Bochum. In diesem Jahrzehnt hat sich die Zahl der neuen Diagnosen von HIV in Deutschland mehr als verdoppelt. Ähnliches gilt für Krankheiten wie Syphillis oder Chlamydien. Das ist die bittere Erkenntnis der Mediziner, die bei einem Kongress in Bochum über sexuell übertragbare Krankheiten redeten.
Ansteckend sind die Krankheiten, um die es bis jetzt bei einer Fachtagung im Hörsaalzentrum des St. Josef-Hospitals gegangen ist. Ansteckend aber auch die Diskussionsfreude der rund 250 teilnehmenden Experten. Sie tauschten sich lange und intensiv aus und sprachen angeregt noch nach dem Veranstaltungsende. Bei der Jahrestagung der Deutschen STD-Gesellschaft standen sexuell übertragbare Erkrankungen im Mittelpunkt der Diskussionen. Die Jahrestagung fand zum ersten Mal in Bochum statt, Gastgeber war die Dermatologische Klinik St. Josef-Hospital, zu den Tagungsleitern gehörte Prof. Dr. Norbert Brockmeyer, Sprecher des Kompetenznetzes HIV/Aids und Direktor für Forschung und Lehre.
Es gibt Grund zur Sorge, es gibt aber auch Grund zur Hoffnung – das hat sich an den insgesamt drei Kongresstagen gezeigt. In diesem Jahrzehnt habe sich die Zahl der neuen Diagnosen von HIV in Deutschland mehr als verdoppelt, von 1 400 auf 3 000. Ähnliches gelte für sexuell übertragbare Krankheiten wie Syphillis oder Chlamydien. „Eine gewisse Müdigkeit, was die Umsetzung von Schutzmaßnahmen betrifft, ist zu beobachten”, sagt Brockmeyer. Sicherlich sei HIV inzwischen besser behandelbar, aber diese Erkenntnis führe auch dazu, dass die Angst vor einer Ansteckung nicht mehr so groß sei. „Aids gilt bei einigen Menschen einfach als chronische Krankheit.”
Es ging um neue Therapiestrategien
Die Experten, darunter auch einige aus dem Ausland, haben in Bochum neue Therapiestrategien besprochen, um die zunehmende Resistenz von Antibiotika bei einigen Geschlechtskrankheiten zu beherrschen, außerdem ging es um Impfstoffe und neue Präventionswege. „Bei der AG Sexuelle Gesundheit haben wir ethische Bedingungen für die Prävention definiert”, sagt Brockmeyer, „auch interdisziplinär”. Soll heißen: Verschiedene Mediziner sind beteiligt: Dermatologen, Gynäkologen, Urologen, Internisten und einige mehr. Außerdem wurde über die psychosozialen Rahmenbedingungen des Themas sexuelle Gesundheit diskutiert.
Weiterer Schwerpunkt: Gebärmutterhalskrebs und Erkrankungen wie Penis- bzw. Analkarzinome, ausgelöst durch so genannte Humane Pappilom-Viren (HPV). „In Deutschland herrscht eine allgemeine Impfmüdigkeit. Wir müssen mehr und bei einigen Krankheiten früher impfen, damit die Menschen geschützt sind und das Gesundheitssystem von den Kosten der Erkrankungen entlastet wird”, sagt Brockmeyer. Ziel sei, die Mädchen schon bei den Kinderärzten gegen HPV zu impfen, weil sie als Heranwachsende häufig erst sehr spät zum Gynäkologen gingen. „Wir möchten sie aber schon vor dem ersten Geschlechtsverkehr schützen.”