Bochum. . Kostenübernahme wird vom Gutachten des Gesundheitsamts abhängig gemacht. Daran wird immer wieder Kritik geübt. 63-Jährige bleibt auf 1750 Euro sitzen.

Sandra Wett hatte Erfolg: Nachträglich überwies ihr das Jobcenter die Umzugskosten. Eine 63-jährige Hofstederin musste einen Kredit aufnehmen: Ihr wird die Unterstützung für ihre neue Wohnung verwehrt. „Zurecht“, wie die Behörde gegenüber der WAZ bekräftigt.

Eigene Stelle befasst sich mit Widersprüchen

Widerspruchsverfahren werden beim Jobcenter von einer gesonderten Rechtsstelle bearbeitet, die in der Regel mit Juristen besetzt ist.

141 Gutachten hat das Gesundheitsamt im vergangenen Jahr für Anträge auf Umzugskostenbeihilfe erstellt.

Das Jobcenter betont: „Keine Entscheidung gilt für die Ewigkeit. Ein neues Gutachten ist möglich, wenn sich die gesundheitliche Situation verändert.“

Für Sandra Wett hatte das Leiden im Juni ein Ende. Über ein Jahr hatte die zweifache Mutter mit dem Jobcenter vergeblich um die Übernahme der Kosten für ihren Wechsel aus einer Dach- in eine Erdgeschosswohnung gekämpft. Obwohl ihr ein Facharzt einen Wirbelsäulenschaden attestiert und dringend eine neue Bleibe empfohlen hatte, brauchte es nach einem WAZ-Bericht ein zweites medizinisches Gutachten, ehe das Jobcenter grünes Licht gab. „Der Arzt beim Gesundheitsamt hatte anfangs nur gemeint: ,Stellen Sie sich mal nicht so an’“, sagt Sandra Wett.

Straßenlärm als Umzugsgrund

Von ähnlichen Erfahrungen berichtet die 63-jährige Leserin, die ihren Namen wegen einer psychischen Erkrankung nicht in der Zeitung lesen mag. Gleichfalls im Widerspruchsverfahren hatte sie ein Attest eines Neurologen vorgelegt, der bescheinigt, dass sie unter dem Straßenlärm daheim „sehr leide“. „Einzig wirksame Abhilfe“ sei ein Auszug aus der überlauten Wohnung. „Der Amtsarzt ist bei der Untersuchung auf meine Krankheit und das Attest in keiner Weise eingegangen“, schildert die Leserin. Entsprechend negativ fiel der Bescheid des Jobcenters aus: „Der Widerspruch wird als unbegründet zurückgewiesen“, heißt es daran.

Auch interessant

„Werden gesundheitliche Gründe für einen Umzug aufgeführt, ist die Expertise des Gesundheitsamtes für uns bindend. In der Regel halten wir uns an die Empfehlung. So war es auch in diesem Fall“, erklärt Jobcenter-Sachbearbeiter Carsten Jahn. Wie häufig Anträge abgelehnt werden, werde statistisch zwar nicht erfasst. „Angaben wie ,meine Wohnung ist mir zu laut’ reichen aber nicht aus, um eine Beihilfe für einen Umzug zu gewähren“, betont Carsten Jahn.

Ärztliches Attest empfehlenswert

Gute Chancen hätten hingegen Hartz-IV-Empfänger (davon gibt es in Bochum 41.293 in 22.299 Bedarfsgemeinschaften), deren Familien sich etwa durch eine Geburt oder Heirat vergrößern oder die krank oder pflegebedürftig werden. „Empfehlenswert“, so John, „ist dabei ein ärztliches Attest.“

So wie bei Sandra Wett, die den Amtsarzt von ihrem Rückenleiden überzeugen und auf Kosten des Jobcenters umziehen konnte. Anders als bei der 63-jährigen Leserin. Ihrer Gesundheit zuliebe ist sie im Juli von Linden in eine ruhigere Bleibe in Hofstede umgezogen. Auf den Rechnungen in Höhe von 1750 Euro bleibt sie sitzen. „Das Geld muss ich jetzt abstottern.“