Bochum. Auch die Aktivitäten der Bochumer Freien Szene sind zwangsweise ausgesetzt. Viele kleine Kultur-Akteure stehen zunehmend „auf dem Schlauch“.
Die Corona-Krise wirbelt alles durcheinander: das Geschäfts- und Familienleben, den beruflichen Alltag, die kulturelle Grundversorgung. Für letztere ist in Bochum neben großen, kommunalen Tankern wie dem Schauspielhaus und den Bochumer Symphonikern die Freie Szene zuständig.
Deren reichhaltiges Angebot zwischen Hinterhof-Atelier und Kulturbahnhof Langendreer ist zwangsweise ausgesetzt - was bedeutet, dass die Kultur-Akteure zunehmend „auf dem Schlauch stehen“. Wie dramatisch die Lage bereits ist, mag manchen Außenstehenden überraschen.
Die meiste Arbeit geschieht im Verborgenen
Kreative, die mit ihrer künstlerischen Arbeit im Verborgenen tätig sind und immer nur kurz – für die Aufführungen, Konzerte, Ausstellungen - ins Licht der Öffentlichkeit treten, gibt es in Bochum viele. Das kleine Figurentheater in Gerthe, die zahllosen freischaffenden Künstlerinnen und Künstler in ihren Werkstätten, die nicht fest an ein Theater gebundenen Schauspieler, die Literaten, die Musiker, die Performer - sie alle sind, wie der Rest der Republik , nun zwangsweise zum Arbeitsverzicht verdonnert. Es wird nicht produziert, nichts aufgeführt, nichts wahrgenommen. Die Folge: Einnahmeausfälle.
Ein-Mann-Betrieb gerät in den Dispo
Berichtet wird meist über Großunternehmen, denen wegen der Corona-Krise die finanzielle Schieflage droht, und über die Milliardenkredit-„Bazooka“ der Bundesregierung zur Rettung der Wirtschaft. Vor Ort und im Kleinen ist die Not aber ebenso groß. So hat Jochem Ahmann, freischaffender Künstler, zunehmend Probleme, sein Arbeits- und Privatleben weiter zu finanzieren. „Ich bin jetzt schon im Dispo“, sagt der Künstler, der als Ein-Mann-Betrieb neben seiner malerischen Tätigkeit vorrangig von Malkursen und VHS-Workshops lebt.
Staatliche Hilfe dringend angemahnt
„Das liegt alles auf Eis“, sagt Ahmann, „denn niemand bucht jetzt noch Kurse, die im Sommer vielleicht gar nicht stattfinden.“ Der Künstler mahnt dringend staatliche Hilfe an und hat einen Vorschlag, wie kurzfristige Hilfe (nicht nur) für alle Freiberufler, Künstler, Studenten und Sonstige von der Corona-Krise finanziell Betroffenen aussehen könnte: „Bedingungsloses Grundeinkommen für sechs Monate statt Hilfskredite.“ Im Internet kann man unter www.change.org eine entsprechende Petition unterschreiben.
Prekäre Situation ist seit Jahren bekannt
Die prekäre Situation vieler Künstlerinnen und Künstler, Schauspieler und Schauspielerinnen ist seit Jahren bekannt. Aber es wird kaum darüber gesprochen. Dass die vielfältigen Angebote, auf die die Kulturstadt Bochum zu Recht stolz ist, nicht vom Himmel fallen, ist klar. Ebenso klar ist, dass sie finanziert werden müssen, da die Wenigsten von ihren Einnahmen leben können – und dass jetzt, in der Krise ohne Arbeit und Einkünfte natürlich die Miete, die Stromkosten, die Lebenshaltungskosten weiterlaufen.
Die Stadt unterhält seit Jahren ein breit gefächertes Förderprogramm für kulturelle Klein- und Kleinstkünstler; dennoch reicht der Zuschuss oft nicht. Mit der Aktion „Plus 10 Prozent“ machten die Freien zuletzt auf ihre Situation aufmerksam.
"Die Lage wird sich weiter dramatisieren"
Der Corona-Shutdown hat die Lage noch einmal verschärft. Ob man beim Jugendtheater Traumbaum in Gerthe nachfragt, das die Premiere seiner aufwändig vorbereiteten Produktion „Märzstürme an der Ruhr“ aussetzen musste und nun mit Einnahmeausfällen konfrontiert ist, oder beim Figurentheater „Wilde Hummel“, das zwangsweise die Kindervorstellungen aufgibt, oder bei Veranstaltern wie Oliver Bartkowski, der seine „We will rock you“-Oldie-Party abblasen musste: überall dasselbe Bild. „Die Situation ist jetzt schon dramatisch, und sie wird sich noch zuspitzen“, so Bartkowski, der u.a. auch die beliebten „The Movie Trip“-Shows organisiert.
Bochum legt Fragebogen auf
Die Stadt Bochum steht in der Pflicht, ihre Kultur-Akteure nicht im Regen stehen zu lassen. Sie kommt dem insofern nach, dass eine Anlaufstelle für Initiativen, Vereine, Einrichtungen und Einzelkünstler/innen eingerichtet hat, die wg. Corona unverschuldet in existenzielle Nöte geraten.
Beim Kulturbüro kann man einen Fragenkatalog zur Informationsfindung bekommen. Fragen wie „Welche Ihrer Veranstaltungen sind betroffen?“, „Welche Einnahmeverluste werden Ihnen voraussichtlich entstehen?“ oder „Welche Kosten werden voraussichtlich in diesem Zeitraum entstehen und können nicht durch Einnahmen gedeckt werden?“ können beantwortet werden.
Wie Hilfsangebote aussehen könnten, ist offen
„Diese Informationen helfen, einen ersten Überblick über die Folgen der im Zuge der Corona-Pandemie getroffenen Anordnungen zu erhalten“, heißt es in einem städtischen Schreiben, das den freien Gruppen und Künstler/innen zugegangen ist. Ob und wie konkrete Hilfsangebote aussehen könnten, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen.