Bochum. Die WAZ öffnet Pforten – diesmal ist es die eigene: Eine Leserin konnte einen Arbeitstag in der Redaktion erleben. Das Staunen war groß.

„Ich bin ein Fan von Ihnen :)“, offenbarte Hannelore Gumb in ihrer Bewerbung. Der angesprochene Redakteur fühlt sich geschmeichelt – und darf zuversichtlich sein, in der Gunst der Leserin zumindest nicht gesunken zu sein. Zu vielfältig, zu beeindruckend, zu aufschlussreich war der Tag, den die 63-Jährige in dieser Woche in der WAZ-Redaktion verbringen konnte.

Die WAZ öffnet im Sommer Pforten. Diesmal ist es die eigene, als Hannelore Gumb am Dienstag zum Dienstbeginn um 9 Uhr die Redaktion betritt. Zeitungsleserin aus Leidenschaft sei sie, schwärmt die Beamtin im Vorruhestand. Kein Morgen ohne die WAZ, und zwar ausdrücklich in gedruckter Form. „Mit dem Internet hab’ ich’s nicht so.“

Lokalteil ist für die Leserin das Herzstück

Dass ihre Zeitung schon früh um 3 Uhr daheim am Castroper Hellweg bereit liegt, findet die Gertherin „unglaublich“. Anders als die „immer interessanten und seriösen“ Berichte, die sie so intensiv liest, dass sie die wichtigsten Themen der vergangenen Tage locker benennen kann. Es sind ausschließlich Bochumer Berichte. „Der Lokalteil ist für mich das absolute Herzstück.“

Wie der entsteht, will Hannelore Gumb heute ganz genau wissen. Für einen Arbeitstag wechselt sie die Seite, wird von der Leserin zum Teil des WAZ-Teams im vierten Stock an der Huestraße. „Das wird spannend“, sagt sie. Wer weiß schon, warum an einem Tag immer exakt so viel passiert, wie in die Zeitung passt?

Themenwechsel im Stundentakt sind Alltag

Acht Stunden später ist sie schlauer. Und staunt: „Wahnsinn, welches Pensum die Redaktion leistet!“ Dabei ist es für Jürgen Stahl, den die Leserin bei ihrem „Praktikum“ begleitet, ein vergleichsweise entspannter Tag.

Hannelore Gumb ist dabei, als der WAZ-Redakteur

am Morgen die aktuellen Mails und Nachrichtenlage checkt und erste Recherchen anschiebt,

um 10 Uhr ein Interview mit einer jungen Bochumerin führt, die erzählt, in Dortmund in die Fänge einer asiatischen Sekte geraten zu sein (die Recherchen dauern an),

um 11 Uhr zur Steh-Konferenz bei Redaktionsleiter Thomas Schmitt eilt, um den Tag, die Ausgabe, insbesondere den Online-Auftritt zu besprechen,

am späten Vormittag die Geschichte des Bochumer Youtubers Chris nachzeichnet, der am Vorabend aus dem Promi-Big-Brother-Container geflogen war und im Netz viral geht (die Leserin nennt ihn „den Durchgeknallten“),

mittags für die Gesundheitsseite ein Reformhaus in der Innenstadt besucht,

sich am frühen Nachmittag u.a. um die ominösen Teerfunde in Hiltrop, den aktuellen Zeltfestival-Bericht über Felix Lobrecht und nicht zuletzt um Hannelore Gumb kümmert,

bei der 15-Uhr-Konferenz mit den Kollegen den nächsten Tag plant,

anschließend endlich zum Schreiben kommt und

kurz vor Toresschluss ein Interview vorbereitet, das er am Abend beim Leser-Startreffen beim Zeltfestival Ruhr mit Sänger Andreas Bourani führen wird.

Mit WAZ-Redakteur Jürgen Boebers-Süßmann besuchte Hannelore Gumb die Sommerausstellung des Bochumer Künstlerbundes im Haus Kemnade. „Da war ich noch nie“,sagt sie.
Mit WAZ-Redakteur Jürgen Boebers-Süßmann besuchte Hannelore Gumb die Sommerausstellung des Bochumer Künstlerbundes im Haus Kemnade. „Da war ich noch nie“,sagt sie. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Pensum erstaunt: „Das ist ja irre!“

Ständige Telefonate und E-Mail-Verkehr sind nicht eingepreist. Große Entlastung: Anders als am Vortag, als der Fund einer Panzergranate in Riemke kurzfristig die Planung durcheinanderbrachte, melden Polizei und Feuerwehr am Dienstag bis zum Abend keine größeren Un-, Überfälle oder sonstigen Katastrophen.

„War relativ ruhig heute“, sagt der Redakteur zum Abschied. „Ruhig!?“, entgegnet Hannelore Gumb. Als „irre“ empfindet sie den journalistischen Alltag. „Das erkennt man als Leser ja gar nicht so.“ Dabei habe sie ja nur einen Arbeitstag mit Themenwechseln im Stundentakt erlebt. „Und was haben Sie in den Tagen davor alles geschrieben! Die Hautkrebskranke und die gestohlenen Papageien, die Ausbildungsoffensive und die Respekt-Kampagne der Stadt, die Dinosaurier und WAZ-Pforten, die Klinikclowns, das Zeltfestival oder Bang Boom Bang. Ich sag’s ja: irre!“

Fanclub-Gründung ist nicht geplant

Wenn sie fortan die Zeitung liest, werde sie noch mehr zu schätzen wissen, welche Köpfe, welche Leistung, welche Planung und welche Leidenschaft für den Beruf hinter den Artikeln stecken, lobt Hannelore Gumb.

Einen Fanclub will sie deshalb nicht gründen. Besser so.