Bochum. Mehr Radverkehr führt zu mehr Unfällen. Forderungen nach einer Helmpflicht halten Radaktivisten entgegen: Die Infrastruktur müsse besser werden.

Am Fahrradhelm scheiden sich die Geister: notwendiges Übel, modisch nicht vertretbar, aus Sicherheitsgründen unverzichtbar. Die Meinungen gehen weiter auseinander. Fakt ist: Eine Helmpflicht für Radfahrer gibt es nicht. Und die ist nach Ansicht der Bochumer Fahrrad-Initiative „Urban Radeling“ auch nicht entscheidend.

„Helme können bei manchen Unfällen die Folgen mildern und im Einzelfall auch Leben retten“, sagt Urban-Radeling-Sprecher Jens Eschmann – und betont, beim Radfahren selbst immer einen Helm zu tragen. „Aber ein Helm verhindert keinen einzigen Unfall.“ Wichtiger für die Verkehrssicherheit sei vielmehr die Infrastruktur. Und die lasse – auch in Bochum – zu wünschen übrig. Die „Radwende Bochum“, der neben dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) sowie Vereinigungen wie Attac und BUND auch Urban Radeling angehören, fordert etwa Tempo 30 und eine Einbahnstraßenregelung auf dem Innenstadtring sowie breite Radwege auf den großen Ausfall- und Zufahrtstraßen.

500 Kilometer Radwege in Bochum

Richtig sei zwar, worauf gerade die Polizei im Rahmen ihrer jüngsten Schwerpunktkontrollen hinweist, dass die Unfälle mit Beteiligung von Radfahrern steigen. Eschmann: „Das liegt aber besonders daran, dass zunehmender Radverkehr einhergeht mit einer völlig unzureichenden Infrastruktur.“

Der Fahrradhelm und die mögliche Pflicht, ihn zu tragen, bleiben ein Streitpunkt.
Der Fahrradhelm und die mögliche Pflicht, ihn zu tragen, bleiben ein Streitpunkt. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Die Kritik daran sei nicht ganz unberechtigt, räumt Stadtsprecher Thomas Sprenger ein. „Aber wir wollen den Radverkehr in Bochum stärken und denken bei jeder Straßenbaumaßnahme mit, egal ob bei Neu- und Umbau.“ Und zumindest in „nackten Zahlen“ sieht die Radweg-Bilanz der Stadt gar nicht so schlecht aus. Bei insgesamt etwa 1000 Kilometern städtischen Straßen, dazu kommen noch weitere 250 Kilometer Landesstraßen, gebe es geschätzt 500 Kilometer Radweg – „300 Kilometer Alltagsradwege und weitere 200 Kilometer Freizeitradwege“, so Sprenger. Und es sollen noch mehr werden, so der Stadtsprecher. Dazu kämen weitere Maßnahmen aus der jüngeren Vergangenheit wie Fahrradgaragen, E-Ladestationen und Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.

Kein gemeinsamer Geh- und Radweg

Indes scheiden sich auch an Neubauprojekten die Geister: Während etwa die Stadtverwaltung für die Königsallee eine Lösung mit einem gemeinsamen Rad- und Fußweg vorbereitet, wie Stadtbaurat Markus Bradtke unlängst angekündigte, halten Kritiker eine solche Lösung für den falschen Ansatz. Gemeinsame Geh- und Radwege seien ein „Unding“. Sie führten nicht nur zu Konflikten zwischen beiden Gruppen, „sondern bergen auch erhebliche Unfallrisiken“, so Jens Eschmann.

Geh- und Radweg trennen

Bemerkenswert ist aus Sicht der Radaktivisten, dass es in der Radhochburg Niederlande, wo kaum ein Fahrradfahrer einen Helm trägt, „anteilig die weltweit wenigsten getöteten und schwer verletzten Radfahrer“ gibt.

Will sagen: Je besser der Raum für Radfahrer – getrennt vom motorisierten Verkehr, aber auch vom Fußgängerweg – desto größer ist die Sicherheit.

Wie immer die Einschätzung zur Qualität des Bochumer Radnetzes aussieht, die Haltung der Stadt zum Thema Fahrradhelm ist unmissverständlich: „Wir appellieren an jeden, egal ob er Fahrrad oder E-Scooter fährt, einen Helm zu tragen“, so Thomas Sprenger.

Helmpflicht wäre kontraproduktiv

Appell – „schön und gut“, sagen die Radaktivisten. Aber von einer Helmpflicht raten Urban-Radeling-Sprecher Jens Eschmann und seine Mitstreiter ab: „Eine Helmpflicht, die auch kontrolliert wird, führt nachweislich zu einer Abnahme des Radverkehrs“, wie sich in Australien gezeigt habe. Und genau das wollen die Frauen und Männer der Fahrrad-Initiative natürlich nicht.