Bochum. Die Ärzte in Bochum schlagen Alarm: Aus Furcht vor Corona bleiben viele Patienten den Praxen fern. Auch in Apotheken gibt es Umsatzeinbrüche.

Haus- und Fachärzte in Bochum warnen dringend davor, auf Arztbesuche aus Angst vor dem Coronavirus zu verzichten. "Die Folgen können lebensgefährlich sein", sagt Dr. Michael Tenholt, Vorsitzender des Medizinischen Qualitätsnetzes (MedQN). Die aktuellen Zahlen seien "besorgniserregend".

Seit Beginn der Corona-Pandemie im März verzeichnen die Arztpraxen mitunter deutlich zurückgehende Patientenzahlen. "Eine bedrohliche Entwicklung, die sich bei einer Abfrage bei unseren 150 Mitgliedern in Bochum bestätigt hat", erklärt Tenholt.

Fachärzte sind besonders betroffen

Dabei ergebe sich ein unterschiedliches Bild. Während sich der Alltag bei den mehr als 200 Hausärzten langsam normalisiere, gehe es bei den Fachärzten steil bergab. Praxen, so Tenholt, bleiben vor allem dort leer, wo der Altersdurchschnitt der Patienten hoch ist. "Betroffen sind insbesondere Kardiologen und Onkologen. Hier beträgt das Minus im Schnitt 30 bis 50 Prozent", hat das MedQN ermittelt. Noch schlimmer erwische es die Zahnärzte: Hier wird der Rückgang auf 80 Prozent geschätzt.

"Große Sorgen" macht sich der Ärzteverbund um chronisch kranke Patienten, in erster Linie Menschen mit Bluthochdruck, Diabetes, Herz- und Atemwegserkrankungen. "Offenbar bleiben viele aus Furcht vor einer Infektion ihrem Arzt fern. Dafür gibt es angesichts der moderaten Zahlen in Bochum keinerlei Grund", bekräftigt Tenholt. Im Gegenteil: Die Angst vor Corona könne möglicherweise mehr Leben gefährden als das Virus selbst.

Rückgang auch in Apotheken

Alarmiert zeigen sich die Haus- und Fachärzte von einer Information des MedQN-Apothekenbeirats. Danach sei zumindest vereinzelt - etwa in einer Apotheke in Langendreer - die Zahl der Folgeverordnungen für chronisch Kranke um die Hälfte zurückgegangen. "Das würde die Situation in den Praxen widerspiegeln", sagt Michael Tenholt. Dabei sei es noch bis Juni vielfach möglich, ein Folgerezept auch ohne Arztbesuch, allein auf telefonische Anfrage, zu erhalten.

Stimmt, sagt Kreisvertrauensapothekerin Dr. Inka Krude. "Allerdings beharren mindestens 60 Prozent der Ärzte nach wie vor auf der Karte, die persönlich in der Praxis vorzulegen ist." Genau das sei in Zeiten, in denen die Corona-Angst gerade bei Risikopatienten enorm ausgeprägt sei, wenig hilfreich.

Appell: "Gehen Sie zum Arzt"

Nicht ganz so dramatisch wie der Ärzteverbund beurteilt Inka Krude den Rückgang bei den Medikamenten für Chroniker. "Im März hatten wir einen wahnsinnigen Run. Die Menschen haben Medikamente bevorratet. Seit April sind die Zahlen in den Apotheken in der Tat eingebrochen. Aber das bewerte ich noch als Folge der Bevorratung."

Gemeinsam appellieren die Kassenärztliche Vereinigung und die Apotheker an die Patienten: Gehen Sie zum Arzt, auch für Vorsorgeuntersuchungen und bei vermeintlich harmloseren Beschwerden. Der MedQN ruft seine Mitglieder zudem auf, wie derzeit die Kliniken unter strikter Einhaltung aller Corona-Regeln in den Normalbetrieb zurückzukehren. Auch im ureigenen Interesse. Tenholt: "Die Lage ist in vielen Praxen kritisch, aus unserer Sicht aber noch nicht existenzbedrohend."