Die Anzahl der bekannten Fälle von häuslicher Gewalt in Bochum ist wie in den Vorjahren erneut angestiegen. 686 Mal wurde ein Täter angezeigt.

Häusliche Gewalt tut doppelt weh: Neben den körperlichen Schäden schmerzt auch die bittere Erkenntnis, dass selbst das eigene Zuhause keinen Schutz bietet vor Schlägen, vor seelischer Gewalt und Bedrohung. Die Anzahl dieser Straftaten – jedenfalls die bekannt gewordenen – ist im Jahr 2016 wie schon in den Jahren zuvor erneut angestiegen. 686 Anzeigen zählt die Kripo in der Stadt Bochum.

Das Bochumer „Netzwerk gegen häusliche Gewalt“ – ein Zusammenschluss von mehr als 40 öffentlichen und nicht-öffentlichen Einrichtungen wie Stadt, Polizei und Beratungsstellen – will jetzt seine Zusammenarbeit weiter intensivieren. Zum Grundprinzip des Netzwerkes gehört es, dass die Opfer der häuslichen Gewalt nach einem Polizeieinsatz innerhalb von zehn Tagen umfangreich beraten und betreut werden. Damit wird zugleich eine frühzeitige Vorbeugung und Deeskalation gestärkt.

Häusliche Gewalt – längst keine Privatsache mehr

Kriminalhauptkommissar Ralph Jeske kümmert sich bei der Polizei um Opferschutz. Trotz des Anstiegs der bekannten Fallzahlen kann er aber nicht sagen, dass auch tatsächlich häufiger zu Hause geprügelt und geschlagen worden ist als früher. Der Anstieg könne auch daran liegen, dass die Polizei bei Einsätzen in und an Privatwohnungen mittlerweile genauer hinschaue. Außerdem werde Gewalt in den eigenen vier Wänden heute nicht mehr so oft wie früher als reine Privatsache angesehen, was die Bereitschaft zu einer Anzeige erhöhe.

Häusliche Gewalt gibt es überall in der Stadt. „Es zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten“, sagt Corinna Leenen von der Gleichstellungsstelle der Stadt. Auch in Familien mit viel Bildung und Geld wird geprügelt, nur dringt das in einer Villa weniger nach außen als zum Beispiel in einer Etagenwohnung mit vielen unmittelbaren Nachbarn. In rund der Hälfte aller Fälle spielt zu viel Alkohol eine Rolle, indem er die Hemmungen lockert, so KHK Leske. „Gefühlt“ habe jeder zweite Täter einen Migrationshintergrund.

„Wer schlägt, der geht“ – Täter müssen der Wohnung zehn Tage fernbleiben

359 Mal hat die Polizei im vorigen Jahr den Täter für zehn Tage der Wohnung verwiesen; nach dem Motto: „Wer schlägt, der geht!“ Er darf in dieser Zeit nicht zurückkehren. „In der Regel halten sich die Täter daran“, sagt Jeske. Damit sollen eine Wiederholungsgefahr gebannt und Ruhe geschaffen werden. In sechs bis acht Prozent sind Männer die Opfer – attackiert von ihrer Partnerin oder ihrem Lebensgefährten.

232 Mal haben sich die Opfer im Vorjahr bereiterklärt, sich vom Netzwerk gegen häusliche Gewalt beraten zu lassen. Mittlerweile wird das auch den Tätern angeboten.

Unter bestimmten Umständen informiert die Polizei auch das Jugendamt. 284 Mal war dies im Jahr 2016 der Fall. Selbst wenn Kinder selbst nicht geschlagen werden, so bekommen sie die Gewalt an Mama oder Papa aber mit.

>>> Neue Broschüre für die Gewaltopfer

Das Netzwerk gegen häusliche Gewalt hat eine neue Broschüre veröffentlicht: „Hilfe bei häuslicher Gewalt“. Sie ist in zwölf Sprachen verfasst. Sie liegt in den Beratungsstellen. Am 18. Mai, 17 Uhr, wird sie im Casablanca-Kino vorgestellt. Dann wird auch ein Film zum Thema („Kehrtwende“) gezeigt (7 Euro Eintritt).

„Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“: Tel. 08000/ 116 016 (kostenfrei).