Wattenscheid. Der 7. Juli ist Tag der Schokolade. Da kann Wattenscheid besonders glänzen – mit Schokolade aus fairem Handel, auf der Verpackung Sagenmotive.
Sagenhaft süß sind die sieben schokoladigen Werke allemal. Der Projektausklang hat hingegen einen zartbitteren Beigeschmack. Sieben „fair zertifizierte“ Kitas aus Wattenscheid haben zusammen mit der AG „Eine Welt“ ihre eigenen Tafeln aus Gepa-Schokolade mit je einem Bild versehen. Verkauf und Präsentation auf einem Markt blieben zwar verwehrt. Die Akteure engagieren sich jedoch weiter, um einen weltweiten Anstieg der Kinderarbeit durch die Corona-Pandemie zu verhindern.
Intensive Zeit
„Es war eine sehr intensive Zeit“, ziehen Susanne George und Katrin Beinke-Brandt von der Kita St. Joseph (Geitlingstraße 7) stellvertretend für alle Einrichtungen des katholischen Zweckverbandes im Bistum Essen eine positive Bilanz. „Wir selbst haben vieles neu erfahren. Den Kindern war schon einiges über Kinderarbeit bekannt, natürlich aber nicht alles bewusst.“
Kinder kennen Unterschiede
Dass Schokolade schmeckt, war kaum eine Offenbarung unter den jungen Schokoladen-Gestaltern. Wohl aber, dass auch „Vierjährige schon wissen, dass sie in eine Kita dürfen, während andere Kinder auf der Welt arbeiten müssen.“ Mit Gabriele Rebbe und Klaus-Jürgen Franke (Eine Welt) ging’s auf Geschmacksreise zu einem Kakao-Garten in Ghana. Doch auch unter welchen Bedingungen Arbeitende jeden Alters zum Teil ausgebeutet werden, wurde dem Nachwuchs gezeigt.
„Fair schmeckt besser“
Nicht um zu schockieren, sondern um klarzumachen: Schokolade kann fair hergestellt werden, leider läuft es meistens aber ungerecht ab. Susanne George: „Auch die Eltern möchten wir dafür über ihre Kinder sensibilisieren.“ Kompromisse wurden nicht eingegangen. Denis Gay (Gepa-Fairkauf): „Die Schokolade ist zu 100 Prozent aus fair gehandelten Rohstoffen.“ Kakao kommt etwa aus Afrika, die Milch aus dem Berchtesgadener Land, Zucker aus Paraguay oder von den Philippinen.
Sagenhafte Tafeln
Teilgenommen haben die sieben fair zertifizierten Wattenscheider Kitas des Zweckverbands katholischer Tageseinrichtungen für Kinder im Bistum Essen. Sie haben auch die Märchenmotive gemalt. Neben St. Joseph sind das: St. Gertrud (Sage: Schutzpatronin St. Gertrud), Herz Mariä (Stiefelmännchen), St. Theresia (Bauer Oberhagemann und der Zwerg), St. Maria Magdalena (Schöne Müllerstochter), St. Johannes (Ritter von Leithe) und St. Marien (Schmied von Höntrop).
Jede Kita erhält ein vom Weltladen gestaltetes Kästchen zur jeweiligen sagenhaften Schokolade mit Informationen zum Thema „Kinderarbeit“ und Rückblicken auf die Aktion. Alle sieben Schokoladen-Kreationen sind weiterhin im Weltladen in der Friedenskirche (Hochstraße 2) erhältlich. Die AG Eine Welt dankt allen Kunden, die dem Weltladen über den Lockdown hinweg treu geblieben sind.
Kunstzentrum unterstützt
Zudem wird größtenteils auf Bio-Qualität gesetzt, Verpackung und Folie werden umweltfreundlich hergestellt. Für Wattenscheider Lokalkolorit haben dann die Kinder gesorgt. In St. Joseph hat man sich für die Sage über den Taufstein der Propsteikirche entschieden. „Der stellvertretende Direktor Bernd A. Gülker vom Kunstzentrum Bochum unterstützte bei der jeweiligen Motivauswahl,“ schickt Klaus-Jürgen Franke einen Dank an die Lohrheidestraße.
Virus zerstört auch Lebensgrundlage
Mit dem Abschluss des Projektes endet der Einsatz des Netzwerks aus Kitas und Weltladen nicht. Rebbe und Franke beobachten derzeit einen Anstieg der Kinderarbeit: „Vielen Menschen fehlen durch die weltweite Corona-Krise ihre Einnahmen.“ Denis Gay nennt Beispiele: „Unsere Lebensmittel- und vor allem Handwerkspartner sind stark betroffen von den Lockdowns. Es gibt viele Tagelöhner, denen ihr Einkommen komplett weggebrochen ist.“ Hygienische Schutzmaßnahmen sind längst nicht überall umsetzbar. Felder konnten nicht bestellt werden, Ernteausfälle seien die bittere Konsequenz.
Auf sich allein gestellt
Franke: „In vielen sogenannten Entwicklungsländern gibt es kein ‚Soziales Netz‘, keine Privatvermögen, kaum staatliche Zuschüsse. Das betrifft Kaffee-, Bananen- und Kakaobauern und natürlich die Textilbranche, in der teils dicht an dicht in den Fabriken gearbeitet wird.“ Aktuell müsse man gar nicht weit gucken, fährt Franke fort: „Wir alle bekommen mit, was in der Fleischfabrik von Tönnies passiert ist. Es ist ein Widerspruch, dass man sich über die Arbeitsbedingungen hier aufregt, es in anderen ‚weit entfernten‘ Ländern aber nicht hinterfragt.“
Umdenken im Handel
Nachhaltig wolle man deshalb Zukunft schaffen und aufmerksam machen. Angefangen bei den Kindergartenkindern. Vielleicht gibt es dann doch noch einen „Verdrängungswachstum“ der Wirtschaft, hoffen Rebbe und Franke: „Mit fair gehandelten Produkten, deren Erzeuger gerecht entlohnt werden, statt Billigwaren durch ausbeuterische Arbeitsbedingungen, an denen die Ärmsten und Jüngsten zugrunde gehen.“ Der WAT-Weltladen bietet auch „Bleib‘ gesund Päckchen“ mit Tee, Seife und Schokolade, um die Handelspartner zu unterstützen.
Die Schoko-Aktion wurde von BO Marketing unterstützt: 2019 hatte sich der Weltladen unter dem Motto „WAT sagenhaft Süßes“ für eine Förderung beworben und gehörte am Ende zu den zwölf Gewinnern des Stadtteilwettbewerbs, der seit 2008 durchgeführt wird.
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