Bochum. Nach dem Ausbruch aus der JVA Bochum fehlt von einem Häftling weiter jede Spur. Der 42-Jährige entkam mittels selbstgebautem Stangenkonstrukt.

Flucht aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bochum: Ein 42-jähriger Häftling ist am Donnerstagabend aus der Krümmede ausgebrochen. Die Polizei leitete eine Großfahndung mit Hubschrauber und Hunden ein. Die Großfahndung nach dem 42-Jährigen laufe unvermindert weiter, es gebe aber keine heiße Spur, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Auch am Montagmorgen hatte sich am Stand der Dinge nichts geändert, hieß es bei der Polizei Bochum. Man hoffe auf Hinweise aus der Bevölkerung zum Aufenthaltsort des Ausbrechers.

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Nach ersten Ermittlungen der Polizei entkam der Mann, indem er über die rund fünf Meter hohe Gefängnismauer der JVA nahe des Ruhrstadions kletterte. Anschließend flüchtete er zu Fuß über die Karl-Lange-Straße in Richtung Castroper Straße und tauchte in den umliegenden Straßen unter. Ein Zeuge hatte den Mann gegen 19.25 Uhr beim Klettern beobachtet.

Der Häftling habe „eine Stangenkonstruktion“ genutzt, um auf die Mauer zu gelangen, teilte die Polizei am Vormittag mit. „Oben angelangt, sprang er die circa fünf Meter herunter und flüchtete zu Fuß.“ Ob der 42-Jährige sich bei dem Auf- und Abstieg verletzt haben könnte, sei unklar, hieß es. Bislang gebe es darauf keine Hinweise. Helfer hatte der Häftling nach aktuellen Erkenntnissen nicht.

Ausbruch aus der JVA Bochum – Überwachungskanzeln werden asbestsaniert

Die Flucht scheint vor allem deshalb möglich gewesen zu sein, weil sämtliche Überwachungskanzeln der Haftanstalt derzeit nicht besetzt sind. Nach WAZ-Informationen läuft dort derzeit eine Asbestsanierung. Von einer solchen Kanzel aus hätte der Fluchtweg des 42-Jährigen sehr gut beobachtet werden können.

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Nun gibt es auch detaillierte Informationen über den Ablauf dieser spektakulären Flucht. Wie die Justizvollzugsanstalt mitteilt, hatte der Häftling seit Juli den Job eines Sportwartes in der großen Turnhalle. So war er auch am Donnerstagabend dort. Zwei Wachtmeister überwachten das Training der beiden Sportgruppen. Aleksander Erceg meldete sich zum Duschen ab, hatte aber etwas ganz anderes im Sinn.

Die Haftanstalt hat die Phasen der Flucht mittlerweile rekonstruiert. Der äußerst gut trainierte Sportwart ging unbeobachtet auf die Zuschauer-Empore in der Turnhalle. Über einen Türvorsprung gelang es ihm, mit einer fast schon artistischen Leistung durch eines der zu diesem Zeitpunkt offenen Oberlichter zu klettern.

Eine Decke liegt über dem Stacheldraht auf der Mauer der JVA Bochum. Ein Zeuge beobachtete, wie der Häftling über die fünf Meter hohe Mauer kletterte. Mit der Decke schützte er sich vor dem messerscharfen Stacheldraht.
Eine Decke liegt über dem Stacheldraht auf der Mauer der JVA Bochum. Ein Zeuge beobachtete, wie der Häftling über die fünf Meter hohe Mauer kletterte. Mit der Decke schützte er sich vor dem messerscharfen Stacheldraht. © ANC-NEWS

Vom Dach eines Vorbaus der Turnhalle sprang er auf den Sportplatz. Dort hatte er sorgfältig in einem Container für Sportgeräte seine Stangenkonstruktion versteckt. An der Spitze der Stangen befestigte er eine Kunststoffmatte, mit der eigentlich der Aschenplatz abgezogen wird. Die legte er mit den Stangen auf den messerscharfen Draht auf der Mauerkrone. Um sich nicht zu verletzen, legte er noch eine blaue Decke über die Mauer. Von dort sprang er fünf Meter tief in die Freiheit.

Aleksander Erceg ist die Flucht aus der JVA Bochum gelungen. Der 42-Jährige wird so beschrieben: Circa 1,75 Meter groß, schlanke, drahtige Figur. Er hat braune Augen und schulterlange nach hinten gegelte braune Haare. Er hat Tätowierungen am Oberkörper und an beiden Oberarmen. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2015.
Aleksander Erceg ist die Flucht aus der JVA Bochum gelungen. Der 42-Jährige wird so beschrieben: Circa 1,75 Meter groß, schlanke, drahtige Figur. Er hat braune Augen und schulterlange nach hinten gegelte braune Haare. Er hat Tätowierungen am Oberkörper und an beiden Oberarmen. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2015. © Polizei Bochum | Polizei Bochum

Für die neue Leiterin der Haftanstalt Karin Lammel, die erst vor gut einer Woche in ihr Amt eingeführt wurde, ist es die erste Bewährungsprobe. Sie war schon stellvertretende Anstaltsleitung während der Fluchtserie 2011 und 2013.

