Nachwuchsförderung zählt für die neue JVA-Leiterin in Bochum, Karin Lammel, zur großen Herausforderung. Zudem will sie den Krankenstand senken.
Bochum. Seit einem halben Jahr wird die JVA Bochum, im Volksmund Krümmede genannt, von Karin Lammel geleitet. Viele Jahre war die 57-Jährige Stellvertreterin der Gefängnisleitung, bevor sie vorübergehend Chefin der JVA Wuppertal-Ronsdorf wurde. Die WAZ sprach mit ihr in ihrem Büro.
Sie leiten die drittgrößte JVA in NRW, in der unter anderem viele Schwerverbrecher sitzen. Wie schaffen Sie es, sich im Alltag genug Raum für die schönen Dinge des Lebens freizuhalten?
Karin Lammel: Ich habe grundsätzlich ein positives Bild von meinem Beruf und von den Menschen überhaupt. Ausgleich finde ich in der Freizeit, mit der Familie, beim Sport, beim Lesen. Und ich bin gerne in der Natur. Ich habe mir auf die Fahnen geschrieben, in der JVA ein möglichst gutes Arbeitsklima herzustellen, auf allen Ebenen.
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Worin sehen Sie die großen Herausforderungen für den Strafvollzug in Bochum?
Ich möchte die Sicherheit und gleichzeitig die Behandlungsangebote und therapeutischen Maßnahmen für die Gefangenen voranbringen. Dazu muss auch im baulich-technischen Bereich viel getan werden, schließlich ist das Gefängnis bereits 1897 in Betrieb genommen worden. Kürzere Wege innerhalb der JVA müssten her. Eine weitere Herausforderung ist die Nachwuchsförderung. Es gibt zwar eine Vielzahl an Bewerbungen, allerdings auch die Schwierigkeit, geeignetes Personal zu finden. Bewerber müssen ein positives Menschenbild haben, belastbar sein, sportlich und gesundheitlich fit. Außerdem müssen sie in einer Atmosphäre mit lauter Gittern klarkommen. Das sind viele Anforderungen, die zu erfüllen sind.
Chemische Drogen bereiten zunehmend Probleme
Welche Bedeutung haben Drogensucht und -Konsum sowie psychische Auffälligkeiten von Häftlingen im JVA-Betrieb?
Außer Marihuana sind mittlerweile viele andere Mittel hinzugekommen, vor allem auch chemisch hergestellte Drogen, die mitunter psychotische Erscheinungsbilder zur Folge haben können. Die Wirkung ist anders als das, was man früher kannte. Das macht es dem Personal etwas schwer. Rund zehn Prozent der Gefangenen befinden sich wegen ihrer Sucht im Methadonprogramm.
Wie hoch ist der Ausländeranteil unter den Gefangenen?
36 Prozent der aktuell fast 670 Gefangenen sind Ausländer; bei den U-Häftlingen geht es an die 50 Prozent. Insgesamt haben wir hier 51 verschiedene Nationalitäten.
Gibt es eine Landsmannschaft, die die anderen im Strafvollzug dominiert?
Nein. Es gibt allerdings sprachliche Barrieren und kulturelle Unterschiede, die zu Missverständnissen und gefühlten Beleidigungen führen können, obwohl diese gar nicht beabsichtigt sind. Wenn wir Häftlinge mit Sprachproblemen den Vollzugsalltag erklären wollen, können wir manchmal die einfachsten Dinge nicht vermitteln. Wir greifen dann auf Dolmetscher und die Sprachfähigkeiten unserer Bediensteten zurück. Wir haben auch schulische Angebote wie Deutsch als Fremdsprache.
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Wie haben Sie auf den spektakulären Ausbruch eines Häftlings im August 2019 reagiert, wenige Tage nach Ihrem Amtsantritt?
Man ist ziemlich fassungslos, wenn so etwas passiert. Ich habe mir die gesamte Sicherheitsstruktur der JVA angesehen, wir haben baulich-technisch nachgerüstet, weitere Planungen auf den Weg gebracht und Bedienstete sensibilisiert.
Krankenstand unter JVA-Bediensteten liegt bei 16 Prozent
Bochum: JVA für Sexual- und Gewalttäter geht bald in Betrieb
Im kommenden Sommer soll unmittelbar neben der JVA die neue „Sotha“ in Betrieb gehen: die „sozialtherapeutische Anstalt für Sexual- und Gewalttäter“. Die letzten der 5,5 Meter hohen Außermauer-Teilen werden zurzeit montiert.
80 Strafgefangene werden dann dort untergebracht werden. In der Sotha werden schuldfähige Strafgefangene, die wegen Sexual- und Gewaltstraftaten einsitzen und therapiewillig sind, auf „ein Leben in sozialer Verantwortung“ vorbereitet werden, wie die Justiz erklärt. Die Häftlinge werden therapeutisch sowie durch Ausbildung und Arbeit gezielt auf ein Leben in Freiheit vorbereitet.
Mit der JVA wird es eine gemeinsame Pforte geben.
Bei Vollzugsbeamten gibt es eine auffallend hohe Anzahl an Krankmeldungen. Wie hoch ist der Stand derzeit und woran liegt das?
Aktuell haben wir einen Krankenstand von rund 16 Prozent. Es ist aber auch ein sehr verantwortungsvoller Beruf mit hoher Belastung, die einen aus den Schuhen hauen kann. Wir betreiben deshalb ein Gesundheitsmanagement zum Beispiel mit Entspannungsübungen und Ernährungsberatung. Ich bin zuversichtlich, dass wir den Krankenstand positiv beeinflussen können. Zurzeit haben wir 280 Vollzugsbedienstete, davon rund 70 Frauen.
Wie schätzen sei den Handy-Schmuggel in der JVA ein?
Das ist ein großes Thema. Wir sind da hinterher und finden immer wieder welche. Wir versuchen, mit technischen Hilfsmitteln nach Handys zu suchen, die zum Beispiel auch durch Kontakte mit Außenstehenden bei Besuchsterminen eingebracht werden.
Sie sind die erste Frau in der Geschichte der Krümmede, die die Leitung übernommen hat. Meinen Sie, dass das in der Belegschaft und unter Häftlingen in irgendeiner Form eine Rolle spielt?
Ich denke, dass es keine Frage des Geschlechts ist, sondern eine Frage der Persönlichkeit, wie Leitung gelebt und wahrgenommen wird.