Bochum. Der Bildhauer Richard Serra wird 80 Jahre alt. In Bochum ist der weltweit gefragte Künstler vielfach vertreten. Am bekanntesten: das „Terminal“.
Der weltweit bekannte Stahl-Bildhauer Richard Serra wird 80. Er ist einer der anerkanntesten, aber auch umstrittensten zeitgenössischen Künstler. In Bochum ist er mit fünf Arbeiten vertreten, die bekannteste dürfte das „Terminal“ am Hauptbahnhof sein.
Serra-Kunstwerke stehen in der Wüste von Doha, im Europa-Quartier in Luxemburg, mitten in New York und in Bilbao. Und eben in Bochum. Das 1977 entstandene „Terminal“ zählt nach wie vor zu den berühmtesten Objekten des am 3. November 1939 geborenen US-Amerikaners. Die Aufstellung der von der Stadt Bochum für 350.000 DM angekauften Stahlplastik war seinerzeit ein Aufreger erster Güte. Proteste gegen den vorgeblichen „Schrott“ zogen weite Kreise, von der CDU wurde die Anti-Haltung gegenüber der Kunst sogar im Wahlkampf instrumentalisiert.
Wogen der Aufregung
Auch wenn sich die Wogen der Aufregung in 40 Jahren geglättet haben – bis heute sind die Bochumer ihrem sperrigen Kunstwerk in einer Art Hassliebe verbunden.
Richard Serra macht, seit er sich in den 1970er Jahren dem Werkstoff Stahl und dessen Dimensionen verschrieb, keine Kompromisse. Das zeichnet ihn aus, das macht ihn aber auch immer wieder angreifbar. Seine Skulpturen stehen für sich selbst, sie „bedeuten“ nichts. Jeder Betrachter muss immer wieder seinen persönlichen Frieden mit dieser Form der Konkreten Kunst machen.
Drinnen und Draußen
Dabei lässt der Bildhauer einen Unterschied zwischen Drinnen und Draußen nicht zu. Wie er seine riesigen, gebogenen und in sich verdrehten Stahl-Kolosse in geschlossene Räume unterbringt, irritiert immer wieder – exemplarisch erlebbar im Weitmarer Ausstellungszentrum Situation Kunst, wo Serras Objekt „Circuit“ ein eigener Raum gewidmet ist.
Kunst in der Kapelle
Dem Eindruck von Enge und Bedrückung, den die Stahlgebilde dort hervorrufen, steht die trotzige Wucht seiner Außenskulpturen gegenüber. Sie behaupten sich am verkehrsumtosten Bochumer Hauptbahnhof ebenso wie auf der öden Landschaft der Halde Schurenbach in Essen („Bramme“) oder eben in der Sylvesterkapelle am Haus Weitmar, wo man die nahezu idyllische Begegnung zweier massiver Stahlblöcke in der historischen Ruine auf sich wirken lassen kann.
Als Minimal-Artist begonnen
Serra hatte als minimalistischer Künstler in den 60er Jahren mit Plastiken aus Blei und Gummi begonnen, später entdeckte er den Stahl, rostbraunen Corten-Stahl, als sein Material. Anfangs waren es glatte Walzstahlplatten, die der Künstler ohne feste Verbindung gegeneinander lehnte, so dass sie – ein Spiel von Labilität und Stabilität – allein durch ihr Gewicht aufrecht blieben; wie beim „Terminal“.
Info: „Terminal“
Die Skulptur „Terminal“ hatte Richard Serra 1977 für die Kunstschau Documenta 6 in Kassel geschaffen. Vier 12 Meter hohe, trapezförmige Platten aus wetterfestem Stahl lehnen aneinander und stützen sich gegenseitig. Aufgestellt vor dem Fridericianum, dem zentralen Ausstellungsgebäude, wurde es zum „Wahrzeichen“ dieser Documenta.
Nach langen Verhandlungen und begleitet von heftigen Protesten wurde „Terminal“ von der Stadt Bochum angekauft und schließlich 1979 an dem von Serra favorisierten Standort installiert.
Auf einer Verkehrsinsel gegenüber dem Hauptbahnhof trotzt es bis heute nicht nur dem Wetter – als Kunst im öffentlichen Raum regt es zu Zustimmung und Kritik gleichermaßen an.
Serras Kunst ist niemals gefällig, sie steht im Wortsinn im Weg. Man kann nicht „einfach so“ an den Plastiken vorüber gehen, allein durch ihre Präsenz verändern sie das Umfeld und damit jene, die es passieren. Doch ist Richard Serra nicht auf Provokation aus. Seine Werke mögen wuchtig und elementar sein, aber sie sind immer auch still und erhaben. Wer jemals in das „Terminal“ hineingetreten ist, wird den Blick nach oben nicht vergessen: In dem exakte Viereck, das die Skulptur abschließt, sieht man den Himmel und die ziehenden Wolken.
Zehn Seiten in der New York Times
Serra gilt, nach unzähligen Preisen und Würdigungen, als einer der bedeutendsten Bildhauer unserer Zeit. Eben widmete ihm die New York Times anlässlich von drei Einzel-Ausstellungen in New Yorker Galerien einen zehnseitigen, reich bebilderten Artikel, der auch ein Foto von Silke von Berswordt-Wallrabe aus der Buderus-Werken zeigt, wo gerade ein glühender Stahlblock zum Serra-Kunststück wird.
Gewährsmann Alexander von Berswordt-Wallrabe
Ihr Mann Alexander von Berswordt-Wallrabe hatte und hat großen Anteil, dass Bochum überhaupt zur „Serra-City“ werden konnte.
Der Begründer der „Galerie m“ im Schlosspark Weitmar ist der Gewährsmann und Vertreter für Richard Serra in Europa. Seit mehr als 40 Jahren koordiniert, organisiert und überwacht von Berswordt-Wallrabe die Herstellung der Großskulpturen in Stahlwerken in Deutschland und Frankreich, wobei die Hattinger Henrichshütte, als sie noch im Saft stand, die bevorzugte Fertigungsstätte des Bildhauers war.
Bevorzugte Situation
Das alle zeigt, wie singulär und bevorzugt die Situation in Bochum bezüglich bedeutender Kunstwerke von Richard Serra ist. Auch über seinen 80. Geburtstag hinaus.