Bochum. . Seit Freitag ziehen über 450 Mitarbeiter des Land-, des Amts- und des Arbeitsgerichts in die neuen Büros am Ostring. Mit mehr als 20.000 Kartons.
- Mehr als 450 Beschäftigte des Land- Amts- und Arbeitsgerichts ziehen am Wochenende ins neue Justizzentrum um
- 65 Mitarbeiter einer Berliner Umzugsfirma erledigen diese enorme Aufgage – mit mehr als 20.000 Kartons
- Rund 10000 Kubikmeter Mobiliar wurden bereits vorher in das neue, 146 Millionen Euro teure Gebäude gebracht
Der Hausherr kommt diesmal ausnahmsweise nicht mit Schlips und Anzug zur Arbeit. Wenn mehr als 450 Kollegen mit ihren kompletten Arbeitsplätzen umziehen, ist eine luftigere Garderobe doch passender. Und seine private Kamera hat Landgerichtspräsident Hartwig Kemner (64) normalerweise auch nicht an der Schulter hängen – diesmal hat er das. Schließlich erlebt Bochum so einen Riesenumzug nicht alle Tage. Land-, Amts- und Arbeitsgericht machen sich auf ins neue Justizzentrum am Ostring – mit mehr als 20 000 Kartons.
Pizza im Schwurgerichtssaal
Wo sonst morgens eine Besucherschlange vor dem Haupteingang wartet, stehen jetzt Umzugslaster und Laderampen. Rollbretter und fahrbare Gitterboxen düsen über die Flure. Es ist ein Schieben und Heben, ein Räumen und Sortieren. „Ich transpiriere heute unglaublich“, sagt eine Mitarbeiterin im Flurtrakt der Strafkammern. Dort sieht es jetzt genauso trostlos leer aus wie in den Gerichtssälen, die mehr als vier Jahrzehnte lang so viel Leid und Elend erlebt haben, so viele Tränen, Schmerzen, Ängste und Geständnisse, dass sonst wohl nur ein Beichtstuhl im Vatikan da mithalten kann. Allen voran der Schwurgerichtssaal, der Saal für Mord und Totschlag: Wo sonst „lebenslänglich!“ verhängt wurde, aßen jetzt die Juristen Pizza – zum Abschied.
Ein letztes Mal blicken Justizwachtmeister auch in die Vorführzellen. „Ein Mann ohne Knast ist wie ein Baum ohne Ast“, hat ein philosophierender Häftling an die Wand gekritzelt. Ein anderer schrieb auf die Holzpritsche: „Ich war hier am 2. Oktober 2013.“ Es folgt ein obszöner Gruß. Es sind Dokumente der Einsamkeit, Ohnmacht, die dort massenhaft an den Zellenwänden stehen. Jetzt verschwindet das alles auf Nimmerwiedersehen in der Vergangenheit.
„Ich freue mich auf ein architektonisch schönes, von der Arbeitsergonomie besser konstruiertes, hochtechnisches Gebäude“, sagt Landgerichtspräsident Kemner über das neue Justizzentrum. 146 Millionen Euro hat der Neubau gekostet. Mehrfach gab es Probleme, so dass die Bauzeit fünf und nicht wie geplant drei Jahre gedauert hat.
Umzug ist auch ein IT-Thema
Der Cheforganisator des Umzugs heißt Kai Sticher, Geschäftsführer der Berliner Logistik-Firma Grohmann. Mit 65 Kräften ist er nach Bochum gereist. Bis Sonntagabend müssen sie 450 Arbeitsplätze komplett abbauen, mit ihren sieben 7,5-Tonnern alles über den West- und Nordring transportieren und am Ostring wieder aufbauen. „Das ist die größte Herausforderung“, sagt Sticher. „Umzug ist mittlerweile auch ein IT-Thema, weil zur Arbeitsfähigkeit die funktionierenden Rechner und der Zugriff auf die Datenbanken notwendig sind. Früher waren es nur Tisch, Stift, Stuhl und Papier.“ Am Umzug beteiligt sind zwei spezielle IT-Teams.
Bereits vor dem Mitarbeiterumzug hatte die Firma 10 000 Kubikmeter neue Möbel in die Büros geschleppt. Und nach dem Hauptumzug warten schon gleich die nächsten Kraftakte: Vom 3. bis 5. November ziehen die fast 300 Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft um. Und schließlich steht noch die Entsorgungsphase an: 5000 Kubikmeter altes Arbeitsplatzmobiliar muss aus dem 14 Etagen hohen Altbau raus – bei nur zwei kleinen Fahrstühlen. Sticher: „Bis Mitte Dezember werden wir im Einsatz sein.“
Neues Justizzentrum öffnet erst am Dienstag
Die Justizbeschäftigen selbst helfen beim unmittelbaren Umzug nicht mit, das ist nur den Umzugsexperten überlassen. Am Montag (23.) sind die Gerichte im neuen Justizzentrum noch für die Öffentlichkeit geschlossen. Erst am Dienstag (24.) öffnen sie. Es wird dann auch schon verhandelt. Als Lotsendienst gibt es einen Service-Point im Foyer.