Bochum. 4000 Besucherinnen und Besucher strömten zum Theaterfest ins Schauspielhaus. Nostalgisches Wiedersehen mit legendären Intendanten.
Mit einem bunten Familien- und Theaterfest feierte das Schauspielhaus gestern seinen 100. Geburtstags. Zum Auftakt lockte bei frischem Frühlingswetter die Bläsergruppe der Bochumer Symphoniker bereits am Vormittag die ersten Gäste auf den Hans-Schalla-Platz. Und am Nachmittag schnitt Intendant Johan Simons persönlich die riesige Geburtstagstorte an.
Immer dicht umlagert war der Bonbon-Stand von Elly Altegoer, der im Foyer aufgestellt worden war. Die Bochumerin führte bis 2013 ihr Tante-Emma-Lädchen an der Farnstraße, das in 45 Jahren zum inoffiziellen Wohnzimmer von Intendanten, Schauspielern, Mitarbeitern und Freunden des Schauspielhauses geworden war. „Ich war überglücklich, als ich gebeten wurde, beim Theatergeburtstag dabei zu sein“, verriet die Bochumerin, die am 7. Juni 80 wird.
Theaterquiz und Kuchen
Den ganzen Tag über wurden im Theater verschiedene Mitmachaktionen geboten, dazu gehörten ein Speed-Dating mit dem neuen Ensemble, ein Schauspielhaus-Quiz („Wie hieß Tana Schanzara mit richtigem Namen?), Kostümverkauf und Kinderschminken sowie einer Lesung von Franz Grillparzers „Des Meeres und der Liebe Wellen“ – mit der Aufführung dieses Dramas durch den Gründungsintendanten Saladin Schmitt begann am 15. April 1919 die Geschichte des Stadttheaters.
Zwei weitere Hundertjährige
Nicht nur das Schauspielhaus wird in diesem Jahr 100 Jahre alt, sondern auch die Bochumer Symphoniker und das Stadthistorische Museum.
Die BoSy feiern den großen Geburtstag mit einem musikalisch-unterhaltsamen Festwochenende rund um den 20. Mai. Das Jubiläum im Stadtmuseum steht im Dezember an.
Am Samstagabend hatte der offizielle Festakt viel Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur des Ruhrgebiets nach Bochum gelockt. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) betonte die Bedeutung von Bochums Bühne für die kulturelle Strahlkraft des Landes NRW, Intendant Johan Simons sprach von der „großen Herausforderung“, die sich für ihn als Künstler stelle: „In Bochum ist man irgendwie am Rand, und doch in der Mitte der Welt!“ Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) schloss seine Ansprache mit der Aussage „Bochum kann verdammt stolz sein auf sein Schauspielhaus!“
Wiedersehen mit vielen alten Bekannten
Zuvor hatte es eine Gesprächsrunde gegeben, bei der Ex-Intendanten ihre Bochumer Zeit Revue passieren ließen. Das Publikum feierte dankbar ein Wiedersehen mit Theatergrößen wie Leander Haußmann (der sich während des Talks zweimal Bier bringen ließ), Matthias Hartmann, Anselm Weber, Elmar Goerden, Olaf Kröck und Reinhild Hoffmann, die Bochum in den 1980er Jahre zu einer führenden Bühne für Tanztheater in Deutschland gemacht hatte.
Am Samstagabend folgte vor vollem Haus die Jubiläumsaufführung des Liederabends „O, Augenblick“, der 100 Jahre Schauspielhaus unterhaltsam und schräg zugleich feiert. Auch hier wirkten die Intendanten in Cameo-Rollen mit. Nach Ende der Vorstellung stimmten zum emotionalen Abschluss des langen Abends das Ensemble, die Theatermitarbeiter und das Publikum das Bochumer Jungenlied an. Gänsehaut mit „Pfiff“!
>>> Foyernotizen von Festwochenende
Schwänke aus der Jugend
Mit Spannung erwartet wurde die Runde mit den Ex-Intendanten. Alle waren erschienen, außer Frank-Patrick Steckel und der erkrankte Claus Peymann, der vom Dramaturgen Hermann Beil vertreten wurde. Anselm Weber erzählte, wie ihn der Schauspielhaus-Aufsichtsrat sehenden Auges ins „Minenfeld“ der Finanzierungslücke habe laufen lassen. Und Matthias Hartmann gab nochmals den Schwank über seine Berufung zum Besten. Er habe in München gesessen und „immer auf den einen Anruf aus Bochum gewartet“. Aber der sei ausgeblieben. Also griff er eines Tages selbst zum Hörer und ließ sich zum damaligen Kulturdezernenten Hans-Georg Küppers durchstellen. „Warum rufen Sie mich nicht an, dass ich nach Bochum komme?“, fragt Hartmann ungeduldig. Küppers entgegnete trocken: „Ich wollte mal sehen, wer von uns Beiden länger durchhält!“
Leander bleibt Leander
Ein Wiedersehen nach langer Zeit hat immer etwas Überraschendes, „wir sind alle älter geworden“, hieß es öfters. Leander Haußmann kokettiert mit der Tatsache, dass er demnächst 60 wird; aber am meisten kokettierte er mit seiner Lebensrolle als ewiges Enfant terrible. Leander ist ein Showman geblieben, auch seinen Charme hat er bewahrt. Und das Publikum liebt ihn dafür.
Erinnerungen an den Tanz
Fast schon zurückhaltend dagegen Reinhild Hoffmann. Die 75-Jährige hatte zur Steckel-Zeit eine Tanzkompagnie aufgestellt. „Leider kam es nicht zu einer Verschmelzung der Schauspiel- und des Tanzsparte“, bedauerte sie. Was auch daran gelegen habe, dass es damals, Mitte der 80er, keine Stücke für beide Darstellungsformen gab. Später, als Hoffmann nicht mehr in Bochum war, gelang dann doch so eine Produktion: mit Peter Handkes „Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“, 1993, Regie Jürgen Gosch, an die mehrfach erinnert wurde.
Party bis nach Mitternacht
Später stieg die Tanzparty im oberen Foyer, es wurde mit Sekt angestoßen und es gab Mitternachtsschnittchen. Johan Simons machte im grünen Anzug zum blau changierenden Hemd eine souveräne Figur. Bald hatten sich fast alle Promis schon verabschiedet, nur einer hielt durch: Leander Haußmann. Aufgeräumt wie eh und je genoss er das Bad in der Bochumer Menge. Und nahm für ein selbst gefilmtes Handy-Video als Erinnerung mit.