Bochum. Bochum Marketing übernimmt zum 1. April die Märkte in Bochum. Für Kunden ändert sich wenig, Händler müssen umdenken. Nicht allen gefällt das.

Im April beginnt eine neue Zeitrechnung in Bochum. Erstmals organisiert dann nicht das Ordnungsamt die zwölf Wochenmärkte in der Stadt. Mehr als fünf Jahre nachdem der Stadtrat die Grundsatzentscheidung zur Privatisierung getroffen hat, folgt nun die Umsetzung.

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Von Andreas Rorowskiund Jürgen Stahl

Die Bochum Marketing GmbH organisiert vom 1. April an die Märkte. Sie hat sich in einer neuerlichen Ausschreibung durchgesetzt. Anfang Dezember wurden die Sprecher der einzelnen Stadtteilmärkte darüber informiert.

Markthändler in Bochum müssen ihren Müll selbst entsorgen

Der erste Vergabeversuch war gescheitert, weil sich die im Vorfeld von SPD und Grünen beschlossene Vorgabe, die Reinigung der Marktplätze auch künftig durch die Umweltservice GmbH (USB) durchführen zu lassen, als Pferdefuß erwiesen hatte. Beide Bewerber, Bochum Marketing und die Deutsche Marktgilde wollten vor zwei Jahren diese Bedingung nicht akzeptieren. Danach hatte die Stadt eine zweite Ausschreibung auf den Weg gebracht.

„Ich finde es gut, dass jetzt nicht mehr das Ordnungsamt zuständig ist“, sagt Felix Bontrup, dessen Familie seit 60 Jahren mit einem Stand für Eier, Wild und Geflügel auf Bochumer Märkten steht. Das Amt sei vornehmlich zuständig dafür, die Gebühren zu kassieren. „Von der Bochum Marketing verspreche ich mir mehr Werbung, mehr neue Händler und am Ende dann auch mehr Kunden.“

Bochum Marketing will neue Händler gewinnen

Ein einheitliches Stimmungsbild aller Markthändler in der Stadt, von denen es etwa um die 100 gibt, gibt es nicht. „Es gibt schon unterschiedliche Meinungen“, sagt Jürgen Greife, Sprecher der Markthändler in Wattenscheid und Werne. Nicht für alle sei die künftig gültige Entsorgung in Eigenregie ein Problem. „Für uns große Obsthändler allerdings schon“, so Greife. Kartons, Plastik, Obst- und Gemüseabfälle. Wohin damit? Gebracht werden könnte alles möglicherweise nach Dortmund zum Großmarkt. Aber dazu werden Fahrzeuge benötigt – Frischwaren und Abfälle müssen getrennt gefahren werden. Und: Das kostet Zeit und Geld.

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Bochums Wochenmärkte

Die folgenden Wochenmärkte laufen bis Ende März stadtweit noch unter städtischer Leitung:

Innenstadt, Buddenbergplatz, Mittwoch und Samstag in der Zeit von 7 bis 14 Uhr

Riemke, Auf der Markscheide, Mittwoch und Samstag in der Zeit von 7 bis 13 Uhr

Altenbochum, Friemannplatz, Dienstag und Freitag in der Zeit von 7 bis 13 Uhr

Weitmar, Matthäusstraße, Donnerstag in der Zeit von 7 bis 13 Uhr

Weitmar, Pfarrer-Halbe-Straße, Dienstag und Freitag in der Zeit von 7 bis 13 Uhr

Linden, Wilhelm-Hopmann-Platz, Mittwoch und Samstag in der Zeit von 7 bis 13 Uhr

Langendreer, Hauptstraße 191, Dienstag und Freitag in der Zeit von 7 bis 13 Uhr

Werne, Werner Markt, Mittwoch und Samstag von 7 bis 13 Uhr

Wattenscheid, Alter Markt, Dienstag und Freitag von 7 bis 13 Uhr

Wattenscheid, Bismarckplatz, Donnerstag von 7 bis 13 Uhr

Günnigfeld, Max-König-Platz, Samstag von 7 bis 13 Uhr

Was sich ändern soll, wie viele Märkte es künftig geben wird und wie es gelingen soll, sie attraktiver zu gestalten, Vieles ist noch ungewiss. „Wir sind gerade dabei, mit den Händlern in Kontakt zu treten“, sagt Bo-Marketing-Sprecher Christian Gerlig. Es werde vor allem darum gehen, neue Händler zu gewinnen und die Märkte als Marke zu etablieren. Bis Ende 2023 läuft der Vertrag mit der Stadt Bochum erst einmal.

