Bochum. Bochum-Geschäftsführer Kaenzig glaubt, dass Schalke bei der Sportdirektor-Suche mehr Geld zahlen kann - und warnt im Streit ums TV-Geld.

Dies ist der zweite Teil des großen Interviews mit Ilja Kaenzig, dem Sprecher der Geschäftsführung des VfL Bochum. Teil eins über die Fehler der Vergangenheit und die Planungen für den Transferwinter lesen Sie hier.

Wie weit würde ein Abstieg in die 2. Bundesliga den VfL Bochum zurückwerfen?

Wir hätten bei einem Abstieg einen Umsatz von rund 60 Millionen Euro. Als ich angefangen habe, waren wir bei 30 Millionen Euro. Auch der Lizenzspieleretat wäre konkurrenzfähig. Die Mannschaft wäre allerdings weitgehend neu. Das Schlimmste wäre aber die zweite Liga an sich. Diese Liga ist immer dann klasse, wenn man selbst nicht dabei ist. Das müssen der Hamburger SV, der 1. FC Köln, Hertha BSC oder Schalke 04 derzeit erleben. Es drängen immer mehr Klubs in die Top 25 in Deutschland, der KSC oder Holstein Kiel etwa. Die zweite Liga ist unberechenbar.

Sie haben sich zuletzt mit Mainz 05 und dem FC Augsburg verglichen, auf der anderen Seite wollen immer mehr Klubs oben mitspielen. Wo sortiert sich der VfL Bochum nun ein?

Kommerziell stehen wir bereits im vierten Bundesligajahr vor Augsburg oder Mainz. Die Transfereinnahmen machen den Unterschied. Das zeigt aber, was möglich ist. Wenn wir in der Bundesliga bleiben, gehen wir bald auf die 50 Millionen Euro bei den TV-Erlösen zu. Wenn wir das im kommerziellen Bereich erwirtschaften und dann auch Transfererlöse erzielen, sind wir mit diesen Klubs absolut auf Augenhöhe und haben einen guten Abstand zu den Aufsteigern. Der VfL hat ein riesiges Potenzial, was wir mit unseren bescheidenen Möglichkeiten nach und nach heben. Um dann noch den nächsten Schritt zu machen, bräuchten wir einen strategischen Partner, der uns eine Anschubfinanzierung liefert.

Essen . Interview mit Ilja Kaenzig
Ilja Kaenzig (2.v.r.) mit den Redakteuren (von links) Sebastian Weßling, Ralf Ritter und Stefan Döring. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Wie läuft da die Suche?

Es gibt permanent Gespräche. Es gibt aber keinen Investor, der schon ein konkretes Angebot abgeben hat. Das gilt aber bei fast allen Klubs in Deutschland. Die Tabellenlage spielt dabei im Übrigen keine Rolle! Es geht um die Wachstumsmarge. Und die ist bei uns sehr groß.

TV-Erlöse haben Sie bereits angesprochen. Bei der Verteilung gibt es unterschiedliche Ansichten. Wie stehen Sie dazu?

Die aktuelle Verteilung ist nicht schlecht, sie ist ja auch Ergebnis von lauten Diskussionen damals. Vielleicht kann man tatsächlich Faktoren wie Zuschauerinteresse und Nachwuchsarbeit noch etwas erhöhen. Vielleicht sollten die europäischen Klubs mehr abgeben, weil sie von der Uefa jetzt noch höher vergütet werden. Wir wehren uns aber dagegen, dass Klubs je nach aktueller Lage mal dies und mal das fordern. Wenn das jeder macht, ist die Solidargemeinschaft im deutschen Profifußball am Ende. Wir haben bei der DFL ein gewähltes Präsidium, das die Interessen aller vertritt. Diskussion – unbedingt. Aber kein Opportunismus. Am Ende braucht es ein Regulatorium. Wenn das Präsidium von den meisten Klubs nicht als repräsentativ angesehen wird, müssen wir die Governance der DFL in Frage stellen.

Schalkes Vorschlag beinhaltet, dass die Klubs mit den meisten Fans deutlich mehr Geld bekommen.

Dann wäre der sportliche Aspekt außen vor. Und das darf nicht passieren. Was soll denn beispielsweise der SC Freiburg sagen? Es ist ein vergleichsweise kleiner Klub, der aber herausragend arbeitet. Ich kann davor nur warnen, dass wir die Solidargemeinschaft verlassen, – dann verlieren am Ende alle.

Die großen Unterschiede im deutschen Fußball kommen in erster Linie auch nicht aus den TV-Geldern, sondern durch die Millionen, die die Großen im internationalen Geschäft einnehmen. Sind Klubs wie der VfL Bochum längst auf alle Zeiten abgehängt?

