Bochum-Wiemelhausen. Das evangelische Gemeindehaus an der Königsallee in Bochum ist nach Ernst Moritz Arndt benannt. Kaum einer weiß das. Und das ist auch ganz gut.
Das evangelische Gemeindehaus an der Melanchthonkirche in Bochum-Wiemelhausen heißt eigentlich Ernst-Moritz-Arndt-Haus. Das weiß nur kaum jemand. Pfarrerin Ellen Strathmann-von Soosten ist das ganz recht. Sie würde das Gemeindehaus am liebsten umbenennen, denn die Ansichten und Äußerungen Ernst Moritz Arndts sind umstritten.
Bochum: Umstrittener Namensgeber sorgt für Diskussionen um Gemeindehaus in Wiemelhausen
Arndt lebte von 1769 bis 1860 und tat sich in dieser Zeit u.a. als Lyriker, Dichter, Schriftsteller, aber auch als Freiheitskämpfer (gegen Napoleon) hervor. Im Jahr 1930 erhielt das an der Königsallee errichtete Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde Wiemelhausen den Namen Ernst-Moritz Arndt-Haus.
„Im Laufe der Jahrzehnte schliff sich der Name sprachlich zu EMA-Haus ab“, erzählt Ellen Strathmann-von Soosten. „Der Namensgeber geriet dadurch in Vergessenheit.“ In anderen Teilen der Republik sei das nicht passiert. „Die Universität Greifswald und eine evangelische Kirchengemeinde in Berlin, beide nach Ernst Moritz Arndt benannt, haben den Namen inzwischen abgelegt und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie sich von Arndts völkisch-nationalem und antisemitischem Denken distanzieren“, weiß Ellen Strathmann-von Soosten zu berichten.
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„Zurzeit finden nationalkonservative Vorstellungen bis hin zu national-völkischem Denken Akzeptanz nicht nur bei der neuen Rechten, sondern auch in der bürgerlichen Mitte“, sagt die Pfarrerin weiter. Die Kirche bleibe davon nicht unberührt. Für Ellen Strahmann-von Soosten ist es daher „an der Zeit, sich mit der nationalkonservativen Prägung des Protestantismus im 19. und 20. Jahrhundert auseinanderzusetzen.“
Pfarrerin setzt Diskussion in Gang
Sie selbst geht da mit gutem Beispiel voran und hat in der Gemeinde inzwischen eine Diskussion darüber angestoßen, ob der Name Ernst Moritz Arndt für das Gemeindehaus an der Königsallee noch tragbar ist. Nein, findet Ellen Strathmann-von Soosten. „Meine persönliche Empfehlung lautet, dass wir uns von dem Namen trennen.“
Arndt sei von der Bedeutung nicht gleichzusetzen mit Paul Gerhardt, dem evangelisch-lutherischen Theologen Kirchenlieddichter, nach dem das Gemeindehaus an der Petrikirche an der Wiemelhauser Straße benannt wurde. Beide Gebäude wurden 1930 eingeweiht und nach besagten Protagonisten benannt, um zwei große Liederdichter der Protestanten im Gedächtnis zu behalten.
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Doch Arndts Texte und Lieder, so Ellen Strathmann-von Soosten, seien inzwischen fast verschwunden. Ernst Moritz Arndt sei „kein Vorbild für Nachdenklichkeit“, habe „viel gefühlsmäßig schwadroniert“ und habe sich auch nie in den kirchlichen Dienst begeben, obwohl er Theologie studiert hatte. Er habe die Propaganda miterfunden und einen Katechismus für Kriegsleute geschrieben. Seine Liedtexte, so Ellen Strathmann-von Soosten, finden sich auch in Gesangsbüchern von Burschenschaften.
Heimat der Kita
Im Ernst-Moritz-Arndt-Haus ist die Melanchthon-Kita der evangelischen Gemeinde untergebracht. 2016 wurde es umgebaut und den aktuellen Bedürfnissen entsprechend angepasst.
Unter dem Dach hat die Gemeinde einen Besprechungsraum, im Keller zudem einen Gruppenraum. Auch die koreanische Gemeinde, die seit 1974 Teil der evangelischen Gemeinde ist, nutzt die Räume für ihr Sprach-Café.
Auslöser für die Überlegung, eine Umbenennung des Gemeindehauses zu diskutieren, war der Literatur-Gesprächskreis, der sich im Herbst 2018 mit Gedichten, Liedern und der Biografie Ernst Moritz Arndts beschäftigte. Bestärkt durch die öffentliche Diskussion, wie eben in Greifswald und Berlin, ist es seitdem das Interesse von Ellen Strathmann-von Soosten, „genauer hinzuschauen und den Namen Ernst Moritz Arndt zu beleuchten“. Sie wolle prüfen: „Welche Person ist das eigentlich? Und ist es aus heutiger Sicht noch angemessen, mit diesem Namen ein Gemeindehaus zu belegen?“
Noch in weiteren Veranstaltungen war Ernst Moritz Arndt Thema. „Und es war schon erschreckend, als wir nationalistische und antisemitische Töne in seinen Texten und Lieder feststellten“, erinnert sich Ellen Strathmann-von Soosten, die nun einen Abschlussbericht für das Presbyterium, das am Ende entscheiden muss, geschrieben hat – ganz ohne Polemik. „Wir müssen das kritisch reflektieren.“
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Ende November geht Ellen Strathmann-von Soosten in den Ruhestand. Die Umbenennung des Ernst-Moritz-Arndt-Hauses wolle sie noch auf den Weg bringen, sagt die Pfarrerin. Sie selbst habe mit der Aufarbeitung „Ungeklärtes für mich klären können und bin damit für mich zufrieden“.
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