Ausbruch aus der JVA – Hubschrauber kreiste über Bochum

Das alarmierte Justizpersonal stellte schließlich die Abwesenheit eines Häftlings fest. Es handelt sich um den 42-jährigen Serben Aleksander Erceg. Der Mann hatte eine Haftstrafe bis 2021 zu verbüßen wegen Diebstahls, gefährlicher Körperverletzung und schweren Raubes.

Wie die Staatsanwaltschaft Essen jetzt bestätigt, soll der flüchtige Serbe an einem Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft in Köln beteiligt gewesen sein. Für seine Beteiligung damals wurde er 2012 am Essener Landgericht verurteilt.

Nach Informationen dieser Zeitung soll er bei einer Tat auch bewaffnet gewesen sein. Ob er auf der Flucht eine Waffe mitführt, ist unbekannt.

Der 42-Jährige wird so beschrieben:

  • Circa 1,75 Meter groß, schlanke, drahtige Figur
  • braune Augen
  • schulterlange nach hinten gegelte braune Haare
  • Tätowierungen am Oberkörper und an beiden Oberarmen

Am Nachmittag gab die Polizei noch ein zweites Foto des geflüchteten Häftlings frei. Die Aufnahme zeigt Aleksander Erceg im Jahr 2014 mit kurzen Haaren.   
Am Nachmittag gab die Polizei noch ein zweites Foto des geflüchteten Häftlings frei. Die Aufnahme zeigt Aleksander Erceg im Jahr 2014 mit kurzen Haaren.    © Polizei Bochum

Am Donnerstagabend wurden sofort umfangreiche Fahndungsmaßnahmen eingeleitet, Kräfte der Bereitschaftspolizei sowie ein Polizeihubschrauber alarmiert. Zudem wurde ein Mantrailerhund mit eingesetzt.

Die Polizei ist derzeit dabei, die Bilder von Überwachungskameras auszuwerten, um detaillierte Hinweise auf den Fluchtweg des Häftlings zu erhalten. Gleichzeitig werten die Ermittler jegliche Hinweise über das Umfeld des Mannes aus, um so Erkenntnisse über das mögliche Ziel seiner Flucht zu erhalten.

Die Justizvollzugsanstalt Krümmede an der Castroper Straße: Deutlich zu erkennen ist in der Mitte der Sportplatz, direkt dahinter die Sporthalle (rötlicher Bau). Der Häftling kletterte über die Mauer und flüchtete über die Karl-Lange-Straße (im Vordergrund).
Die Justizvollzugsanstalt Krümmede an der Castroper Straße: Deutlich zu erkennen ist in der Mitte der Sportplatz, direkt dahinter die Sporthalle (rötlicher Bau). Der Häftling kletterte über die Mauer und flüchtete über die Karl-Lange-Straße (im Vordergrund). © www.blossey.eu | Hans Blossey

Bis in die Nacht dauerten die intensiven Suchmaßnahmen rund um die JVA an – brachten aber bislang keinen Erfolg. Man fahnde weiter „mit Hochdruck“ nach dem Flüchtigen, hieß es in einer Pressemitteilung. Die Polizei Bochum hat ein Hinweistelefon eingerichtet: Es ist unter der Rufnummer 0234/909-7500 erreichbar.

Krümmede machte mit Ausbruchsserie als „Pannenknast“ Negativ-Schlagzeilen

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Vor einigen Jahren sorgte die JVA in Bochum mit einer Reihe von Ausbrüchen für Kopfschütteln, vom „Pannenknast“ war die Rede. Zwischen 2011 und 2013 entkam ein Häftling durch ein schlecht gesichertes Oberlicht, ein weiterer sprang in die Tiefe, ein dritter durchsägte seine Gitterstäbe und schaffte es bis auf den Dachboden. 2013 dann floh ein Untersuchungshäftling – er spazierte mit einer Besuchermarke in der Hand einfach an den Wärtern vorbei. Erst nach neun Monaten wurde er in Amsterdam gefasst.

Die wiederholten Ausbrüche sorgten damals für eine Diskussion über die Sicherheit in der JVA Bochum – und für die Suspendierung des Gefängnisleiters. Und: Die „Krümmede“ wurde baulich nachgerüstet, um weitere Fluchten zu verhindern. (red/mike)

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