die 58-Jährige solange, bis der Rettungsdienst eintrifft, um sie ins Krankenhaus zu bringen. Als Helden wollen seine Mitarbeiterin, er selbst und Charlotte Hanfland nicht dastehen. „Das was ich gemacht habe, war Bürgerpflicht. In das Auto zu springen, um es anzuhalten, das ist Zivilcourage“, meint die Grundschullehrerin. Doch Eslambolchi bezeichnet das, was er für die unterzuckerte Frau getan hat, als selbstverständlich. Allerdings will er betonen: „Es zeigt, wie wichtig Erste Hilfe ist. Meine Mitarbeiter und ich frischen unsere Kenntnisse regelmäßig auf.“
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Von der Polizei gibt es für den Einsatz großes Lob: „Die Polizei kann nur den Hut ziehen, vor diesem hohen Maß an Zivilcourage!“, sagt Polizeisprecher Jens Artschwager. Die Ersthelfer hoffen, mit ihrem Einsatz mehr geschafft zu haben, als der 58-Jährigen Hernerin das Leben zu retten. Sie wünschen sich, dass die Menschen in Zukunft aufmerksamer sind und helfen, wenn Hilfe gebraucht wird. „Wir müssen aufeinander schauen. Das ist das Wichtigste“, sagt Eslambolchi.