Bochum. . Serie „Schlösser, Burgen und Ruinen“: Haus Weitmar in Bochum ist ein spannender Kultur-Ort. Ein Nachfahre der früheren Bewohner lobt den Wandel.

„Nichts ist wie es war“ – diesen Satz in Leuchtschrift liest der Besucher, wenn er die Treppen hinuntergeht, zum „Museum unter Tage“. Um das Bild des Schlossparks nicht zu verfälschen, werden dort seit 2015 Bilder in unterirdischen Räumen gezeigt. Die Kuratorin Maria Spiegel bekommt leuchtende Augen, wenn sie durch die Dauerausstellung führt: „Weltsichten – Landschaft in der Kunst seit dem 15. Jahrhundert“.

Kunst-Geschichte wird in Bochum groß geschrieben. Fragt man jedoch nach der Geschichte des Hauses Weitmar, läuft man gegen Wände.

Der Weg zum Haus ist nicht geradlinig

Über die Vergangenheit möchte sie ungern sprechen, blockt Maria Spiegel ab. Die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft – alles sei an diesem Ort miteinander verbunden: Die Ruine bildet heute den Rahmen für einen modernen Kubus.

Im Kulturhauptstadtjahr 2010 bekam das Anwesen dieses neue, ungewöhnliche Gesicht, das die Architekten Pfeiffer, Ellermann und Preckel aus Münster erdachten. Skulpturen säumen den alten Adelssitz. Der Weg, der auf das Haus Weitmar zuläuft, ist heute nicht mehr geradlinig gestaltet. Ein symbolträchtiger Ort.

„Nichts ist wie es war.“ Aber wie war es denn nun? In der Zeit, bevor der Kubus – Ausstellungs- und Tagungsort – nicht mal eine Idee war. Als die Mauern des Herrenhauses noch standen. Aber auch der eigentliche Besitzer der Ruine, Alexander von Berswordt, der Haus Weitmar der „Stiftung Situation Kunst“ übergab, mag zunächst nicht über die Vergangenheit sprechen.

Familie wie jede andere auch

„Es gibt ja eine heimliche Verehrung in der breiten Bevölkerung für royale Themen. Ich finde das bedauerlich. Für mich sind die nicht anders als andere Familien“, sagt Berswordt und schiebt noch zynisch nach: „Vielleicht, weil ich den Nachteil hatte, in einer dieser komischen Familien aufzuwachsen.“

Die Berswordts übernahmen 1781 den Hof, dessen Wurzeln bis ins zehnte Jahrhundert reichen. Ein Springbrunnen stand später vor dem Haus aus Ruhrsandstein im Renaissancestil. „Diese komische Barocktreppe mit der Brücke“ führte und führt auch heute noch über den wieder gefüllten Wassergraben. Und im Sommer stellte die Familie Palmen in Kübeln raus – „peinlich!“ Der Urgroßvater von Alexander von Berswordt verhätschelte seinen einzigen Sohn, der nur eine Aufgabe im Leben gehabt hätte: Die Stammeslinie zu erhalten. Der Urenkel Alexander von Berswordt kann über solch ein Ansinnen nur den Kopf schütteln. Der Glanz, das Getue sind ihm zuwider. „Die Jetztzeit finde ich spannend“, betont der 74-Jährige. „Heute gibt es richtig viel zu sehen, was den Menschen viel geben kann.“

Kurz vor seiner Geburt trafen die Bomben das Haus

Zwölf Tage vor seiner Geburt trafen Bomben das Haus Weitmar. Zu der Zeit wohnte seine Familie in Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte er in eineinhalb Räumen des Wirtschaftsgebäudes gemeinsam mit seiner Mutter und zwei Geschwistern, während der Vater in Gefangenschaft war. „Meine Mutter hat uns mit ein bisschen Landwirtschaft und Vieh durchgefüttert.“ Die Kinder spielten in den Trümmern, in denen Handgranaten lagen. „Einem Kumpel hat es die Hand abgerissen.“

Der junge Alexander fand in der Ruine ein reich verziertes Stundenbuch. Es gehörte zu einer großen Handbibliothek des Urgroßvaters. „Heute ist es im Ruhr Museum in Essen.“ Die Bibliothek ist ein verloren gegangener Besitz, den er wirklich bedauert: „30 000 Bände, darunter viele mittelalterliche Schriften.“ Sie gingen in den Flammen auf.

Das Wirtschaftsgebäude mit den Stallungen wurde Jahre später abgerissen. Den Untergang einer anderen Ruine konnte Berswordt jedoch verhindern: Hinter Haus Weitmar stehen die Reste der Silvesterkapelle, die erstmals 1397 erwähnt wurde. Im Kapellenraum kann man heute eine Skulptur von Richard Serra bewundern: „O.I.C.“. Die Wahrheit ist anders als die Wirkung: Man mag es kaum glauben, dass die beiden Stahlblöcke gleich groß sind.

Ein Bronze-Ast als Naturdenkmal

Berswordt wollte immer, dass der Park den Bochumern offen steht. Er verpachtete das Anwesen der Stadt. Der Baumbestand war einst noch reicher. Berswordt ärgert sich über den Verlust einer seltenen Süntel-Buche, die über 300 Jahre alt war. Die bodenlangen Äste schafften einen Naturraum – „fast wie ein Sakralgebäude“, schwärmt Berswordt. Vor 17 Jahren zündeten Randalierer den Baum an.

Einen dieser knorrigen Äste ließ Berswordt in Bronze nachgießen. Auf dem Außengelände des Museums „Situation Kunst (für Max Imdahl)“, das zu den Kunstsammlungen der Ruhr-Uni zählt, ist das Naturdenkmal zu sehen.

Die Vergangenheit mit Krieg und Zerstörung soll sich nicht wiederholen, dafür stehe das Haus Weitmar, so Berswordt. Doch am Herzen liegt ihm nicht das Anwesen, sondern die international bedeutende Kunst, die dort gezeigt wird. „Das ist etwas, was das Ruhrgebiet hoffentlich auch in Zukunft ausmacht.“

Wer die Treppen hinaufsteigt zum Ausgang des „Museums unter Tage“ der liest die Leuchtschrift: „Nichts wird sein wie es ist“.

>> GOTTESDIENST IM SCHLOSSPARK

Im Schlosspark gibt es am Sonntag, 25. Juni 2017, einen evangelischen Gottesdienst, der vom ZDF übertragen wird. Darüber informiert die Lutherkirche in Dahlhausen.