Bochum. Stefan Klein will einen Dieb am Bochumer Hauptbahnhof davon abgehalten haben, zwei Frauen zu bestehlen. Der 44-Jährige ist nun schwer verletzt.
Es sind diese roten Turnschuhe, die Stefan Klein nicht aus dem Kopf gehen. Immer wieder soll der Taschendieb damit zugetreten haben. In den Sekunden bevor die Erinnerung verschwimmt, kauert Stefan Klein am Busbahnhof des Bochumer Hauptbahnhofes am Boden. Dann brechen seine Knochen. So soll es am 3. Oktober 2018 passiert sein – die Polizei hält die Schilderungen des 44-Jährigen im Grundsatz für glaubwürdig, aktenkundig ist der Fall allerdings nicht.
Stefan Klein ist an diesem Oktobertag auf dem Rückweg von einem Trödelmarkt-Bummel am Ruhrpark, wie er erzählt. Am Busbahnhof will er den Taschendieb beobachtet haben, wie der zwei junge Frauen auskundschaftet.
Passanten schauen weg und laufen weiter
„Ich hab‘ ihm gesagt, dass er das lieber sein lassen soll. Mein Kumpel meinte noch ‘Lass das mal’.“ Der Taschendieb habe entgegnet, dass er doch auch essen müsse, ihn geschubst – und dann zugetreten.
Passanten hätten weggeschaut, seien weitergelaufen. „Der hat nix, der will nur Schmerzensgeld“, soll der Taschendieb gerufen haben, bevor er flüchtete. „Niemand hat geholfen. Dabei müssen das viele gesehen haben“, sagt Stefan Klein. Eine Frau und sein Kumpel rufen den Rettungswagen, der den Buchhalter schwer verletzt ins Bergmannsheil bringt.
Keine Anzeige bei der Polizei erstattet
Fünf Monate und zehn Operationen später sitzt er in seiner Recklinghäuser Wohnung noch immer im Rollstuhl. Ein Fixateur versteift das kaputte linke Bein. Der linke Arm liegt in einer Schiene. Diagnosen: mehrfacher Schienbeinbruch, Wadenbeinbruch. Schienbeinkopfbruch, Ellenbogen gebrochen, Schulter ausgekugelt.
Weder Polizei, noch die für den Bahnhof zuständige Bundespolizei haben in ihren Akten eine Anzeige zu dem Vorfall. Die Feuerwehr bestätigt auf Nachfrage einen Rettungseinsatz wegen eines Bewusstlosen. Stefan Klein hat sich nie selber mit der Polizei in Verbindung gesetzt: „Den Typen findet man doch sowieso nicht, das lohnt sich doch nicht.“
Ärger mit Krankenkasse – Rechnungen stapeln sich
Der geschiedene Familienvater ist täglich auf Hilfe angewiesen. „Das ist schon scheiße.“ Morgens kommt seine Lebensgefährtin vorbei, mittags seine Mutter. Ein Pflegedienst wechselt die Verbände und kauft ein. Stefan Klein muss viel liegen, sich erholen.
Doch auf dem Tisch stapeln sich Rechnungen von Krankenkasse, Krankentransportunternehmen und Physiotherapie. Hier 90 Euro für die Fahrt zum Chirurgen, da die zehn Euro Zuzahlung für den Rollstuhl.
Probleme mit der Kostenübernahme
Nur ein Beispiel: Seine Krankenkasse weigere sich, die Fahrt zum Chirurgen zu übernehmen. Er könne sich doch bringen lassen, hätten Berater gesagt. Stefan Klein wohnt im vierten Stock. „Ich kann mein Bein nicht knicken, mich müssen vier Leute hier raustragen. Wie soll das gehen?“
Die Viactiv-Krankenkasse entschuldigt sich auf Nachfrage. „Wir wissen nicht, wer das bei uns so gesagt hat. Sollte es so sein, tut es uns aber sehr leid“, sagt eine Sprecherin. Das Problem bei der Kostenübernahme: Auch die Krankenkasse sei an Gesetze gebunden.
Elfte Operation steht kurz bevor
Die sehen vor, dass wir bei Pflegegrad 2 wie in diesem Fall zwar Fahrten zur stationären Aufnahme übenehmen, zu ambulanten Terminen aber nicht, so heißt es. „Das ist sicher nicht immer richtig, aber daran müssen wir uns halten.“ Inzwischen hat die Krankenkasse Kontakt zu Stefan Klein aufgenommen und verspricht, „schnell und unbürokratisch“ zu helfen.
Für den 44-Jährigen steht die elfte Operation kurz bevor. Stefan Klein soll den Fixateur rausbekommen. Ein paar Monate noch, dann steht er vielleicht wieder auf seinen Beinen.