Bochum. Katharina Grosses riesige Gemälde sind wie ein gewaltiger Farbrausch. Die Wurzeln der weltweit gefragten Künstlerin liegen in Bochum.
Bochum hat viele Kunstschaffende hervorgebracht, aber nur einen Weltstar: Katharina Grosse. Die in Bochum aufgewachsene Malerin zählt aktuell zu den gefragtesten Künstlern auf dem Globus. Ihre Ausstellung „It Wasn’t Us“ (deutsch: „Wir waren’s nicht“) im Museum Hamburger Bahnhof in Berlin ist die Sensation der Saison, sie zieht Kreise bis über den Atlantik und bis in den Fernen Osten nach Japan. Was genau zeichnet die Kunst von Grosse aus? Was macht sie zur „Königin der Farben“? Eine Spurensuche.
Gigantische Farbpalette ist explodiert
Nach drei Monaten Corona-Zwangsschließung empfängt nun auch der „Hamburger Bahnhof“ – eines der bekanntesten Museen für Gegenwartskunst – wieder Besucher. Sie können sich auf eine Überraschung gefasst machen, denn inmitten der stählernen, historischen Halle ist eine gigantische Farbpalette explodiert, wie es scheint.
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Nicht nur der Boden strahlt in leuchtenden Farben, während des Lockdowns wurde der Raum insgesamt zum größten Atelier Europas, in der Katharina Grosse ein weiteres ihrer monumentalen Werke schuf. Es weitet sich bis auf den Vorplatz, ja sogar bis auf die äußere Fassade aus. Knallig, bunt, einnehmend. Wie immer bei ihr, werden die Grenzen der Malerei ausgetestet. Und das im doppelten Sinne.
Farbspritzpistole kommt zum Einsatz
Zum einen ist Grosses Kunst grenzenlos, sie bleibt nicht im Rahmen oder in der Form hängen, sondern weitete sich aus, nimmt den Raum in Besitz, und den Betrachter gleich mit. Zum anderen sind Grosses Arbeiten Statements von Größe und rappelnder Buntheit. Die Farben trägt die 1961 geborene Künstlerin nicht aus der Tube und mit feinem Pinsel auf, sondern unter dem Dröhnen der Kompressoren mit der Farbspritzpistole. Der Akt des Schaffens selbst ist so außergewöhnlich wie die Ergebnisse, die er zeitigt.
Angefangen hat sie einst mit monochromen Farbtafeln, die ganze Wände überzogen und manchmal Teil der Architektur selbst wurden. Inzwischen gilt Katharina Grosse als Spezialistin für großkalibriges Wirken, sie ist zu einer „Marke“ auf dem Kunstmarkt geworden, mit hohem Wiedererkennungswert und höchst individueller Handschrift. Und entsprechenden Preisen.
Im Hamburger Bahnhof in Berlin kann der Betrachter durch ihr Gemälde hindurchgehen wie durch eine Landschaft im Gebirge.
2006 entstand ein Kunstwerk in Bochum
So groß ist ihre in Bochum zu sehende Arbeit nicht, aber dennoch gibt es wohl niemanden, den Grosses ausladendes Wandgemälde, das sie 2006 für das Forum des Kunstmuseums realisierte, unberührt lassen würde.
Es war eine Arbeit für und in ihrer Heimatstadt. Katharina Grosse, die heute in Berlin lebt, ist als Tochter der Künstlerin Barbara Grosse und des Germanisten und späteren Rektors der Ruhr-Universität, Siegfried Grosse, in Bochum aufgewachsen. Studiert hat sie an den Kunstakademien Münster und Düsseldorf bei Norbert Tadeusz und Gotthard Graubner, zwei wegweisenden Malern der Abstraktion, deren Werken eine überwältigende Farbkraft innewohnt. Auch wenn sie sich an ihren von der Kunstwelt ohne Wenn und Aber akzeptieren Lehrern orientiert hat, so ist Katharina Grosses Werk doch geprägt von einem anarchischen Impuls, wie er auch der Graffiti-Malerei draußen in den Städten, „in freier Wildbahn“ zu eigen ist.
Der Betrachter wird überwältigt
Mag sein, dass es auch bei Grosse um das Überwinden von Hierarchien und um das Hinterlassen von geheimen Zeichen ihrer selbst geht. Aber hinter dem Eindruck einer monumentalen, mit der Sprühpistole erzeugten Farbgestik erschließt sich eben auch eine zweite Wahrnehmungsebene, in der das Malen, das Denken und Handeln keine eindeutige Wirklichkeit mehr kennt.
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Man hat ihr vorgeworfen, dass es ihr auf der Suche nach den Grenzen der Malerei um das bloße optische Spektakel, die schiere Überwältigung der Betrachter durch immer grellere „Farbattacken“ geht. Aber der Vorwurf greift zu kurz, denn das Wesen von Grosses Monumentalität basiert in Wirklichkeit auf der Anerkennung von Details, von der Kunst der Komposition. Kleine Ausschnitte der Gemälde sind geradezu filigran ausgeführt, wie ziseliert, verspielt und kunstvoll ver- und gearbeitet.
Letztlich sind Katharina Grosses Riesenwerke zeitgenössische Ausformungen einer farbsatten Malerei, deren Ursprünge bis auf das Informel und den klassischen wie den abstrakten Expressionismus zurückreichen. Dem tiefen, sinnlichen Erleben ihres Farbkosmos tut dieses Wissen keinen Abbruch. Im Gegenteil.
>>> Info: Kunst von Katharina Grosse
Die Ausstellung „It Wasn’t Us“ im Museum Hamburger Bahnhof in Berlin kann bis zum 10. Januar 2021 besucht werden.
Katharina Grosses Wandgemälde im Forum des Bochumer Kunstmuseums, Kortumstraße 147, ist zu den üblichen Öffnungszeiten (Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr) zugänglich.