Bochum. In „After Work“ in den Kammerspielen spürt Regisseur Tobias Staab dem Wesen der Arbeit nach. Mit Musik und Tanz gelingen beeindruckende Bilder.

Schillernde Fesselspiele, neckische Affentänze, Auftritte im Rokoko-Kostüm: Den Zuschauern von „After Work“ wird in den Kammerspielen Bochum eine Menge geboten. Doch dass es sich bei all dem um eine ganz ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeit handeln soll, könnte angesichts des prächtigen Budenzaubers fast ein wenig in Vergessenheit geraten.

Nach seinem Liederabend „O, Augenblick“ ist „After Work“ die zweite Regiearbeit von Tobias Staab, der am Schauspielhaus mittlerweile selbst zu einer Art Held der Arbeit geworden ist. Der 38-Jährige, eigentlich als Dramaturg angestellt, kuratiert das Programm im Oval Office, stellt das „Ritournelle“-Fest und sämtliche Konzerte auf die Beine und ließ das Publikum unlängst beim vielbeachteten „Dive“-Festival in dröhnende Kunstwelten abtauchen.

Schattenseiten der täglichen Plackerei

„After Work“, gemeinsam mit dem Choreographen Rob Fordeyn entstanden, ist jetzt der Versuch, den vielen Schattenseiten, aber auch den Glücksmomenten unser aller täglichen Plackerei nachzuspüren, die gemeinhin als Broterwerb oder schlicht Arbeit bezeichnet wird. Wer ein Stück oder gar so etwas wie Handlung erwartet, könnte enttäuscht werden. Vielmehr verlegen sich Staab und Fordeyn auf einen wilden Assoziationsritt von der Renaissance bis zum Turbo-Kapitalismus heutiger Tage: Mit viel Musik, wenig Text und einer Menge Tanz gelingen ihnen beeindruckende Bilder.

Was bedeutet Shibari?

Shibari, die Kunst des Bondage (also Fesselns), ist eine jahrhundertealte Tradition. Wie das Programmheft verrät, bedeutet „Shibari“ etwa binden oder knüpfen. Es handelt sich in seinen Ursprüngen um eine Samurai-Praxis, in der jeder Clan eigene Knoten, Seilstärken und Techniken hatte.

Fernab der Sadomaso-Szene sei das Fesseln inzwischen zu einer beliebten (Körper)-Praxis geworden, die auch Eingang in die Kunst gefunden habe, berichtet Dasniya Sommer, die Shibari in Berlin praktiziert. „Das Bondage hat viele Aspekte. Es kann ein Grenzen erweiterndes, sinnliches Abenteuer sein und kann auch therapeutisch eingesetzt werden. Und Bondage ist Entspannung – zumindest wenn man sich nicht nur mit der Frage des Rauskommens beschäftigt.“

Nur selten packen sie ihr Thema tatsächlich konkret beim Schopfe: Auf verwackelten Videos sind Menschen zu sehen, die nach getaner Arbeit in den Feierabend eilen, sie flüchten fast aus ihren Werkshallen. Dagegen bevölkern Figuren die Bühne, die vom Job geschlaucht, matt und müde sind. Anne Rietmeijer und Dominik Dos-Reis spielen ein Pärchen, das sich kniffelige Fragen stellt: „Liebst du, was du tust, oder tust du’s einfach?“ lautet eine von ihnen. Bedeutet Arbeit also nur Entbehrung, oder kann sie auch schlicht Spaß machen?

Phantastisches Bühnenbild

Spaß macht es vor allem, das phantastische Bühnenbild von Nadja Sofie Eller zu betrachten, die auf die Bühne noch eine weitere kleine Guckkastenbühne gebaut hat, was große Wirkung erzeugt. Die Tänzerin Anna Pocher (schön sie wiederzusehen!) hat darin einen schönen Auftritt zu „Sex Machine“ von James Brown, während eine Art Coaching zur Steigerung der Lebensfreude die Helden in Nadelstreifen unserer Tage etwas plakativ auf Kurs bringen will.

Beim Manager-Seminar: (v.l.) Mourad Baaiz, Dominik Dos-Reis und Anne Rietmeijer als Helden in Nadelstreifen.
Beim Manager-Seminar: (v.l.) Mourad Baaiz, Dominik Dos-Reis und Anne Rietmeijer als Helden in Nadelstreifen. © Schauspielhaus Bochum | Michael Saup

Zum Höhepunkt des Abends gerät schließlich die (von Donnergrollen arg pathetisch begleitete) Ankunft der Berliner Tänzerin Dasniya Sommer, die die uralte japanische Kunst des „Shibari“, also des Fesselns, zur Meisterschaft erhoben hat.

Verschnürt wie Weihnachtspäckchen

Da staunt mancher im Saal nicht schlecht: Mit wenigen geübten Handgriffen gelingt es ihr, die beiden Schauspieler Ulvi Teke und Dominik Dos-Reis mit Seilen wie Weihnachtspäckchen zu verschnüren. Minutenlang hängen und schweben sie dort, wozu in der Tat „An der schönen blauen Donau“ von Johann Strauss erklingt. Auf diese Musikauswahl muss man erstmal kommen! Und hat es eigentlich jemals ein schöneres Stück über einen Fluss gegeben?

Viel Beifall gibt es vor allem fürs beherzt aufspielende Ensemble, das sich sein Salär an diesem Abend redlich verdient hat. Dicke rote Streifen auf den Körpern der beiden mutigen Gefesselten zeugen davon: Dieser Job tat weh.

Dauer: ca. 90 Minuten ohne Pause. Wieder am 14., 17., 19. und 31. Januar. Karten: 0234 / 33 33 55 55.