Düsseldorf. Die Hochschulmedizin in NRW ist stark. Aber das „Bochumer Modell“ fällt beim Wissenschaftsrat durch, und in Duisburg-Essen fehlt viel Geld.

„Beeindruckend“ ist nach Einschätzung des Wissenschaftsrates die Universitätsmedizin in NRW. Die Landesregierung hatte – 20 Jahre nach der letzten Begutachtung – ein Gutachten zur Hochschulmedizin anfertigen lassen. Ergebnis: Viele Medizinfakultäten und Unikliniken sind gut auf die Zukunft vorbereitet, doch die Standorte im Ruhrgebiet schwächeln.

So lobt der Wissenschaftsrat zwar die Forschung in Duisburg-Essen, spricht aber von einer „bedrohlichen wirtschaftlichen Situation des Uniklinikums“. In Bochum ist das so genannte „Bochumer Modell“ nach Ansicht der Experten in die Jahre gekommen. Die Aufteilung der Uni-Medizin dort in fast zwei Dutzend Träger und Kliniken sei zu kompliziert und gehe auf Kosten von Forschung und Lehre. „Nicht überzeugend“ ist laut Wissenschaftsrat auch das Modellprojekt „Medizin neu denken“ der Unis Bonn und Siegen. Der Aufwand dort für nur 25 Studenten sei viel zu groß.

Riesiger Sanierungsstau an den alten Gebäuden

Wie gut ist die Hochschulmedizin in NRW? Nach 20 Jahren gibt es zu dieser Frage wieder eine aktuelle Antwort: Gut bis sehr gut soll sie insgesamt sein. Experten des Wissenschaftsrates haben für die Landesregierung eine 1500 Seiten starke Bestandsaufnahme geschrieben. Sie nahmen sieben staatliche Hochschulmedizin-Standorte unter die Lupe, dazu die Planungen für eine neue Medizinfakultät in Bielefeld und ein Medizin-Modellprojekt der Unis Bonn und Siegen. NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) lobte am Montag das „große Potenzial“ der Uni-Medizin im Land. Dramatisch ist aber der Sanierungsstau an den Kliniken. Viele der Gebäude stammen aus den 1970-er Jahren und sind marode. Die Gutachter erinnerten das Land daran, dass es für den Erhalt der Gebäude und Labore sowie für die Digitalisierung der Hochschulmedizin tief in die Kasse greifen muss. Und: Die Zusammenarbeit der Kliniken könnte viel besser sein.

Mit Superlativen sparen die 66 Gutachter nicht. Die Uni-Medizin in Aachen sei zum Beispiel der „Rising Star“ in NRW, also ein besonders aufstrebender Standort. „Dynamisch und aufstrebend“ soll die Uni-Medizin in Duisburg-Essen sein. Hier lobt der Wissenschaftsrat die Forschungsschwerpunkte Onkologie und Infektiologie/Immunologie. Die Einführung der elektronischen Patientenakte dort sei ein „Meilenstein“, die Informationstechnologie dennoch verbesserungsbedürftig. Das Problem in Duisburg-Essen ist die „bedrohliche wirtschaftliche Situation“ des Klinikums, so die Gutachter. Land und Klinik müssten einen Wirtschaftsplan erstellen. Schon seit 2012 werden laut dem Gutachten Verluste erwirtschaftet, zuletzt etwa neun Millionen Euro im Jahr. Das Klinikum bestätigte, dass die wirtschaftliche Lage angespannt sei.

Experten raten zu Umbau der Bochumer Hochschulmedizin

Ein schlechtes Zeugnis stellt der Wissenschaftsrat dem „Bochumer Modell“ aus. Die komplizierte Konstruktion der Hochschulmedizin in Bochum mit acht Trägern, zwölf Kliniken und einer Medizinfakultät wirke sich „erkennbar negativ aus auf Studium und Studierbarkeit“, kritisierte Wissenschaftsrats-Vorsitzende Prof. Martina Brockmeier. Weniger Kliniken und mehr Zusammenarbeit täten der Bochumer Unimedizin gut, finden die Experten. Bochum erhalte nur etwa halb so viel Geld wie andere Standorte für Forschung und Lehre, erklärte Prof. Ingo Autenrieth vom Wissenschaftsrat. Große Distanzen zwischen den Partnern im „Bochumer Modell“ erschwerten Studium und Forschung.

Die neue Medizinfakultät für Bielefeld wird ausdrücklich gelobt. Der für 2021/22 geplante Start solle aber wegen des großen Organisationsaufwandes verschoben werden.