Die Schere wird nicht mehr zugehen. Das Gute am Fußball ist aber, dass es die einzige Sportart ist, in der bei derartig großen Unterschieden kleine Klubs wie der VfL große Vereine wie den FC Bayern im direkten Duell überhaupt noch ärgern können – obwohl die zwölf- oder dreizehnmal so viel Umsatz haben. Bei solchen Budgetunterschieden gäbe es beispielsweise im Basketball keine Chance für den kleinen Klub. Wir müssen viel stärker auf Transfererlöse schauen und dadurch daran partizipieren, dass immer mehr Geld in den Fußball fließt. Mainz, Augsburg oder Hertha BSC in der zweiten Liga nehmen dadurch zweistellige Millionenbeiträge ein, das sind echte Befreiungsschläge. Das ist für Klubs wie uns die einzige Chance, voranzukommen. Deshalb haben wir zuletzt auch viel Geld in unser Talentwerk investiert. Auch das Vertragsmanagement müssen wir einführen. Bei Eintracht Frankfurt haben Spieler keine Ausstiegsklauseln mehr und mindestens Verträge über drei Jahre. Da müssen wir hinkommen. Aber es ist leichter gesagt als getan für jene die meinen, dass man sowas einfach beschließen kann. Ein langer Optimierungsprozess steht uns bevor.

Germany Training Session And Press Conference - Blankenhain Training Camp Day 5
Brajan Gruda (links) wurde schon in die Nationalmannschaft berufen – und brachte dem FSV Mainz 05 bei seinem Wechsel nach England 31,5 Millionen Euro ein. Solche Geschichten will auch der VfL Bochum schreiben. © Getty Images | Alexander Hassenstein

Aktuell liegen die sportlichen Entscheidungen bei Ihnen. Kommt bald ein Sport-Geschäftsführer, der hierarchisch auf der gleichen Ebene wie Sie arbeitet, oder ein Ihnen untergeordneter Sportdirektor – oder gar beide?

Es wird ja immer gesagt, wir würden den Sport im Organigramm kleinhalten. Dabei haben wir beispielsweise die gleiche Struktur wie Augsburg oder Karlsruhe. Vielmehr hatte der Sport bei uns immer volle Autonomie – bei Transfers und Trainerwahl. Aber der Titel ist weniger wichtig als die Frage, wie man es im Alltag lebt. Ob Sport-Geschäftsführer oder Sportdirektor – wir müssen alle eng zusammenarbeiten. Gespräche sind bislang nicht geführt worden. Das muss nach der Transferperiode aber schnellstmöglich angegangen werden. Klar ist, dass zuletzt die Distanz aus der vierten Etage zur Mannschaft zu groß war.

Also die Distanz zwischen der Führungsetage und den Spielern. Wie wollen Sie das ändern?

Wir brauchen eine Person, die diese Schnittstelle im täglichen Betrieb besetzt zwischen Mannschaft und Funktionsteam auf der einen und Führungsebene auf der anderen Seite. Und wir müssen den Übergangsbereich verbessern. Wir bilden super aus, müssen die Spieler dann aber auch in den Seniorenbereich durchbringen. Das haben wir vor lauter Tagesgeschäft vernachlässigt.

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Wer sucht den sportlich Verantwortlichen?

Das Präsidium und ich zusammen. Wissen Sie, ich habe Erfahrung mit „Patronen, die sitzen müssen“. Wichtig ist, dass jemand kommt, der selbst anpackt. Wir haben beim VfL Bochum wenig Geld, wenige Mitarbeiter. Damit muss sich derjenige komplett identifizieren.

Wann kommt der neue Mann denn? Auch Schalke 04 sucht in dieser Region zum Beispiel.

Mit Schalkes Budget, selbst in der 2. Liga, können wir ohnehin nicht mitgehen. Hetzen lassen dürfen wir uns nicht. Es muss die beste Lösung für das Projekt VfL Bochum getroffen werden – übrigens unabhängig davon, wie die Präsidiumswahl im kommenden Jahr ausgehen wird. Der neue Mann muss in erster Linie zum VfL Bochum passen und sich mit unserem Weg identifizieren.

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Tim Jost, Direktor Marketing und Vertrieb des VfL Bochum, wechselte kürzlich zur TSG Hoffenheim. © FUNKE Foto Services | Teresa Kröger/RHR-FOTO

Zahlt der VfL Bochum zu schlecht?

Wir wissen, dass wir nicht die höchsten Gehälter zahlen können. Umso mehr ist es hervorzuheben, wie viel unsere Mitarbeiter eigentlich für unseren Verein leisten. Wir holen deswegen auch bewusst junge Leute, die mit unserem Verein ein Sprungbrett haben. Tim Jost, unser ehemaliger Marketingdirektor, ist ein gutes Beispiel. Ihn haben wir aus Kiel geholt, und er ist aufgrund seiner herausragenden Arbeit nun Geschäftsführer bei der TSG Hoffenheim, ausgestattet mit einem sehr langfristigen Vertrag, geworden. Solche Geschichten sind Chancen für den VfL, aber leider auch sein Schicksal.