Gebühren bleiben vorerst stabil

„Die Gebühren bleiben erst mal so wie bisher, heißt es“, sagt Felix Bontrup, Sprecher der Markthändler am Rathaus. Das habe Bo-Marketing versichert. Der wesentliche Unterschied zum jetzigen Verfahren: Die Händler selbst sind für die Entsorgung ihres Mülls zuständig. Der USB, bis dato für Entsorgung und Sauberkeit zuständig, kümmert sich lediglich noch um die Reinigung.

Mit der Trennung von Abfallentsorgung und Sauberkeit würden „betriebswirtschaftliche Spielräume“ entstehen, hieß es dazu in einer Verwaltungsvorlage vor zwei Jahren. Bo-Marketing habe versichert, dass diese fürs Marketing genutzt würden, so Felix Bontrup. Auch die Stadt habe bislang schon zehn Cent der Gebühren pro Meter für Werbung ausgegeben, so Händler-Kollege Greife. Aber: „Viel zu sehen war davon aber nicht.“

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Der Wattenscheider räumt ein, „die Ideen, die uns Bo-Marketing vorgestellt hat, sind gut. Mal sehen was davon umgesetzt wird.“ Ansonsten ist dem 65-Jährigen Vieles noch unklar. Auch die Gebührenfrage. Schon jetzt bezahle der von seinem Bruder Michael geführte Familienbetrieb pro Jahr 30.000 Euro Standgebühren an die Stadt. Ob eine solche Summe künftig tragbar sei vor dem Hintergrund, dass sie für die Entsorgung selbst zuständig sind, sei ungewiss.

Händler müssen sich neu um Standplätze bewerben

Ebenso wie die Höhe der Gebühren selbst. Bo-Marketing wolle drei Personen einstellen und mit der Marktorganisation betrauen. „Müssen wir die dann mit unseren Gebühren bezahlen?“, fragt sich Jürgen Greife. Und er beklagt: „Wir müssen uns jetzt um Standplätze bewerben, haben aber gar nicht alle Informationen.“

Die Familie von Felix Bontrup (29) ist seit 60 Jahren auf Bochumer Wochenmärkten vertreten. „Mein Großvater und mein Vater sind schon hierhin gekommen.“
Die Familie von Felix Bontrup (29) ist seit 60 Jahren auf Bochumer Wochenmärkten vertreten. „Mein Großvater und mein Vater sind schon hierhin gekommen.“ © Andreas Rorowski

Felix Bontrup hofft derweil auf frische Ideen, frischen Wind, Auftrieb für Markt und Händler. Allerdings könne auch der neue Organisator ein Grundproblem nicht lösen: „Die Leute kümmern sich immer weniger um Lebensmittel, immer weniger kochen selbst. Die Geschäfte gehen seit Jahren zurück.“ Spürbar sei dies gerade am Anfang der Woche.

Noch dazu an einem verregneten Dienstag wie diesem, Kunden kommen vereinzelt an den Wagen mit der langen Theke. „Ich hätte gerne 200 Gramm von eurem köstlichen Knochenschinken“, heißt es da etwa. Oder: „Geben Sie mir bitte zehn von den Flügeln.“ Aber von einem großen Geschäft könne nicht die Rede sein. „Mein Vater sagt immer, an solchen Tagen lohne es sich kaum, zu kommen. Das falle unter Kundenpflege.“ Und ein Ende dieser Negativentwicklung sei nicht abzusehen. Der gelernte Koch, seit Jahren im elterlichen Betrieb tätig, fürchtet gar Schlimmes: „Ich glaube in zehn Jahren gibt es keine Wochenmärkte mehr.“

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