Bochum. Das 70 Meter hohe Fördergerüst des Deutschen Bergbau-Museums ist Bochums Wahrzeichen. Es birgt so manches Geheimnis.

Das Fördergerüst über dem Deutschen Bergbau-Museum gehört zu den bekanntesten Bauwerken Bochums. Mehr noch: Längst ist der markante, grüne Turm zu einem Wahrzeichen der Ruhrstadt geworden. Doch was hat es mit dem „Trumm“ auf sich, was sind seine Besonderheiten, welche Geheimnisse hält er bereit? Die WAZ gibt Antwort auf selten gestellte Fragen.

War das Bergbau-Museum Bochum früher eigentlich eine Zeche, so wie das Ruhr Museum auf Zollverein in Essen?

Klare Antwort: nein! Obwohl Viele es glauben, stand an dieser Stelle zwischen Innenstadt und Stadtpark niemals ein Bergwerk. Vielmehr wurde das Institut 1930 auf dem Gelände des alten Bochumer Schlachthofes als Museumsgebäude platziert. Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum ist bis heute dem Auftrag verpflichtet, das materielle Erbe des Bergbaus zu sammeln, zu bewahren, zu erforschen, auszustellen und zu vermitteln. Das Credo lautet: Wissen verbreiten – Bergbau erleben.

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Aber der Bau sieht doch sehr nach „Industrie“ aus?

Die Architektur erinnert allerdings an einen Industriebau, was auch kein Wunder ist, denn entworfen wurde das Gebäude vom Essener Architekten-Büro Schupp/Kremmer, das im 20. Jahrhundert im Bau von Zechen und Industrieanlagen im Ruhrgebiet maßgeblich war. Auch die Zeche Zollverein stammt von den Zeichentischen Fritz Schupps und Martin Kremmers.

Und wie kam dann der Turm zum Museum?

Zunächst: Der Förderturm ist gar kein „Turm“, sondern ein Fördergerüst. Um mit diesem bergbaulichen Wissen aufzutrumpfen, muss man den Unterschied kennen: Als Fördergerüst (auch: Seilscheibengerüst) bezeichnet man eine Konstruktion über dem Schacht eines Bergwerks, dessen Förderräder über Seile durch Maschinen angetrieben werden, die sich seitlich des Schachts in separaten Maschinenhäusern befinden. Davon unterschieden wird der Förderturm, bei dem sich die Fördermaschine im Turm direkt über dem Schacht befindet. Fördergerüste können nach der Inbetriebnahme, im Gegensatz zu Fördertürmen, ausgewechselt werden.

Das Bergbau-Museum in seiner ursprünglichen Form, Aufnahme aus den 1950er Jahren. Das Fördergerüst wurde erst 1973 aufgestellt.
Das Bergbau-Museum in seiner ursprünglichen Form, Aufnahme aus den 1950er Jahren. Das Fördergerüst wurde erst 1973 aufgestellt. © Stadt Bochum

Wozu waren Fördertürme überhaupt nötig?

Bei der Fahrt des Förderkorbes in die Tiefe (bis zu 1000 Metern) entstehen enorme Zugkräfte. Dabei nimmt ein Turm die Seitenkräfte durch sein Eigengewicht auf. Das Gerüst über dem Deutschen Bergbau-Museum stand ursprünglich über dem Zentralschacht der Großzeche Germania in Dortmund-Marten. Die wurde 1971 geschlossen, zwei Jahre später wurde der in seine Einzelteile zerlegte Turm nach Bochum verfrachtet und über dem Museum wiederaufgebaut. Als Blickfang und als historische Bergbau-Reminiszenz, aber eben auch als Muster ohne technische Bedeutung. Denn die Förderseile fehlen ebenso wie die zugehörigen Maschinenhäuser.

Was macht das Gerüst zu etwas Besonderem?

Vor allem seine Dimension. Das vollwandige Doppelbockgerüst war 1943/44 in Dortmund aufgestellt worden und galt seinerzeit mit einem Gewicht von 650 Tonnen, einer Höhe von 71,4 Metern und einem Durchmesser der Seilscheiben von 8 Metern als weltgrößtes Fördergerüst. Es war eine der modernsten und auch leistungsstärksten Fördereinrichtungen des deutschen Steinkohlenbergbaus, die noch bis 1971 in Betrieb war.

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Es ist also einzigartig?

Nicht wirklich. Wie gesagt, die Architekten Schupp und Kremmer entwarfen viele solcher „Doppelböcke“, ihr bekanntester ist jener über der Zeche Zollverein Schacht XII. Aber auch in Wanne-Eickel steht über der alten Zeche Pluto/Schacht Wilhelm ein Gerüst, das dem Bochumer zum Verwechseln ähnelt. Auch wenn der Anstrich ein anderer ist: „Wilhelm“ leuchtet im typischen, matten Industrie-Rot, das Gerüst über dem Bergbau-Museum strahlt in „Germaniagrün“, tatsächlich ist die Bezeichnung für die Tönung dem damals von der Zeche Germania gewählten Anstrich entlehnt. 2020 wurde „Germaniagrün“ sogar in das Logo des Deutschen Bergbau-Museums aufgenommen. Fördergerüst und Seilscheibe sind seitdem im übertragenen Sinn Bestandteile des Corporate Designs.

Kann man das Fördergerüst „befahren“, wie es bergmännisch heißt?

Ja. Die Reise in luftige Höhe gehört zu den größten Attraktionen des Bergbau-Museums. Die Besucher können zunächst in das unterirdische Anschauungsbergwerk einfahren und von dort, ebenfalls per Lift, die Aussichtsplattformen erreichen. Die obere Seilscheibenbühne liegt auf 62 Metern Höhe, der Blick reicht weit über die Bochumer Stadtgrenzen hinaus. Stark ist das Erlebnis, wenn man neben den gewaltigen Förderrädern steht. Allerdings ist das Erlebnis zur Zeit nicht möglich: Das Fördergerüst bleibt wegen Corona für Besucher gesperrt.

>>> Info: Bergbau-Museum und Corona

Unter Berücksichtigung von aktuellen gesetzlichen Auflagen und Hygienestandards hat das Deutsche Bergbau-Museum Bochum gleichwohl den Besucherbetrieb wiederaufgenommen.

Allerdings muss man sich zu allen Führungen vorab anmelden: telefonisch unter 0234 5877-126 (Di. bis Fr. zwischen 9 und 15 Uhr) oder per Mail an service@bergbaumuseum.de.

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