Bochum. Die Coronakrise führt zu Konflikten und manchmal zu Gewalt in den eigenen vier Wänden. Das Jugendamt Bochum fährt Besuche in Familien zurück.

Wochenlanges Ausharren mit vielen Menschen auf engem Raum: Homeoffice, geschlossene Kitas und Kurzarbeit machen den Alltag für Familien zu einer Zerreißprobe. Auch Jugendamt und Stadt rechnen mit mehr Konflikten durch die Coronakrise. Seine Kontrollen in Familien fährt das Jugendamt allerdings aktuell herunter.

„Hausbesuche sind auf das Notwendigste reduziert“, teilt das Jugendamt mit, „In Krisensituationen werden Hausbesuche durchgeführt. Dabei wird auf den Abstand geachtet“. Meldungen zu Kindeswohlgefährdungen würden nach wie vor umgehend bearbeitet.

Weniger Entlastungen für Familien in der Coronakrise

Tritt eine solche Gefährdung in einer Familie auf, bei der ein Verdachts- oder Infektionsfall besteht, soll der „Bereitschaftsdienst mit Schutzkleidung ausgestattet den Hausbesuch und eventuell eine Inobhutnahme durchführen“. Eine vermehrte Meldung über häusliche Gewalt habe das Jugendamt nicht verzeichnet.

Dennoch rechne das Jugendamt mit mehr familieninternen Konflikten. „Es ist davon auszugehen, dass die Nichtverfügbarkeit von Entlastungen für Familien zur Häufung von Konflikten im familiären Bereich führen wird. Dies betrifft natürlich im Besonderen die Familien, die wenig Ressourcen haben, um Probleme zu bewältigen“, so das Jugendamt, „die Reduzierung der kontinuierlichen und qualifizierten Unterstützung für hilfebedürftige Familien wird daher voraussichtlich Auswirkungen haben“.

Jugendring Bochum: Nachbarn sollen jeden Verdacht auf häusliche Gewalt melden

Das Jugendamt betont allerdings, dass alle Bereiche des Amts telefonisch und per E-Mail erreichbar bleiben – auch wenn der Soziale Dienst derzeit auf Öffnungszeiten verzichtet. „Alle Bereiche, die Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger erbringen, beispielsweise die Unterhaltsvorschusskasse, bearbeiten die per Post und E-Mail eingehenden Anträge, zahlen die Leistungen aus und beraten telefonisch“.

Auch Regine Hammerschmidt vom Kinder- und Jugendring befürchtet einen Anstieg von häuslicher Gewalt. „Eine Familie mit einem großen Garten kann sich eher aus dem Weg gehen als eine Familie in einer Hochhauswohnung mit nur ein paar Quadratmetern“.

Kita-Mitarbeiter seien aufgefordert, mit Familien Kontakt zu halten, bei denen sie sich ohnehin schon Sorgen machen. Nachbarn, die häusliche Gewalt in ihrer Nachbarschaft vermuten, bittet Hammerschmidt um eine anonyme Anzeige: „Lieber zehnmal gemeldet, ohne dass wirklich etwas vorgefallen ist – anstatt einmal zu wenig.“

Straftaten in Bochum sind in der Coronakrise tendenziell rückläufig

Laut der Polizei Bochum gibt es aktuell keine validen Zahlen zu häuslicher Gewalt in Familien. In Bochum, Herne und Witten würden meist ein bis drei Fälle pro Tag auftreten. Ein Großteil aller Straftaten sei aber aktuell rückläufig, so ein Polizeisprecher.

Die Stadt weist vorbeugend auf verschiedene Sorgen- und Krisentelefone hin. „Leider geht es in der momentanen Ausnahmesituation zwischen Paaren und in Familien nicht immer nur friedlich und respektvoll zu, sondern es kommt zu Streit, gar handfesten Auseinandersetzungen bis hin zu sexuellen Übergriffen“, sagt ein Stadtsprecher, „oft sind es Frauen und Mädchen, die Hilfe brauchen“.

Zahlreiche Hilfen für Betroffene von häuslicher Gewalt und sexuellen Übergriffen

In akuten Notsituationen sollen sich Bürger an den Notruf der Polizei wenden, 110. Das Hilfetelefon bei Gewalt gegen Frauen ist kostenlos rund um die Uhr erreichbar unter 0 80 00/ 116 016. Hilfe bietet auch die Beratungsstelle „Nora“ für Frauen und Mädchen in Bochum: 0234 / 96 29 99-5 oder -6. Frauen und Mädchen können sich auch an das Internationale Bildungs- und Beratungszentrum Mira wenden: 0234 / 3 25 91 76. Das Frauenhaus des Caritasverbandes ist zu erreichen unter 0234 / 50 10 34.

Von Seiten der Kinderschutzambulanz „Neue Wege“, der Caritas-Erziehungsberatung und Ehe-, Familien- und Lebensberatung des katholischen Wohlfahrtsverbands werden telefonische Sprechstunden und Beratungen angeboten unter 0234 / 503669 (9 bis 10 Uhr) oder 0234 / 9650349 (13 bis 14 Uhr).

Die Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt „Wildwasser e.V." ist erreichbar unter 0234 / 29 76 66. Das Evangelische Beratungszentrum hilft bei Ehe-, Erziehungs-, und Lebensfragen: 0234 / 913 33 91. Pro familia unterstützt unter 0234 / 1 23 20 und mit einem Jugendtelefon unter 0234 / 68 35 15 und per Mail: bochum@profamilia.de. Für Eltern, die sich anonym konkrete Ratschläge einholen wollen, gibt es das Elterntelefon: 0800 / 111 0550 montags bis freitags von 9 bis 11 Uhr, dienstags und donnerstags von 17 bis 19 Uhr.

Der Kindernotruf ist 24 Stunden unter 0234 / 910 5463 erreichbar. Auch der soziale Dienst der Stadt hilft unter 0234 / 910 2985. Montag bis Samstag von 14 bis 20 Uhr bietet die „Nummer gegen Kummer“ eine bundesweite Telefonberatung für Kinder, Jugendliche und Eltern an unter 116 111. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe ist unter 0800 / 11 10 111 und 0800 / 11 10 222 rund um die Uhr erreichbar.

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