Berlin. . Nach dem Gold der deutschen Freistil-Staffel um Paul Biedermann gab es bei der Heim-Europameisterschaft in Berlin riesige Begeisterung. Dennoch war es das schlechteste EM-Ergebnis in einem nicht-olympischen Jahr seit der Wiedervereinigung.

Im Berliner Velodrom, in dem sonst die besten Bahnradfahrer der Welt in den Steilkurven ihre Runden drehen, schwappte am Samstag die Stimmung in einer ganz anderen Sportart über. Als Paul Biedermann bei den Schwimm-Europameisterschaften im mobilen Becken das deutsche 4x200-Meter-Quartett zum Gold führte, standen die Zuschauer auf den Stühlen und schrien ihre Begeisterung heraus. Noch 50 Meter vor dem Ziel lag Biedermann genau eine Sekunde hinter dem russischen Schluss-Schwimmer zurück. „Als ich ins Becken gesprungen bin, wusste ich schon, den schnappe ich mir noch”, erzählte Biedermann, der bereits im Einzel über 200 Meter die Silbermedaille gewonnen hatte.

Über 100 Meter Freistil hatte Biedermann auf seinen Start verzichtet, obwohl er auch auf dieser Strecke zu den Favoriten zählte. Nicht jeder hatte diese Entscheidung verstanden. „Die Leute sollten beginnen, mir zu vertrauen”, erklärte Biedermann am Samstagabend mit eine Prise Genugtuung in der Stimme. „Ich bin alt genug, um zu wissen, was gut für mich ist. Und ich habe nach den drei Einzel-Rennen über 200 Meter Freistil diese zwei Tage Pause benötigt.”

Einen Tag später scheiterte Biedermann jedoch bei dem Versuch, die deutsche Bilanz auch in der abschließenden Lagen-Staffel zu verbessern. Es reichte nur zu Platz vier, so dass am Ende für die deutschen Beckenschwimmer nur sechs Medaillen (2-3-1) heraussprangen. Es war das schlechteste EM-Ergebnis in einem nicht-olympischen Jahr seit der Wiedervereinigung.

Auch interessant

Chef-Bundestrainer Henning Lambertz hatte vor den Titelkämpfen zwischen sechs und acht Medaillen prognostiziert. Das Soll wurde so eben erfüllt, doch es zeugt auch davon, wie weit die deutschen Beckenschwimmer derzeit hinter der europäischen und erst recht hinter der Weltspitze zurück sind. Vor zwölf Jahren gab es schon einmal eine Heim-WM in Berlin. Damals landete Deutschland im Medaillenspiegel der Beckenschwimmer auf Rang eins mit 22 Medaillen (10-7-5). Diesmal reichte es nur zu Platz acht. Herausragend waren die britischen Schwimmer, die 24 Edelplaketten(9-7-8) holten.

Frauen bleiben ohne Medaille

Besonders groß ist der Leistungsrückgang bei den Frauen. Alle sechs deutschen Medaillen wurden von den Männern gewonnen. Der Ausdruck vom schwachen Geschlecht trifft ausnahmsweise zu. Nachdem die früher so erfolgreichen Freistil-Staffeln mangels Konkurrenzfähigkeit erst gar nicht gemeldet worden waren, enttäuschte auch noch das Lagen-Quartett, das als Neunte das Finale verpasste.

Bundestrainer Lambertz kannte vorher die Schwachstellen und leitete deswegen Maßnahmen wie die Gründung eines Perspektivteams ein. Bis 2016 in Rio und spätestens bis 2020 in Tokio sollen die Talente den Abstand zur Weltspitze verkürzen. Es ist ein weiter Weg.