Bochum. Petra Hegemann ist seit Jahren an ihr Bett gefesselt. An der Liebe ihres Ehemanns ändert das nichts. Teil elf unserer Serie „Bei aller Liebe“.
Petra Hegemann strahlt über das ganze Gesicht, während sie von ihrem Ehemann Rolf erzählt: „Ihn nochmal abgeben? Das kommt nicht in Frage. Er ist ein Mann zum Pferdestehlen.“ Verliebt blickt die 55-Jährige zu dem drei Jahre älteren Bochumer, der neben ihrem Bett steht und nickt.
Rolf Hegemann, der stand schon immer an Petras Seite – seit sich die beiden vor 23 Jahren kennengelernt haben. Es war Liebe auf den ersten Blick, fast. Beide besuchten dieselbe Abend-Realschule in Bochum. Petra Hegemann, von Geburt an querschnittsgelähmt, fragte Rolf, ob der Stuhl neben ihm wegkönne – damit dort Platz für sie und ihren Rollstuhl ist. Doch auch nach dreifacher Wiederholung bekam Petra Hegemann keine Antwort. „Was für ein Blödmann“, dachte sie sich. In der Pause spielte die Gruppe Fangen. Rolf Hegemann trat auf die Fußstütze von Petras Rollstuhl, die darauf in seine Arme fiel. „Danach waren wir sofort zusammen“, erinnert sich Petra Hegemann.
Lebensmotto des Bochumer Paars: „Geht nicht, gibt’s nicht“
Seit dem ersten gemeinsamen Tag hat das Paar ein Lebensmotto: „Miteinander leben, zueinander stehen: Geht nicht, gibt’s nicht. Kann ich nicht, gibt’s auch nicht. Versuchen ist die Devise!“ Petra und Hegemann strahlen eine große Zufriedenheit aus und sind glücklich mit ihrem Leben, das sie in der gemeinsamen Wohnung in Bochum-Hamme führen.
Dabei war es für das Paar nicht immer einfach. Petra Hegemann wird querschnittsgelähmt mit einem offenen Rücken geboren und sitzt im Rollstuhl. Doch die Behinderung hat sie und ihren Mann nie gestoppt: Die beiden haben geheiratet, haben eine integrative Gruppe für Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung betreut, viele Freizeitparks besucht oder Urlaub in Spanien gemacht.
Seit Jahren an das Bett gefesselt
Während Petra und Rolf Hegemann an all die vielen Dinge zurückdenken, die sie schon zusammen erlebt haben, sitzt sie in ihrem Bett in der gemeinsamen Wohnung. Seit einigen Jahren kann sie dieses nicht mehr verlassen, weil sie einen Nierenkatheder hat. Unter anderem wegen ihres Kleinwuchses könne sie nicht operiert werden.
Es gab Zeiten, da konnte sie damit nicht umgehen. Auslöser dafür war eine Nachricht, die ein Trauma aus ihrer Vergangenheit in ihr auslöste. Zehn Jahre ist das ungefähr her, dass die eigentliche Kämpfernatur sich zu nichts mehr motivieren konnte, ihren Mann nicht an sich ran lies. Solange, bis ein neues Mitglied die Familie komplett machte: Langhaardackel Lumpi. Als der Hund zu dem Paar kam, ging es für Petra Hegemann wieder aufwärts.
Viele Wünsche für die gemeinsame Zukunft
Heute kann die 55-Jährige wieder lachen. „Mir geht es prima! Ich lasse mich nicht unterkriegen“, sagt sie. Dass hat sie auch ihrem Mann zu verdanken. „Er unterstützt mich nur, rund um die Uhr“, sagt sie. Die Antwort ihres Mannes ist ein Lächeln. Oft braucht es keine großen Worte: „Wir wissen häufig, was der anderen gerade möchte, ohne miteinander zu sprechen.“
In ihrer gemeinsamen Zeit wollen Petra und Rolf Hegemann noch viel erleben: Einen Ausflug nach Holland und die Fahrt mit dem Heißluftballon, den Besuch des Autokinos und der Landesgartenschau in diesem Jahr. Obwohl Petra Hegemann ihr Bett nicht verlassen kann, sind diese Ausflüge möglich: mit einem Fahrdienst. Ein gewisses Budget pro Jahr steht Petra Hegemann dafür von ihrer Krankenkasse zur Verfügung. Um alle ihre Ausflugwünsche zu erfüllen, reicht das allerdings nicht aus. „Es wäre schön, wenn es vielleicht die Möglichkeit gebe, etwas durch Spenden zu finanzieren“, meint Petra Hegemann.
Nichts ist unmöglich
Sie und ihr Mann wissen, dass nichts unmöglich ist: „Wenn man das möchte, dann geht es auch. Auch wenn wir etwas mehr Vorlaufzeit brauchen als andere“, sagt das Ehepaar.
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