Bochum. Christa Stadtlers Trinkhalle versorgt die Hiltroper seit fast 50 Jahren. Früher war das Gebäude der Pferdestall des ehemaligen Hiltroper Polizeipostens.
Wer’s nicht weiß, der kann’s nicht ahnen. An der Hiltroper Straße 361, wo seit fast 50 Jahren Kippen, Klümpchen, Konserven und Co. die Durchreiche passieren, scharrten einst die Hufe. Nicht metaphorisch, wahrhaftig. Statt Kiosk-Klatsch im Kohlenpott-Klang wurde fürs Gesetz gewiehert. Christa Stadtlers Trinkhalle steckt im ehemaligen Stall der Pferdestaffel des Polizeipostens Hiltrop, voller geschichtsträchtiger Erinnerungen und – natürlich – Budenzauber.
Die 75-jährige Inhaberin war immer hautnah dabei: „1950 sind wir mit der Familie hier hoch gezogen. Mein Vater, Heinrich Gesing, kam als Polizist und Hundeführer nach Hiltrop.“ Die Pferdestaffel wurde mit der Zeit verlegt, der Stall umgebaut – die Bude war geboren. Am 27. Mai 1966 eröffnete Lotte Gesing, die Gattin des „Dorfpolizisten“ Heinrich und Stadtlers Mutter, den „Tante-Emma-Laden“, der bis heute Charme und Waren bietet. Frische Zwiebeln, Eier und Kartoffeln, Rotkohl und Apfelmus aus dem Glas, Erbsen und Möhren aus der Dose, Käse, Wurst – alles da. Auch Hund und Katze kommen auf ihre Kosten, Heu und Streu retteten sicherlich schon manchem Nager den Abend.
Einzigartige Budenkultur
Während das Lädchen nach wie vor die geschätzte Vertrautheit verströmt, hat sich drumherum einiges geändert: „Als mein Vater zu Fuß seine Runden drehte, kam man hier noch zusammen. Nach Festen vom Schützenverein wurde oft im Garten hinterm Kiosk weiter gefeiert und gegrillt.“ Die Polizeiaußenstelle und ein Stück Gemeinschaft blieben auf der Strecke. Dafür brachte die A43 neue Kundschaft zum Kiosk, der im Mai das halbe Jahrhundert vollendet. Stadtler war immer dabei: „Als meine eigenen Kinder noch klein waren, hab‘ ich meiner Mutter erst stundenweise geholfen.“
Ihrer Tochter, Martina Rysi (50), hat sie es nun mit zu „verdanken“, dass sie kurz im lokalen Rampenlicht steht: „Wir mussten schon etwas Überzeugungsarbeit leisten, bis sie einverstanden war“, amüsiert sich Rysi. Dabei lebt die Trinkhallen-Tradition hier in Bestform: „Sie ist immer für ihre Kunden da, erfüllt Sonderwünsche und fungiert oft als Kummerkasten“, beschrieb Leserin Claudia Zimniok (54) der WAZ den Kiosk. „Diese einzigartige Budenkultur kannte ich bis zu meinem Umzug vom Schwarzwald ins Ruhrgebiet überhaupt nicht.“
"Nicht der Typ, der die Füße hochlegt"
Welchen Einsatz Oma Lotte und Mutter Christa schon immer zeigten, veranschaulichen Rysis Kindheitserinnerungen: „Selbst an Weihnachten wurden die beiden herausgeklingelt, wenn jemand noch schnell ‘ne Schachtel Zigaretten oder eine Kiste Bier brauchte.“ Auch manch Mittagessen verließ die Familienküche: „Wenn ich hinten im Anbau Reibeplätzchen gemacht habe, fragten die Arbeiter: ‚Wat duftet dat denn hier so gut?‘ Dann gab’s auch mal eins umsonst mit auf die Hand“, erzählt Stadtler, die mittlerweile seit fast 20 Jahren alleine die Verantwortung trägt.
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Ihre Stammkundschaft kennt sie zum Teil von Kindesbeinen an: „Früher haben sie sich selbst die gemischte Tüte geholt, heute kommen sie mit ihren Töchtern und Söhnen.“ Geht’s nach ihr, soll das auch so bleiben: „Ich bin nicht der Typ, der die Füße hochlegt. Wer rastet, der rostet. Erst wenn ich keine Lust mehr hab, oder die Gesundheit schlapp macht, lass ich hier die Rollladen runter.“ Wenn man sieht, wie fix die 75-Jährige auf den Beinen und am Fenster ist, wenn die Kundenklingel ertönt, wird klar: Das wird zur Freude Hiltrops noch einige Jahre dauern.