Bochum. Behindertenwerkstätten in Bochum erarbeiten Konzepte, um den Betrieb wieder aufzunehmen. Leiter von Wohngruppen kritisiert Isolationsmaßnahmen.
Mitte März wurden die Behindertenwerkstätten in Bochum aufgrund des Coronavirus geschlossen. Viele Beschäftigte gehören zu den Risikogruppen. Deshalb wurde in den vergangenen Wochen die Arbeit - falls dies der Aufgabenbereich zulässt - zu Hause oder in Wohnstätten erledigt. In den kommenden Tagen soll schrittweise der Betrieb aufgenommen werden.
„Wir haben ein Konzept vorbereitet und warten noch auf die finalen Vorgaben. Wir gehen davon aus, dass es in den nächsten Tagen wieder los geht", teilt Christoph Pasch, Geschäftsleiter der Behindertenwerkstatt des Johanneswerkes, mit. Eine Notbetreuung für Beschäftigte, die beispielsweise noch bei den Eltern wohnen, gab es in den vergangenen Wochen weiterhin. Alle anderen wurden in den Wohnstätten durch das Personal der Werkstatt betreut.
Mundschutz muss auf dem Arbeitsplatz nicht getragen werden
Arbeitstische werden in der Werkstatt des Johanneswerkes „Studjo" nun mit zwei Metern Abstand aufgestellt. Ein Mundschutz sei für die Beschäftigten nur notwendig, wenn sie die Plätze verlassen, berichtet Pasch. Auch in den Werkstätten der Diakonie habe man an einer Exit-Strategie gearbeitet. Dabei werde neben den Hygiene- und Abstandsregeln auch die Anreise thematisiert, sagt Marita John, Geschäftsführung der Werkstatt Constantin-Bewatt.
Für eine Öffnung in kleinen Schritten peile man den 18. Mai an, so die Werkstattleitung, Birgit Westphal. „Wir haben derzeit Beschäftige in den Notgruppen und wir entwickeln ein Hygienekonzept, damit bald wieder mehr kommen können", so Westphal weiter.
Lockerungen in den Bochumer Wohnstätten
Nicht nur Senioren in Pflegeeinrichtungen litten in den letzten Wochen unter dem Besuchsverbot. Auch in Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung waren keine Besucher erlaubt. „Ab Sonntag können wir Besuche von Angehörigen auf Abstand in gesonderten Räumen oder im Garten ermöglichen", sagt Gereon Sandmann, Wohnverbundleitung des Johanneswerks für Bochum und Herne.
Trotz der Einschränkungen sei die Stimmung in den Wohnstätten gut. „Einige fühlen sich beeinträchtigt, andere Bewohner finden es auch gut, dass sie nicht arbeiten müssen", stellt Sandmann fest. In einem großen Raum mit Beamer werden für die jeweiligen Wohnbereiche regelmäßig Filmabende veranstaltet. Auch Spaziergänge und Gesellschaftsspiele sorgen für Abwechslung. Um mit den Familien in Kontakt zu bleiben, haben die Mitarbeiter Videotelefonate per Tablet organisiert. Für Bewohner, die regelmäßig Besuch von ihren Angehörigen bekommen, sei die Situation schwieriger, berichtet Sandmann. „Alle Mitarbeiter sind sehr umsichtig und verantwortungsbewusst, um den Schutz von Meschen mit Behinderung zu gewährleisten".
Quarantänemaßnahmen seien für die Bewohner schwierig
Problematisch sei seiner meiner Meinung nach die für alle Einrichtungen geltende Regelung, dass Bewohner, die beispielsweise in einem Krankenhaus waren, zwei Wochen lang isoliert werden müssen. Das sei zwar für den Infektionsschutz sinnvoll, aber auch freiheitseinschränkend, so der Leiter des Wohnverbundes, „ich bin nicht derjenige, der entscheidet, wo jemand wohnen muss. Das ist ein Dilemma. Wir wollen die Menschen auf Augenhöhe betreuen. Es gibt auch einige Bewohner, die die Situation nicht verstehen können. Das erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl." Gereon Sandmann und sein Team stellen sich darauf ein, dass sie sich noch bis Anfang des kommenden Jahres mit dem Coronavirus beschäftigen müssen. Ziel sei es trotzdem, die Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen, so Sandmann weiter.
>>> Der Johanneswerk Wohnverbund Bochum-Herne
Neben den Wohnangeboten in gemeinschaftlichen Wohnformen mit insgesamt 60 Plätzen (Goerdthof, Suntumer Straße, Blumenstraße und Werner Hellweg) bietet der Wohnverbund eine Tages- und Seniorenbetreuung an, in der aktuell 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer begleitet werden.
Ergänzt wird das Angebot zudem durch zwei Fachdienste für Ambulant Betreutes Wohnen in Bochum und Herne sowie den ambulanten Wohngemeinschaften, die aktuell circa 120 Menschen in ihrem Wohn- und Lebensalltag unterstützen.