Bochum-Wattenscheid. Kolumbianischer Kaffeebauer besucht während der Fairen Woche Wattenscheid. Weltladen-Aktivisten nehmen die lokale Politik in die Pflicht.
Seit seinem zwölften Lebensjahr ist Yinson de Jesus Aboleda Rodríguez dem schwarzen Getränk verbunden. Schon früh unterstützte er seinen Vater beim Kaffeeanbau in Sierra Nevada de Santa Marta im Norden Kolumbiens. Mittlerweile ist der 36-Jährige selbst Mitglied und aktueller Präsident der Kooperative „Red Ecolsierra“, die sein Vater mitgründete. Die Bohnen, die im letzten Verarbeitungsschritt zum flüssigen Muntermacher werden, werden in der Bergregion ökologisch und nachhaltig angebaut, kommen „fair gehandelt“ auch ins Ruhrgebiet. Seit 20 Jahren wird „Pottkaffee“ getrunken.
Klimaschutz wird Priorität
Es gab Zeiten, in denen sich die Organisatoren der 2001 erstmals durchgeführten Fairen Woche strecken mussten, um für Themen wie nachhaltige Erzeugung biologischer Waren und gerechten, zukunftsfähigen Handel eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Dieser Tage sind durch „Fridays for Future“- oder auch Rad-Demos massen- wie medienwirksame Bewegungen entstanden, die Klimaschutz und ein Umdenken fordern, um Klimawandel und Erderwärmung einzudämmen. „Wir leben im Paradies, das sollten wir der nächsten Generation erhalten“, mahnt auch Rodríguez.
Politik ist gefordert
Der Kaffeebauer steht vor dem Alten Wattenscheider Rathaus, dessen Ansicht die Verpackung des WAT-“Pottkaffees“ ziert. Zwei Wochen lang besuchte Rodríguez die Ruhrregion. Gabriele Rebbe (AG Eine Welt Wattenscheid) sagt, das fair gehandelte Pulver habe in den vergangenen 20 Jahren Einzug in viele Städte des Ruhrgebiets gefunden: „Leider aber noch nicht ins Bochumer Rathaus“, spricht die Aktivistin ein Anliegen an und fragt in Richtung Bürgermeisterin Astrid Platzmann-Scholten von den Grünen: „Können wir daran vielleicht arbeiten?“
Rebbe legt nach: „Es wäre schön, wenn Bochum die Auszeichnung zur Fairtrade-Town ernster nehmen würde. Die Kommunen um uns herum sind längst ganz anders aufgestellt und aktiver. Es passiert zu wenig.“ Das Treffen mit Kaffeebauer Rodríguez soll neuen Schub geben.
Anbau in Kolumbien
Aus erster Hand erzählt Kaffee-Kleinbauer Rodríguez über seine Heimat: „Unsere Region bietet auf 1100 bis 1200 Metern Höhe optimale Bedingungen für den Anbau. Wir bewirtschaften keine großen Plantagen, sondern kleine familiengeführte Fincas.“ Er selbst bebaut fünf Hektar, insgesamt sind 361 Familien in der Kooperative Ecolsierra organisiert. Angepflanzt wird gemischt, nicht in Monokultur. Mangobäume spenden den Kaffeepflanzen natürlichen Schatten. „Bei der Ernte verwenden wir das Fruchtfleisch der Kirschen als Dünger für andere Gewächse wieder, halten so den Kreislauf des Recyclings ein, unsere Flüsse sauber.“
Man passe auf das Land auf, das Heimat und Existenzgrundlage zugleich ist. „Der fair gehandelte Kaffee sichert uns ein gerechtes, unabhängiges Einkommen vom Weltmarkt. Der Zwischenhandel fällt weg, es gibt einen garantierten Mindestpreis.“ Dieser liege aktuell bei 1,90 Dollar pro amerikanischen Pfund (ca. 450 Gramm).
„Kaffee bedeutet Frieden“
Bienenzucht und Öko-Tourismus
Kaffeebauer Yinson de Jesus Aboleda Rodríguez besuchte das Ruhrgebiet auf Einladung des Netzwerks „Faire Metropole Ruhr“. Neben dem nachhaltigen Kaffeeanbau widmet er sich der Bienenzucht. Auch der Öko-Tourismus wird in seiner Gemeinde mehr und mehr zu einer wirtschaftlichen Säule.
Die rohen, noch grünen Bohnen werden von Kolumbien nach Deutschland transportiert und hier geröstet. Die Wattenscheider Variante des Kaffees ist seit Ende 2005 erhältlich.
Die bundesweite Faire Woche endet am Freitag (27.) offiziell, schließt in Bochum aber auch noch das Wochenende ein. In Wattenscheid sind auch der Eine-Welt-Laden Eppendorf sowie die ev. Kirchengemeinde Eppendorf-Goldhamme aktiv.
Gewinne werden in Ausbildung und die Infrastruktur der Gemeinde reinvestiert. Und sie lassen die Waffen ruhen, nennt Rodríguez viele positive Entwicklungen: „Kaffee bedeutet für uns auch Frieden nach dem Bürgerkrieg. Seit sieben Jahren erleben wir eine ruhigere Zeit, Vertriebene kehren in ihre Dörfer zurück.“
Dort steigen die Chancen auf Arbeit und Bildung, ergänzt Dolmetscherin Stefanie Hoppe: „Pro Jahr erhält die Gemeinde fünf Stipendien für die Universität.“ Auch Rodríguez drittelt seine Zeit: vormittags Grundschullehrer, dann Kaffeebauer, nebenher Fernstudent der Betriebswirtschaftslehre.
Kleinbauer hinterlässt Eindruck
Das hinterlässt Eindruck. Bürgermeisterin Platzmann-Scholten: „Als Lehrer und Bauer wissen Sie am besten, wie notwendig saubere Böden und Gewässer sind. Das ist uns hier an vielen Stellen verloren gegangen, da häufig nur die Menge des Ertrags entscheidend ist. Wir müssen uns alle an die eigene Nase fassen und etwas beitragen.“ Die Impulse sollen langfristig Wirkung zeigen. Und man werde weiter aufrütteln, kündigen Rebbe und Eine Welt-Mitstreiter Klaus-Jürgen Franke an. Richtig so, findet UWG-Mitbegründer Klaus-Peter Hülder: „Auch das ist nachhaltig.“