Berlin. Marco Koch erlöste die deutschen Schwimm-Fans bei der Europameisterschaft in Berlin und holte über 200 Meter Brust das erste Gold. Gezielt geht er seinen eigenen Weg. Für die begeisterten Zuschauer stieg er nach dem Rennen auf die Leine und zeigte seine Muskeln.
Das war eine Koch-Show der ganz besonderen Art. Ein Leckerbissen mit ganz viel Wasser. Marco Koch erlöste die deutschen Schwimm-Fans bei den Europameisterschaften im Berliner Velodrom und holte am vierten Tag der Becken-Wettbewerbe mit seinem Triumph über 200 Meter Brust in der deutschen Rekordzeit von 2:07,47 Minuten das erste Gold für die Gastgeber. Für die begeisterten Zuschauer stieg er nach dem Rennen auf die Leine und zeigte seine Muskeln. Eine untypische Pose für Koch, der zu den Stillen in der Szene zählt. “Das habe ich ganz spontan gemacht”, sagte er, “sonst hätte ich es vorher geübt, denn es ist ganz schön schwer, so auf der Leine zu sitzen.”
Der 24-jährige Darmstädter erzählte später, er habe bei jedem Zug die frenetischen Anfeuerungsrufe des Publikums gehört. Diese prickelnde Atmosphäre habe ihn auf der letzten Bahn getragen. Selbst am Welt- und Europarekord schrammte Koch nur um 47 und 24 Hundertstelsekunden vorbei. “Bei der Nationalhymne habe ich am ganzen Körper eine Gänsehaut gespürt”, beschrieb Koch seine Emotionen.
Drittes Gold für Hausding
Kunstspringer Patrick Hausding hat seinen dritten Titel bei der EM in Berlin gewonnen. Nach den Erfolgen im Synchronspringen vom Turm und im Einzel vom Ein-Meter-Brett siegte Hausding auch vom Drei-Meter-Brett. Nach dem verpatzten ersten Sprung war der 25-Jährige noch Letzter, kämpfte sich aber vom zwölften Platz nach ganz vorn.
Koch war schon vor der EM in Berlin der eigentliche deutsche Vorschwimmer, denn bei der WM 2013 holte er über 200 Meter Brust Silber. Es war die einzige Medaille des Deutschen Schwimm-Verbandes. Koch hatte dem damals wegen einer Viruserkrankung pausierenden Biedermann den Rang abgelaufen. Doch keiner hat es gemerkt, auch wenn Biedermann selbst erklärte: “Marco ist derjenige, der international den Takt vorgibt.”
Der Gold-Koch von Berlin ist ein Anti-Star, der Gegenentwurf einer Motte. Gleißendes Scheinwerferlicht zieht ihn nicht an. Der Fernstudent der Wirtschaftspsychologie hat durchaus etwas zu sagen, aber er drängt sich nicht danach. Das Darmstädter Echo veröffentlichte vor einiger Zeit das Ergebnis einer Meinungsumfrage. Demnach kannten in der Darmstädter Fußgängerzone 75 Prozent der Passanten Dominik Stroh-Engel, den Torjäger des Zweitliga-Aufsteigers Darmstadt 98, jedoch nur 17 Prozent den Schwimmer Koch. Vielleicht wird er jetzt durch den EM-Titel wenigstens ein bisschen populärer.
Koch ist kein Eigenbrötler, doch er weiß, was für ihn gut ist. Und das ist nicht immer das, was der Deutsche Schwimm-Verband vorgibt. So hat er sich nicht einem Bundesstützpunkt angeschlossen. Dafür nimmt er in dem alten Darmstädter Bad einige Widrigkeiten wie gelegentlich kaltes Wasser hin. “Ich brauche mein Umfeld in Darmstadt”, sagt er. Er wohnt noch bei seiner Mutter, die auch für ihn kocht. Die Pläne macht Heimcoach Alexander Kreisel, insgesamt vier Wochen bereitete er sich in diesem Jahr auch beim früheren Bundestrainer Dirk Lange in Graz vor.
Frust-Fresser nach dem Aus im olympischen Halbfinale 2012
Intelligente Sportler zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie schon im Moment des größten Erfolgs sofort nach vorne schauen, um sich weiter zu verbessern. So wie Marco Koch. Er hatte kaum die WM-Silbermedaille im vergangenen Jahr von der Sporttasche in den Schrank gepackt, da ging er zum Arzt und ließ einen Bluttest machen. “Ich habe mich manchmal nicht so gut gefühlt”, sagt Koch, “es hat sich herausgestellt, dass ich gegen einiges allergisch reagiere. Seitdem ernähre ich mich glutenfrei, fast vegan.” Bei seiner größten sportlichen Enttäuschung, dem Aus im olympischen Halbfinale 2012, war er noch ein Frust-Fresser. “Damals habe ich mittags etwa 54 Chicken-Nuggets gegessen, abends noch mal”, blickt er zurück. “Dazu kamen Süßigkeiten und so ein Mist.”
Die süßen und fetten Zeiten sind vorbei. In den vergangenen zwölf Monaten hat er nicht nur fünf Kilo abgenommen. “Ich kann härter trainieren”, erzählte Marco Koch nach dem Vorlauf. “Ich regeneriere schneller und bin stärker geworden. Das sollte ein Zeichen sein, dass ich hier schneller sein kann als 2013.” Dieser Koch wusste genau, wie er seine Gäste bei der EM verwöhnen kann.