Bochum. Allein die Unterbringung von Flüchtlingen verlangt der Stadt und deren Einwohnern eine Kraftanstrengung ab. Wichtig ist die gleichmäßige Verteilung.

400 Teilnehmer zählte die Info-Veranstaltung zur Flüchtlingseinrichtung am Nordbad in Harpen. Die zum Teil hitzige Debatte offenbart, dass die Vorbehalte vor allem gegen große Unterkünfte wachsen und viele Frage unbeantwortet sind. Die WAZ fasst zusammen, was viele Bochumer noch beschäftigt.

Die Bedenken in Rosenberg

Kritiker fürchten um den sozialen Frieden, zumal die Strukturen für eine gelungene Integration wie ausreichende Kita-Plätze, eine Grundschule oder Nahversorgungseinrichtungen fehlten. Vor allem Frauen fürchten um ihre Sicherheit, befürchtet wird aber auch ein Zulauf bei rechtsextremen Gruppen.

Empfehlung: Nur 200 Flüchtlinge

Der Rat entscheidet an diesem Mittwoch über den Verwaltungsvorschlag „Errichtung von mobilen Wohnanlagen zur Flüchtlingsunterbringung, Standort Nordbad“. Vorgesehen im Haushalt sind dafür 12,6 Mio Euro. Die Sitzung beginnt um 15 Uhr im Rathaus.

Die Bezirksvertretung Nord hat die Anschaffung der Modulbauten am Dienstag ebenso gebilligt wie den Standort Nordbad. Dort sollten aber, so die einstimmige Empfehlung an den Rat, nicht mehr als 200 Flüchtlinge untergebracht werden.

Was sagen die Befürworter?

„Ich schäme mich für das, was hier heute abgeht“, sagt die 23-jährige Vivian, die von der Bekanntschaft mit drei Flüchtlingsfamilien und von guten Erfahrungen berichtet und die dafür ebenso großen Applaus bekommt wie die 15-jährige Michelle, die sagt, Frauen könnten ebenso von einem Deutschen wie von einem Flüchtling angegriffen werden. „Sie werden sich wundern, wenn Sie Flüchtlinge kennen lernen und erfahren, wie Sie auch von ihnen profitieren können“, sagt ein dunkelhäutiger Mann, Doktor der Chemie und Vater dreier Kinder, der in Harpen wohnt und der ermutigt, auf Flüchtlinge zuzugehen. Aber auch er mahnt: „Ich vermisse einen Plan. Wenn Sie die Menschen in Harpen nicht einbeziehen, dann kreieren sie soziale Spannungen.“

Werden die Flüchtlinge gleichmäßig auf alle Bezirke verteilt?

„Das ist unser Anspruch“, heißt es in der Verwaltung. Gleichwohl gibt es Unterschiede.

Wo kommt das Geld her für Infrastruktur und Betreuung?

10.000 Euro erhält Bochum vom 1. Januar an jährlich für jeden Flüchtling – Stand jetzt gut 40 Millionen Euro allein 2016. Das aber reicht nicht, selbst ohne Integration werden die Kosten pro Flüchtling auf jährlich 18.000 Euro geschätzt.

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Woher stammen die Flüchtlinge?

Von den 4000 Menschen aus 60 Ländern, die Ende 2015 in städtischen Einrichtungen untergebracht waren, kommen 1359 aus Syrien. Die größten Gruppen dahinter: Serbien (340) und Albanien (292).

Wie sind sie untergebracht?

1400 Personen leben in Wohnungen, 1600 in größeren Einrichtungen und 1000 in Turnhallen.

Weitere geplante Einrichtungen?

Bis zum Sommer sind die folgenden zwölf Einrichtungen in Leichtbauhallen, mobilen Wohnanlagen und angemieteten Objekten mit insgesamt 2200 Plätzen fest geplant: Girondelle (Wiemelhausen, 180 Plätze), Bessemer Straße/Antoniusstift (Mitte, 90), Bövinghauser Hellweg (Gerthe, 120), Kollegstraße (Querenburg, 336), Auf dem Esch (Wattenscheid, 336), Auf der Heide (Altenbochum, 248), Am Kuhlenkamp (Weitmar, 224), Emil-Weitz-Straße (Wattenscheid, 280), Herzogstr. (Hofstede, 136), Lewacker Straße (Linden, 112), Wuppertaler Straße (Linden, 120), Röhlinghauser Straße (Hordel, 120). Zudem werden gut 2000 weitere Plätze gesucht.

Plumpe Parolen helfen nicht weiter - Ein Kommentar von Andreas Rorowski 

Befürworter und Kritiker, abwägende Äußerungen und plumpe Parolen – in der Info-Veranstaltung am Montagabend in Harpen ging es hoch her. Gut 400 Menschen bei einem Treffen dieser Art, das hat die Stadt bislang noch nicht gesehen, und das zeigt, wie sehr das Thema Flüchtlinge auf den Nägeln brennt.

Offenbart hat sich auch, dass angesichts der Zahlen und der immer neuen und immer schnelleren Suche nach Standorten die Stimmung zu kippen droht. Nicht die Tatsache, dass Anwohner die Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften in ihrem Sprengel für falsch halten, ist dabei das Problem. So hat es einige gute Argumente dafür gegeben, den Rosenberg nicht zu sehr zu belasten.

Körperliche Schmerzen verursachen indes dumpfe und haltlose Parolen, zumal sie nicht zur Lösung beitragen. Dass wir Menschen in Not ein Dach über den Kopf anbieten, ist unabweisbar, und diese Aufgabe gerecht zu verteilen, ist unabdingbar. Nur fürs Protokoll: Das gilt auch für den Autor. 300 Meter Luftlinie von dessen Wohnort wird eine Unterkunft für mehrere hundert Flüchtlinge gebaut. Was muss, das muss.